Harry Potter und der Feuerkelch

Fantasy | USA 2005 | 157 Minuten

Regie: Mike Newell

In seinem vierten Schuljahr an der Schule für Zauberei wird der nunmehr 14-jährige Harry Potter mit der Teilnahme an einem magischen Turnier und drei lebensgefährlichen Aufgaben konfrontiert, ohne zu ahnen, dass dahinter eine Intrige steckt, die ihn seinem ärgsten Widersacher ausliefert, dem wieder zu körperlicher Gestalt gelangten Lord Voldemort. Furioser Fantasy- und Abenteuerfilm vor düsterer Kulisse, strukturiert als nahezu ununterbrochene Folge tricktechnisch spektakulärer, visuell durchaus eindrucksvoller Ereignisse. Stillere und poetische Momente werden dabei ebenso zurückgedrängt wie die im Roman vorhandene, für die jugendliche Zielgruppe relevante Auseinandersetzung mit Themen wie Freundschaft und Solidarität, Zivilcourage und Loyalität. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
HARRY POTTER AND THE GOBLET OF FIRE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Warner Bros./Heyday Films
Regie
Mike Newell
Buch
Steve Kloves
Kamera
Roger Pratt
Musik
Patrick Doyle · John Williams
Schnitt
Mick Audsley
Darsteller
Daniel Radcliffe (Harry Potter) · Rupert Grint (Ron Weasley) · Emma Watson (Hermine Granger) · Michael Gambon (Albus Dumbledore) · Maggie Smith (Professor Minerva McConagall)
Länge
157 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Fantasy | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Der Film ist auf DVD und BD in diversen Umverpackungen erhältlich. Die Standardausgabe hat keine Extras. Die Extras der Special Edition (2 DVDs) und der BD sind umfangreich und bieten Kurzfeatures zu vielen Teilaspekten des Films, sind jedoch nur in Einzelfällen bemerkenswert. Zudem enthalten SE und BD immerhin ein Feature mit acht im Film nicht verwendeten Szenen (10 Min.). Die sog. "Ultimate Edition" (auf DVD und BD) besticht durch ihre hochwertige Aufmachung (Papp-Schuber, 48-seitiges Hochglanz-Foto-Booklet) sowie durch den vierten Teil der 8-teiligen Dokumentations-Reihe (jede der erscheinenden "Ultimate Editons" enthält einen Teil) "Die Entstehung von Harry Potters Welt". Das hier enthaltene Segment "Ton & Musik" (54 Min.) beschäftigt sich u.a. mit dem Musikkonzept und dessen Umsetzung durch die unterschiedlichen Komponisten, angefangen von John Williams. Zudem enthält die Edition mit u.a. mit dem Feature "Harry Potter und der Feuerkelch: Ein Einblick in die Magie" (49 Min) eine weitere interessante Dokumentation. Die BD eröffnet schließlich noch die Möglichkeit eines Bild-im-Bild-Feature, in dem Interviews und Informationsfeature zum laufenden Film abgerufen werden können. Die "Ultimate Edition" ist mit dem Silberling 2010 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Warner (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Warner (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Kein Zweifel, sie sind – fast – erwachsen geworden: Hermine Granger, Ron Weasley und Harry Potter haben sich auch äußerlich weit von jener Zeit entfernt, als sie in „Harry Potter und der Stein der Weisen“ (fd 35 161) in die Zaubererschule Hogwarts eintraten. Staunend und mit strahlenden Augen hatten sie als elfjährige Erstklässler die magischen Welten ergründet – verspielt und naiv, schnell fasziniert und gänzlich unbefangen. Inzwischen sind fast fünf Jahre vergangen, und aus den Kindern sind Teenager mit neuen Interessen geworden, aber auch mit Sorgen und Verwirrungen, die sie längst nicht mehr so ganz „unschuldig“ wie einst auf die Welt blicken lassen. Vieles in ihrem Denken und Handeln ist nicht bewusst reflektiert, auch sind