Shutka - Stadt der Roma

Dokumentarfilm | Tschechien/Serbien-Montenegro 2005 | 80 Minuten

Regie: Aleksandar Manic

Porträt der mazedonischen Stadt Shutka, die als inoffizielle Hauptstadt der Roma gilt. Der burleske filmische "Fremdenführer" macht mit skurrilen Bewohnern sowie ihren grotesken Wetten und Hobbys bekannt und lässt an merkwürdigen Ritualen teilhaben. Ständig die Grenzen zwischen Dokumentation und Inszenierung verwischend, wirft der Film einen liebevoll-ironischen Blick auf den illustren Mikrokosmos, den er auf ebenso erhellende wie unterhaltsame Weise nahe bringt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SHUTKA
Produktionsland
Tschechien/Serbien-Montenegro
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Cabiria Films/Czech Television-Telexport
Regie
Aleksandar Manic
Buch
Aleksandar Manic
Kamera
Dominik Miskovsky
Schnitt
Ivana Davidová
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Wohl nicht von ungefähr erinnert „Shutka – Stadt der Roma“ an die Filme von Emir Kusturica, hat der an der renommierten Prager Filmhochschule „FAMU“ ausgebildete Dokumentarist Aleksandar Manic doch bei „Underground“ (fd 31 644) assistiert; zugleich besetzte er Bajram Severdzan, den Hauptdarsteller aus „Schwarze Katze, weißer Kater“ (fd 33 507), als „Maître de Plaisir“, der durch die inoffizielle Hauptstadt der Roma führt. 15 Autominuten von Skopje entfernt liegt die mazedonische Stadt Shuto Orizari, kurz Shutka, in der fast 93 Prozent der rund 40.000 Einwohner Roma sind – wegen der schmucken Häuser und der vielen Mercedes-Pkws, die das Stadtbild prägen, von den Bewohnern auch Stuttgart genannt. Die wenigsten haben einen Arbeitsplatz, und so vertreibt man sich die Zeit mit den skurrilsten Meisterschaften und Hobbys, die der Erdball in dieser Häufung zu bieten hat. Dabei siegt die Fantasie über das Geld. Auch wenn Dr. Koljo einige relativ „biedere“ Geschäftsleute vorstellt, prägen eher burleske Gestalten und groteske Situationen den Film, der sich mit überbordendem Einfallsreichtum über alle Grenzen des Genres hinwegsetzt; diese verschwimmen ständig zwischen Dokumentation und Schauspielerei, wobei man nie genau weiß, was nun inszeniert ist: die Selbstdarstellung der Derwische und Vampirjäger oder die Beobachtung eines Gänsekampfes. Man lernt Elvis kennen, den jüngsten Schlachter des Ortes, der wie ein Torero mit einem Messerstich sein „Opfer“ fällt, blickt in die von Schmerz verzerrten Gesichter von Knaben, die ohne Narkose beschnitten werden, und sieht zu, wie sich Junge und Alte ohne jede Gesichtsregung in offensichtlicher Trance spitze Holzstäbe durch die Wangen bohren – nichts für schwache Nerven, und doch sind diese Szenen nie von Hauch Spekulation umgeben. Die merkwürdigen Rituale fügen sich vielmehr folgerichtig in den seltsam unwirklichen und doch lebensnahen und -frohen Mikrokosmos ein. Wenn Onkel Refe stolz seine gewaltige Anzug- und Krawattensammlung präsentiert, mit seinen 103 Jahren noch den jungen Frauen nachsteigt und den französischen Charmeur spielt, dann hat das genauso etwas Anrührendes, wie Alfonsos Herumstolzieren in Titos Uniform. Aleksandar Manic „kommentiert“ dies augenzwinkernd in schwarz-weißen Filmdokumenten aus der Zeit Titos und setzt neben originalen „Zigeuner“-Weisen auch ein Thema von Nino Rota ein. Selbst wenn seine Kamera die Löcher in den Strümpfen der zum Gebet niederknieenden Protagonisten einfängt, hat dies nichts Denunzierendes, was auch für den selbsternannten Friedhofswärter gilt, der die Gräber vor Plünderern schützt – um dann bei Dienstschluss selbst die „Opfergaben“ zu stibitzen. Irgendwie finden alle ihren Platz in dieser illustren Gesellschaft, die schon deshalb sympathisch erscheint, weil schon ihre Kinder mit melodischem Geschrei auf die Welt zu kommen scheinen. Diese poetische Verklärung geht mit dem surrealen Treiben in Shutka eine Symbiose ein, die der Film kongenial einfängt und auf höchst unterhaltsame Weise erfahrbar macht.
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