Alles was ich an euch liebe

Komödie | Spanien/Großbritannien/Argentinien/Portugal 2004 | 89 Minuten

Regie: Teresa de Pelegri

Eine spanische Jüdin präsentiert ihrer mittelständischen Familie ihren Verlobten, wobei es für die jungen Leute ausgemachte Sache ist, dass dessen palästinensische Herkunft nicht angesprochen wird. Trotz aller Finten kommt es zu erheblichen Verwerfungen. Die turbulente Komödie nutzt ihren politisch brisanten Hintergrund kaum und entwickelt sich vor allem als liebevoll-chaotischer Familienfilm mit glaubwürdigen Charakteren und subtilem Humor. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SERES QUERIDOS | ONLY HUMAN
Produktionsland
Spanien/Großbritannien/Argentinien/Portugal
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Tornasol Films/Greenpoint Films/Madragoa Filmes/Patagobnik Film Group
Regie
Teresa de Pelegri · Dominic Harari
Buch
Teresa de Pelegri · Dominic Harari
Kamera
Denny Cohen
Musik
Charlie Mole
Schnitt
Fernando Pardo
Darsteller
Norma Aleandro (Gloria) · Guillermo Toledo (Rafi) · María Botto (Tania) · Marián Aguilera (Leni) · Fernando Ramallo (David)
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
good!movies (1:1.85/16:9/Dolby Digital 5.1)
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Diskussion
Im Fahrstuhl fallen Leni und Rafi übereinander her: Sex ist ihr Allheilmittel gegen Stress. Schnell noch ein „Quickie“ – schließlich ist es keine leichte Übung, wenn eine junge Frau ihrer Familie den Verlobten präsentiert. Aber vor allem: Leni ist Jüdin, Rafi Palästinenser, was Lenis in Spanien lebende Familie nicht erfahren darf. Ein Stoff für eine Tragödie, der nach dem Scheitern einer großen Liebe klingt, nach Romeo, Julia und Doppelselbstmord. Vor dem politischen Hintergrund eines immer noch ungelösten Konfliktes ist das Grundproblem des Films zumindest brisant. Doch die Eheleute Teresa de Pelegri und Dominic Harari interessierte die Geschichte als Komödienstoff. Also treten die Liebenden nicht als perfektes Paar auf, sondern als Figuren mit Ecken und Kanten, und Lenis Familie, die dem Glück im Weg steht, wächst dem Zuschauer durchaus ans Herz. „Alles was ich an euch liebe“ überzeugt als liebevoll gezeichneter Familienkatastrophenfilm voller glaubwürdiger Charaktere und subtilem Humor. Aber auch derbe Situationskomik findet im Appartement der Dalinskys statt, einer jüdischen Mittelklassefamilie. Rafi, als Palästinenser noch unerkannt, packt im Haushalt mit an. Gespielt von dem spanischen Sitcom-Star Guillermo Toledo, macht er eine sehr komische Figur, wenn er Wäschekorb tragend und mit stoischer Miene den Redeschwall der frustrierten Mutter Gloria über sich ergehen lässt (sympathisch: Norma Aleandro). Doch Rafi ist keine große Hilfe. Dem Unglücksraben flutscht ein großer Block eingefrorener Suppe aus dem Fenster und trifft zehn Stockwerke tiefer den Kopf eines Passanten. Zunächst erfährt das nur Leni. Die rät, das Malheur zu vertuschen. Irgend jemand werde schon einen Krankenwagen rufen. Sehr überzeugend schwankt Marian Aguilera als Leni zwischen Besorgtheit und Kaltschnäuzigkeit. Das unbemerkte Unglück trifft keine heile Familie. Mutter Gloria nimmt Antidepressiva, weil sie vor dem Scherbenhaufen einer Ehe steht. Auch sorgt sie sich um Lenis Geschwister, die noch zuhause wohnen: David läuft psalmodierend durch die heimische Enge, weil er sich zum orthodoxen Judentum berufen fühlt. Tochter Tania betätigt sich als Nymphomanin und versucht, den Bräutigam ihrer Schwester mit Bauchtänzen zu betören, während ihre kleine Tochter mit einem Schwangerschafts-Tick nervt; und Großvater Dudu, verwirrt und blind, aber militärisch-zackig, hält sein Gewehr aus dem israelischen Unabhängigkeitskrieg in Bereitschaft. Die Handkamera lässt die vibrierende, ja hysterisierte Atmosphäre des Familienabends mit seinen kleinen und großen Missgeschicken beinahe körperlich spüren, während die aufgeregten Klezmer-Klänge nie den wehmütigen Unterton vertreiben, der dieses Treffen begleitet: eine universale Familienmelancholie, die wohl so mancher schon erlebt hat. Im Vordergrund stehen indes praktische Probleme: Wo ist die Suppe? Wo bleibt Papa? Unten auf der Straße liegt immer noch ein Mann. Könnte der „Tote“ Ernesto sein, das Oberhaupt der Familie, das nicht zum Essen erschienen ist? Warum holt niemand einen Krankenwagen? Beunruhigt steigt Rafi auf den Spülkasten, um aus dem Klofenster zu spähen. Als Opa Dudu zum Wasserlassen hereinschlurft, kommt es zum peinlichen Zusammenstoß. Eine Gratwanderung zwischen Slapstick und melancholischem Humor, die nicht immer im Film funktioniert. Im letzten Drittel gibt es Schwachpunkte, etwa da, wo man der nächtlichen Odyssee des „Suppenopfers“ folgt, das sich in der Tat als Ernesto erweist. Mit Platzwunde und verlorenem Gedächtnis irrt er durch die Stadt. Hier tragen Pelegri und Harari zu dick auf, wenn sich der Patriarch von einer farbigen Prostituierten aufgabeln lässt und sie prompt für seine Ehefrau hält. Bevor Ernesto in den Schoß der Familie zurückkehren kann, droht den Dalinskys die Kontrolle endgültig zu entgleiten. Leni rast vor Eifersucht, weil ihre Schwester mit Rafi geflirtet hat, David, der vielleicht nur Halt in der Thora sucht, weil er noch kein Mädchen hat, deckt Rafis Identität auf und geht mit Opas Gewehr auf ihn los. Jeder Konflikt treibt nach oben, bis er sich nach Komödienart von selbst löst. Leni und Rafis Liebe droht im Familienkrach unterzugehen, bis sich die Liebenden auf der Straße wiederfinden und sich ihren Dissens in Sachen Israel und Palästina von der Seele reden – ein Thema, das sie zuvor unter den Tisch kehrten. Mit dem Zauberwort „Nobody is perfect“ ist die Sache geklärt, die Liebe gerettet. Du bist Araber, ich bin Jüdin – na und? Alles ist gut, wenigstens im Kino.
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