One Night Husband

Drama | Thailand 2003 | 135 Minuten

Regie: Pimpaka Towira

Eine Frau, deren Mann nach einer gemeinsamen Liebesnacht spurlos verschwindet, begibt sich auf die energische Suche, bei der sie sein Doppelleben entlarvt. In seiner Schwägerin findet sie eine seelenverwandte Freundin, die den Mann wegen seiner Gefühllosigkeit erschießt. Mit Thriller-Konventionen spielende Emanzipationsgeschichte aus Thailand, zugleich eine Studie über Desillusionierung und Verrat, inszeniert als melancholische Großstadtballade. Der unspektakuläre Film vermeidet weitgehend Dialoge und erzählt die Geschichte mit kameratechnischen Mitteln sowie einer eigenwilligen Licht- und Farbgebung. (O.m.d.U.) - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
KUEN RAI NGAO
Produktionsland
Thailand
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
GMM Grammy Public Company
Regie
Pimpaka Towira
Buch
Pimpaka Towira
Kamera
Christoph Janetzko
Musik
Kasemsan Phromsupa
Schnitt
Lee Chatametikool
Darsteller
Nicole Theriault (Sipang) · Siriyakorn Pukkavesa (Busaba) · Pongpat Vachirabanjong (Chatchai) · Worawit Kaewpetch (Napat) · Piatip Kumwong (Busabas Mutter)
Länge
135 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Thailand gehört zu jenen Ländern, deren Kinofilme international nur wenig Resonanz finden; die Anzahl der Produktionen, die ins deutsche Kino gelangen, ist lächerlich gering. Dabei lassen sich dort Perlen wie das Debüt „One Night Husband“ der 34-jährigen Pimpaka Towira entdecken. Sie ist die erste Experimentalfilmemacherin, die für die Produktion ihres Erstlings ein großes Filmstudio gewinnen konnte. In der Genauigkeit der psychologischen Beobachtung orientiert sie sich an den besten Traditionen des europäischen Autorenkinos, im Spannungsaufbau kann sie es locker mit der amerikanischen Thriller-Konvention aufnehmen. Es beginnt mit einem Gewitter, und das nimmt das Gefühlskarussell vorweg, dem die Heldin im weiteren Verlauf ausgesetzt ist. Sipang, Anfang 30, verbringt eine leidenschaftliche Nacht mit ihrem gerade frisch angetrauten Ehemann Napat. Dann klingelt das Telefon, und Napat läuft aufgeregt davon. Sipang wartet vergebens auf seine Rückkehr und meldet ihn schließlich bei der Polizei als vermisst. Tage vergehen, bis sich die Frau, die den Verlust der erhofften Zukunft nicht verwinden kann, selbst auf die Suche macht. Täglich frequentiert sie das Polizeirevier, schaut sich eingelieferte Männerleichen an und harrt verzweifelt am Handy aus. Sipang sucht Napats Schwägerin Busaba auf, die von ihrem Ehemann schwer misshandelt wird. Die beiden Frauen schließen langsam Freundschaft, tauschen Zärtlichkeiten aus und lecken gemeinsam ihre Wunden. Es ist ausgerechnet Busabas gewalttätiger Mann, der Sipang auf die Spur des Verschollenen bringt. Er führt sie in eine Spielhölle, in der sich Napat regelmäßig aufgehalten haben soll. Dort erhält sie auch den Hinweis auf eine junge Geliebte, der sie später in einem Club begegnet. Nach und nach findet Sipang heraus, dass Napat schon einmal verheiratet war – und zwar mit Busaba. In einem leise ausgespielten Showdown erschießt die sowohl von ihrem Mann als auch von ihrer herrischen Mutter Gequälte den abtrünnigen Ex, der sich vor Sipangs Augen als gefühllos und grausam entpuppt. Gemeinsam begraben ihn die Frauen in Busabas Garten, wo er ihnen nicht mehr weh tun kann. Der Ausgang erinnert entfernt an die vielen Männer mordenden Frauenduos der Filmgeschichte, von „Viva Maria!“ (fd 13 847) über „Thelma & Louise“ (fd 29 188) und „Butterfly Kiss“ (fd 31 424) bis zum unseligen „Baise-moi“ (fd 34 542), nur steht hier die individuelle Leidensgeschichte im Vordergrund und nicht die effektvolle Zuspitzung zu einem feministischen Pamphlet. „One Night Husband“ ist trotz der kriminalistischen Handlung ein unspektakulärer Film, aber als Studie der Desillusionierung und des Verrats – und wie man sich dafür rächt – von so entlarvender Tiefe geprägt, wie man es sonst nur von großen Regisseuren vom Schlage eines Bergman oder Antonioni gewohnt ist. Die beengende Kühle der Räume, die für die Frauen Fluchtpunkte und zugleich Haftzellen sind, wird noch durch den Einsatz von Teleobjektiven verstärkt. Es gibt kaum Dialoge, dafür führt die Kamera ein Eigenleben. Sie schwebt über das Mobiliar, fixiert Zigarettenschachteln in Großaufnahme oder gleitet langsam über Spiegelungen im Wasser. Es sind die gedämpften Pastelltöne der Räume und Kleider, die diese schmerzhafte Emanzipationsgeschichte tragen. Im weiß gebleichten Traum, in dem Sipang ihren Gatten wie ein Neugeborenes beschützt oder in dem Club, in dem sich die Silhouetten der zu kühlen Trip-Hop-Klängen Tanzenden wie Schattenspiele über Sipangs trauriges Gesicht legen. Eine wunderbar melancholische, moderne Großstadtballade im Gewand eines Film Noir, die man in dieser Intensität und formalen Geschlossenheit aus Thailand nicht erwartet hätte.
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