sie in ihren schlaksigen Körpern noch nicht ganz angekommen – vor allem die Jungs nicht. Während sich Hermine beim großen Schulfest bereits strahlend-schön und bemerkenswert selbstbewusst im mondänen Outfit als junge Nicole Kidman erprobt, nörgelt der pubertierende Ron an allem und jedem herum, ohne zu verstehen, welche Gefühle für Hermine sich in ihm einen Weg bahnen. Und Harry Potter? Der berühmte Junge mit der Narbe, der als Einziger eine Attacke jenes ultimativen Bösen überlebte, dessen Namen man nicht nennen darf? Auch Harry ist nun ein gereifter Teenager mit unverstelltem Blick, der, gleichwohl der zentrale Held, doch der natürliche Junge von nebenan geblieben ist – Projektionsfläche für Millionen von Buch- und Filmfans, für die er stellvertretend seine Abenteuer erlebt, handfeste Gefahren meistert und dabei nicht zuletzt eine große Verantwortung übernimmt. Das ist das eigentlich Faszinierende am ganzen Harry-Potter-Hype und bei weitem interessanter – und relevanter – als das ewige Mäkeln an diesem angeblichen „Teufelswerk“, das im Grunde doch nur eine simple, aber höchst fabulierfreudige Fantasy-Genregeschichte ist: dass hier ein literarisches Werk im Stil eines (trivialen) Fortsetzungsromans alle Register eines effektvollen Erzählens zieht, damit Kinder und Jugendliche in Bann schlägt und sie nicht mit leeren Floskeln abspeist, sondern ihnen (positive) Themen bietet, die sie selbst in ihrem Alltag umtreiben – Freundschaft und Solidarität, Einsamkeit und Isolation, Zivilcourage, Loyalität und Durchsetzungsvermögen. Und weil die jungen Leser mit Harry Potter zusammen älter geworden sind, können und wollen sie durchaus nachvollziehen, dass ihr geliebter Lesestoff „erwachsener“, die Gefühle ihrem Alter angemessener, die Bedrohungen größer und die äußeren Ereignisse deshalb auch drastischer geworden sind. Selbst im populären Kino funktioniert dies noch – auch wenn sich die überbordenden Romanereignisse nicht annähernd deckungsgleich in halbwegs vermarktbare Filmlängen transferieren lassen. Freilich geht es gar nicht darum, „Harry Potter“ mit filmischen Mitteln neu und/oder gar künstlerisch allzu ambitioniert zu interpretieren. Alfonso Cuarón hatte sich mit „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ (fd 36 535) bereits recht weit vorgewagt und eine faszinierend düstere Verfilmung geschaffen, die auch noch Stimmung und Atmosphäre dieses vierten Teils prägt: Über der Pracht der von Kerzen erleuchteten Schulsäle, der Skurrilität sich ständig verändernder Treppenhäuser und „lebendiger“ Gemälde legt sich die Angst wie Mehltau – Angst vor der Rückkehr des Bösen, das sich zwar noch nicht materialisiert hat, wie die beklemmende Eröffnungsszene signalisiert, sich aber doch bereits der Seelen der Menschen bemächtigt und sich in Form von Hass und Ausgrenzung, Missgunst und Rassismus, ja selbst in den Streitereien der Freunde manifestiert. Über dem Zauberschloss Hogwarts, seinen Ländereien und Wäldern hängen tiefe Wolken, Regen prasselt nieder, die Tropfen prallen an die bunten, in Blei eingefassten Glasfenster und zaubern der Darstellung einer knienden jungen Frau Tränen in die Augen. Es sind solche poetischen Momente, die auch dem aktuellen Regisseur Mike Newell – dem ersten Engländer in der Reihe – durchaus wichtig sind: das bedrohliche sich Nähern des hinkenden Mad-Eye Moody, das glutvolle Gesicht von Sirius Black, das aus dem Kaminfeuer heraus davor warnt, dass das Böse bereits in den Mauern von Hogwarts angekommen sei, all dies gibt der fulminanten Erzählung ansatzweise Struktur, die ansonsten von einer überbordenden, nahezu