- | Deutschland 2005 | 91 Minuten

Regie: Stefan Betz

Drei 16-jährige Ministranten nehmen den Tod eines Freundes zum Nachlass einer Reise nach Tschechien, wo sie in einschlägigen Etablissements ihre Unschuld verlieren wollen. Eine trotz des vorbelasteten Sujets launige Teenager-Komödie, in deren Verlauf die Protagonisten zu der Erkenntnis kommen, dass Sex längst nicht alles ist und dass Frauen mit Respekt zu behandeln sind. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
d.i.e. Film
Regie
Stefan Betz
Buch
Stefan Betz
Kamera
Alexander Fischerkoesen
Musik
Rainer Bartesch
Schnitt
Manuela Kempf
Darsteller
Andreas Buntscheck (Wong) · Joseph M'Barek (Hunter) · Ferdinand Schmidt-Modrow (Schilcher) · Henriette Richter-Röhl (Alicia) · Saskia Vester (Frau Schlittmeier)
Länge
91 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
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Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo (1:1.78/16:9/Dolby Digital 5.1)
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Diskussion
Drei 16-jährige Ministranten stehen am Grab eines Freundes auf einem kleinen Dorffriedhof irgendwo in Niederbayern. Ralf war Mofafahrer wie sie. Und er war „Jungfrau“, obwohl er als einziger eine Freundin hatte. Aber er starb, kurz bevor „es“ passieren sollte, kurz vor dem Urlaub der Eltern. Eine schreckliche Vorstellung, als Jungfrau zu sterben, findet zumindest Wong, der eigentlich Wolfgang heißt, sich als leidenschaftlicher Judoka aber einen asiatisch klingenden Namen zugelegt hat. Weil sich die Dorfmädels leider nur für die erwachsenen Jungs interessieren, beschließen er und seine beiden Freunde Schilcher und Hunter, ihr Glück jenseits der Grenze zu versuchen, in Tschechien, dem Eldorado deutscher Sextouristen. Da trifft es sich, dass Wong von Ralf einen Comic erbt, in den der Freund die Adressen Dutzender tschechischer Puffs eingeklebt hat. Mit diesem etwas bemühten Einstieg verbindet Drehbuchautor und Regisseur Stefan Betz in seinem Spielfilmdebüt zwei existenzielle Pubertätsthemen: Tod und Sexualität. Allerdings besteht kein Zweifel daran, worüber sich Betz’ Helden mehr Gedanken machen. Der Tod ihres Freundes lässt die Jungs kaum trauern. Kumpelhaft kippt Wong ein bisschen Bier auf das frische Grab. Das war’s dann. Am Beginn der Geschichte steht ein wenig Sterben, am Ende ein neues Leben, dazwischen gibt es reichlich Sex. Darauf jedenfalls scheint es in dieser Coming-of-Age-Komödie hinauszulaufen. Der unsäglich wortspielerische Titel „Grenzverkehr“ und der noch unsäglichere Untertitel „Die schöne Seite der Ost-Erweiterung“ lassen Schlimmes befürchten. Doch genau das will Betz nicht. Nach und nach räumt er (fast) alle Klischees aus dem Weg, um einen Reifeprozess zu inszenieren, bei dem es bald keine Rolle mehr spielt, ob einer noch „Jungfrau“ ist oder nicht. Auf ihrem Roadtrip erfahren die drei Helden, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt, etwa Frauen mit Respekt zu behandeln. Folgerichtig ist es deshalb wohl auch, dass sich ausgerechnet Hunter, der anfangs damit prahlt, schon mit vielen Frauen geschlafen zu haben, am Ende als schwul outet, worauf seinen Freunden dieses Schimpfwort im Halse stecken bleibt. Die Tour der niederbayrischen Mofagang wird zur Reise zum eigenen Ich, zur wahren Bildungsreise also. Trotzdem erzählt Betz nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern bleibt dem Komödiengenre treu, manchmal nah an der Farce. Auf diese Weise gelingt ein beachtlicher Balanceakt; eine unglaubwürdige Geschichte, die dennoch wahrhaftig wirkt. Der Plot funktioniert eher simpel. Die Freunde „leihen“ sich bei Schilchers Vater, einem Zweiradhändler, heimlich Mopeds aus, erzählen ihren Eltern, sie würden Zelten gehen und fahren stattdessen über die deutsch-tschechische Grenze. Dort begegnen sie der hochschwangeren Alicia, die vergeblich versucht hat, nach Deutschland einzureisen und zunächst ebenso vergeblich das Trio bittet, sie über die Grenze mitzunehmen. Die „Schnitzel“, wie die temperamentvolle Ukrainerin die Deutschen wenig liebevoll nennt, behaupten zwar, nur zum Tanken nach Tschechien gekommen zu sein, aber Alicia hat sie längst durchschaut. Im „Temple of Love“, einem schäbigen Bordell irgendwo im Wald, glauben die drei sich am Ziel ihrer Wünsche. Und tatsächlich hat für Wong die große Stunde geschlagen. Eigentlich sind es nur ein paar Minuten, und besonders schön ist es auch nicht. Den beiden anderen ergeht es nicht besser. Hunters Viagra will sich so gar nicht mit den Baileys vertragen, die er aus lauter Nervosität in sich hineinkippt. Er übergibt sich, was bei den beiden von Götz Otto und Oliver Korittke schrill karikierten Zuhältern nicht gut ankommt. Kurzerhand beschlagnahmen sie die Mopeds der Freier, bis der Schaden bezahlt ist. Doch statt Geld auszuspucken, zieht der nächstgelegene Bankautomat Wongs EC-Karte ein. In ihrer Not bieten die drei Alicia einen Deal an: wenn sie ihnen hilft, die Mopeds wieder zu beschaffen, kann sie mit nach Deutschland kommen. Doch der Plan misslingt. Als sie die Mopeds heimlich zurückholen wollen, werden alle vier geschnappt. Es folgt eine abenteuerlich-komische Flucht und eben die Erkenntnis, dass Sex nicht alles ist. Dass diese Botschaft im scherzhaften Actionspaß nicht untergeht, verdankt der Film Betz’ Gespür für die richtigen Zwischentöne und den überzeugenden Darbietungen von Henriette Richter-Röhl und Andreas Buntscheck in den Hauptrollen. Während die anderen Figuren eher platt oder überzeichnet geraten, gewinnt vor allem Andreas Buntscheck seiner Rolle viele Facetten ab. Mal charmant, mal cool, dann wieder hoffnungslos überfordert und infantil, stolpert Wong mit sich vor Aufregung überschlagender Stimme durchs Leben. Allzu viel Tiefgang sollte man von Betz’ Erstling trotzdem nicht erwarten. „Grenzverkehr“ ist vor allem eine launige Teenagerkomödie, über die man guten Gewissens lachen kann.
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