Lovesong for Bobby Long

Komödie | USA 2004 | 120 Minuten

Regie: Shainee Gabel

Im Haus einer verstorbenen Sängerin lernen zwei aus dem universitären Betrieb ausgestiegene Literaten die vernachlässigte Tochter der Verstorbenen kennen, die das festgefahrene Leben der beiden Männer gehörig durcheinanderbringt. Die melancholische Komödie huldigt auf kenntnisreiche Art dem Literaturbetrieb und zeichnet dank eines klug durchdachten Buchs ein sensibles Gruppenporträt, in dessen Verlauf über Werden und Vergehen philosophiert wird. Die überzeugenden Hauptdarsteller tragen zum Gelingen des künstlerischen Konzepts bei. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
A LOVE SONG FOR BOBBY LONG
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
El Camino Pic./Bob Yari Prod./Crossroads Films/Destination Films/Emmett-Furla Films/Stratus Film
Regie
Shainee Gabel
Buch
Shainee Gabel
Kamera
Elliot Davis
Musik
Nathan Larson
Schnitt
Edward Percy · Lee Percy
Darsteller
John Travolta (Bobby Long) · Scarlett Johansson (Pursy Will) · Gabriel Macht (Lawson Pines) · Deborah Kara Unger (Georgianna) · Dane Rhodes (Cecil)
Länge
120 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Universum (1:1.78/16:9/Dolby Digital 5.1)
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Diskussion
Paradox: Wieder einmal singt ein US-amerikanischer Independent-Film das Hohelied der Literatur aus der Perspektive der „Creative Writing“-Seminare wie zuvor schon, mehr oder weniger gelungen, „Gefühle, die man sieht“ (fd 35 893), „The Hours“ (fd 35 876) oder „Ein Zuhause am Ende der Welt“ (fd 36 827). In „Lovesong For Bobby Long“ wird das Schreiben zum wahrhaft existenziellen Geschäft, man kommuniziert über Literaturzitate, macht Liebeserklärungen durch tiefgründige Widmungen in Büchern von Carson McCullers und absolviert quasi en passant regelrechte Bildungserlebnisse, die dann ihrerseits in kluge Bücher münden, die wiederum von den biografischen Umständen dieser Erlebnisse erzählen. Im besten Fall. Erfahrungsarmer Akademismus, wie er der jungen deutschsprachigen Literatur nachgesagt wird, ist die Sache von Purslane Hominy Will nicht, denn in ihrer Welt wimmelt es von Jazz-Sängerinnen, Alkoholikern, Exzentrikern, Lebenskünstlern, Bohemiens, die dem ohnehin entspannten Lifestyle der Südstaatenmetropole New Orleans noch bunte Tupfer verpassen, sodass der Weg von der ungebildeten Trailer Park Beauty zur Verfasserin des titelgebenden Liebesliedes für Bobby Long durchaus schlüssig erscheinen mag. Der Film erzählt die Geschichte einiger in die Jahre gekommener Slacker, die nach traumatischen Erlebnissen mit ihrer bürgerlichen Existenz gebrochen haben: Bobby Long war einmal ein renommierter Literaturprofessor und Lawson Pines sein vielversprechender Schüler. Aufgrund einer Verkettung unglücklicher Zufälle steigen beide aus dem universitären Literaturleben aus und proben in New Orleans den Neuanfang. Das war vor Jahren, seither schreibt Lawson erfolglos an einem Roman, was auch daran liegt, dass Bobby Gegenstand und schärfster Kritiker des Projekts ist. Die Männerfreundschaft wandelte sich längst in eine alkoholgeschwängerte Lethargie, die sich nur noch selten zu altem Beatnik-Glamour aufschwingt. Zuletzt kommt man bei der Sängerin Lorraine Will unter, mit deren Tod und Beerdigung der Film beginnt. Lorraine hat nämlich eine vernachlässigte Tochter: Purslane. Die erfährt erst mit Verspätung vom Tod der Mutter, verpasst die Beerdigung und trifft in dem heruntergekommenen Haus ihrer Mutter auf die beiden Ex-Literaten. Für Purslane wird die Reise nach New Orleans zur Reise zu ihren Wurzeln, denn viele Freunde ihrer Mutter erinnern sich an das Kind und schwelgen ohnehin gern in Erinnerungen. Doch Purslane musste sich Bilder einer glücklichen Kindheit stets heftig erträumen. Ihr Schmerz und Groll gegenüber der Mutter sitzen tief. Immerhin bringt die junge Frau ordentlich Schwung in das selbstgefällige, eingefahrene Leben der beiden Männer. Was anfangs noch heftige Reibereien sind, führt zu einer Annäherung, die psychologisch aufschlussreiche Daten über die von Schicksalsschlägen gekennzeichneten Biografien zusammenträgt. Erst allmählich gewinnt die Geschichte, die „Lovesong For Bobby Long“ erzählt, an Kontur, erlaubt sich Abschweifungen, Blindstellen und retardierende Momente. An die Stelle Plotpoint-orientierten Erzählens setzt der Film auf epischen Atem und Atmosphäre, was ihm durch seine ungewöhnliche Literarizität gut bekommt. Die einzige Pointe, die der Film in der Erzählgegenwart auszuspielen hat, ahnt man früh. In der Summe zeichnet er ein melancholisches Gruppenporträt, dessen roter Faden fast philosophisch von Werden und Vergehen handelt und in dem jeder Todesfall die Möglichkeit beinhaltet, sein Leben neu zu justieren. Die Debütantin Shainee Gabel hat lange Jahre Arbeit in Drehbuch und Regie gesteckt und sich nachdrücklich vom Mythos des Südens in der amerikanischen Literatur inspirieren lassen. Die Hauptdarsteller bedankten sich für das mutige, fast „europäische“ Drehbuch mit hervorragendem, sehr nuanciertem Spiel: Scarlett Johannsson überzeugt als patenter, aber zutiefst verletzter Teenager, auch Gabriel Macht liefert ein überzeugendes Porträt eines labilen Menschen, der sich aus Loyalität um sein eigenes Leben betrügt. So trägt ein blondierter John Travolta, der als Hauptdarsteller vielleicht etwas zu sehr zeigen wollte, was er schauspielerisch drauf hat und deshalb einige überflüssige Manierismen produziert, einen dandyhaften weißen Anzug wie eine Figur von Tennessee Williams, das Verlorensein an die Vergangenheit lässt an die Romane Faulkners denken; auch liegt ein Hauch von „The Big Easy“ über dem Film – insbesondere in den Szenen, in denen die Bohemiens zusammensitzen und sich alte Blues- und Folksongs vorspielen.
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