atemlosen Fülle von spektakulären Ereignissen beherrscht wird. Dass der vierte „Harry Potter“-Roman dermaßen viele „Sensationen“ vorgegeben hat, ist Chance und Fluch der Verfilmung. Nun will man natürlich alles sehen, was bislang lediglich zu lesen war – und der Film befriedigt dank modernster Tricktechnik diese legitime Sensationsgier höchst eindrucksvoll mit Settings, die teilweise den Atem rauben: das bizarre Zeltlager mit den zahllosen Besuchern der Quidditch-Weltmeisterschaften, der spektakuläre Stadionkessel mit seinen nahezu senkrecht aufragenden Zuschauerwänden, die faszinierenden Kulissen für die Prüfungen des Trimagischen Turniers – eine (Stadion-)Drachenhöhle, die von Wassergeistern bevölkerten Tiefen des Sees, das nahezu grenzenlose Labyrinth, in dem der Feuerkelch versteckt ist –, schließlich das beängstigende Dunkel des Friedhofs, auf dem sich Lord Voldemort rematerialisiert und seine ihm verbliebenen Todesser um sich schart, bevor er Harry töten will. Man kann kaum Luft holen in dieser Flut an visuellen Höhepunkten, die das Auge beim ersten Sehen schier überfordern. Zweifellos hätte der Film (noch) weit länger sein müssen, um all diese Effekte in einen wirklich stimmigen Rhythmus einzubinden und eine erzählerisch rundere Gesamtkomposition zu kreieren. Dass Newell dazu durchaus in der Lage gewesen wäre, zeigen die wenigen ruhigeren, aber nicht weniger intensiven Szenen: die unheilvollen, vielsagenden Blicke durch Mad-Eye Moodys magisches Auge, das Spiel mit den silbernen Gedächtnisfäden des Denkariums, die hinreißende, von einem raffinierten musikalischen Walzer-Thema zusammen gehaltene Ballsequenz (bei der sich die pubertären Befindlichkeiten der jungen Helden so wunderbar ausleben), schließlich das makaber-morbide Finale, das durch die Darstellung des höchst lustvoll agierenden Ralph Fiennes zu einer wahren Studie des Schreckens gerinnt. Wie ohnehin die stets viel zu kurzen, dabei aber sehr pointierten Auftritte der Hogwarts-Lehrer (engen) Raum für schauspielerische Kabinettstücke bieten. Bei alldem werden eingefleischte Potter-Exegeten immer noch dem hinterher jammern, was nicht den Weg vom Buch in den Film gefunden hat. Da gibt es zwar in Moodys Unterrichtsstunde noch die Begegnung mit den unverzeihlichen Flüchen, während wichtige Romangestalten wie Rita Skeeter/Kimmkorn (als Zentrum einer handfesten Satire auf den britischen Sensationsjournalismus) oder Ludo Bagman nur noch Randnotizen sind – was freilich verschmerzbarer ist als die Abwesenheit der (ersatz-)mütterlichen Wärme von Mrs. Weasley, der nur ansatzweise spürbaren Autorität von Albus Dumbledore oder der sich viel zu wenig vermittelnden Solidarität der Schüler, die am Ende des Romans doch deutlich den Mut aufbringen, dem neue Gestalt gefundenen Bösen entgegenzutreten. So fehlt dem Film ein den spektakulären Höhepunkten äquivalentes „geistiges“ Zentrum, das der Roman durchaus besitzt und das er sich zwischen den Polen Rassismus, Fremdenhass und Intoleranz einerseits, Solidarität, Aufrichtigkeit und Zivilcourage andererseits sucht. Im englischen Original des Films wird die Turnier-Aufgabe im Labyrinth als „In the maze“ bezeichnet, wobei „maze“ eben nicht nur Irrgarten oder Labyrinth bedeutet, sondern auch auf eine zweite Ebene verweist und Verwirrung, Bestürzung, Ratlosigkeit und Verlegenheit signalisiert. Von diesen essenziellen Befindlichkeiten der jugendlichen Protagonisten vermittelt sich im Film nur wenig – vielleicht muss man dafür tatsächlich auf die womöglich vierstündige DVD-Fassung warten.
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