Komödie | Großbritannien/USA 2005 | 124 Minuten

Regie: Woody Allen

Einem jungen Mann gelingt trotz geschliffener Umgangsformen und einem eisernen Willen nicht der gesellschaftliche Aufstieg. Durch seine Tätigkeit als Tennistrainer lernt er eine junge Frau aus bestem Haus kennen und kann sich ihre Zuneigung sowie die Protektion ihrer Eltern sichern. Seine ehrgeizigen Pläne werden gefährdet, als er sich in eine glücklose amerikanische Schauspielerin verliebt. Woody Allens Film beginnt als elegante Gesellschaftskomödie, bevor er einen Fall ins Bodenlose beschreibt und schonungslos die Gleichgültigkeit und Grausamkeit hinter der glitzernden Fassade der High Society entlarvt. Hervorragend gespielt, reizvoll strukturiert durch pointiert kommentierende Opernarien. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MATCH POINT
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Magic Hour Media/Thema Prod./BBC Films
Regie
Woody Allen
Buch
Woody Allen
Kamera
Remi Adefarasin
Schnitt
Alisa Lepselter
Darsteller
Scarlett Johansson (Nola Rice) · Jonathan Rhys Meyers (Chris Wilton) · Emily Mortimer (Chloe Hewett Wilton) · Matthew Goode (Tom Hewett) · Brian Cox (Alec Hewett)
Länge
124 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Prokino (1:1.78/Dolby Digital 2.0)
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Diskussion

Fleiß, Ehrgeiz, Talent: Das sind alles lobenswerte Tugenden, wenn man es im Leben oder auch im Tennis zu etwas bringen will. Aber es gibt diese entscheidenden Momente, in denen der Ball an die Netzkante fliegt und letztlich nur das Glück darüber entscheidet, ob er es bis ins Feld des Gegners schafft oder nicht. Glück zu haben ist der entscheidende Faktor, von dem Wohl und Wehe im Leben letztlich abhängen. Dieser Meinung ist Chris Wilton, ein ambitionierter junger Mann, bei dem es nicht ganz für eine Profi-Karriere als Tennisspieler gereicht hat und der in einem schicken Londoner Tennisclub als Coach anheuert, um seinem Glück auf die Sprünge zu helfen. Dort lernt er Tom Hewett kennen, einen dandyhaften, reichen jungen Mann (brillant gespielt von Newcomer Matthew Goode, der hier in die Fußstapfen eines Rupert Everett tritt). Dieser freundet sich mit seinem Trainer an und stellt ihn seiner Familie vor, was für Chris die Eintrittskarte in jene Welt der Wohlbetuchten ist, zu der er gehören will: Er verabredet sich mit Toms Schwester Chloe, einer liebeswürdigen, etwas unscheinbaren und naiven jungen Dame, die sich in den schönen, gebildeten Iren verliebt; bald wird er auch auf den Landsitz der Hewetts eingeladen, wo er sich die Zuneigung und Protektion der Eltern sichert. Soweit scheint das Projekt des sozialen Aufstiegs zu gelingen – bis Chris Nola Rice begegnet, einer glücklosen angehenden Schauspielerin aus den USA, in die sich Chris verliebt. Die Leidenschaft für sie treibt Chris dazu, sein bisheriges Glück aufs Spiel zu setzen – und wird zum Stolperstein, der seine ehrgeizigen Pläne mehr und mehr gefährdet. Woody Allens Karriere als Filmemacher sucht ihresgleichen. Jahr für Jahr bringt er in ungebrochener Schaffensfreude einen neuen Film in die Kinos – zuletzt meist elegante und wortwitzige, melancholische und trotzdem beschwingte Komödien über Irrungen, Wirrungen und Neurosen der New Yorker Intellektuellenkreise. Seine Verehrer lieben diese Filme wie gute alte Freunde, während ihm anderen vorwerfen, dass er nichts Neues mehr zu erzählen zu habe und sich selbst nur noch wiederhole. Was immer auch davon stimmt: Mit seinem neuesten Film hat Allen noch einmal einen beachtlichen Haken geschlagen. „Match Point“ changiert zwischen Komödie und Psychodrama und wird schließlich zum Krimi um einen brutalen Mord. Der eingefleischte New Yorker hat sein angestammtes Biotop verlassen und sich ins „alte Europa“, nach London, vorgewagt. Auch wenn Allen die Szenerie, anders als sein Landsmann Robert Altman das England in „Gosford Park“ (fd 35 441), nicht in die Vergangenheit verlegt, benutzt er doch dieselben Klischees einer eleganten Upper Class, um ein hintergründiges, nuancenreiches Gesellschaftsstück über Ehrgeiz und Leidenschaft, Schicksal und Schuld und die große Blindheit der Fortuna zu entfalten; wie in Altmans Film sind auch in Allens Mordgeschichte die Täter nicht zuletzt die Werte und Normen eben dieser High Society, hinter deren glänzender Fassade sich eine gähnende Leere auftut und hinter deren kultiviertem, elitärem Charme Gleichgültigkeit und Grausamkeit sichtbar werden. Inspiration fand Allen in der Literatur des 19. Jahrhunderts, und statt Jazz prägen italienische Opernarien den Soundtrack. Überhaupt spielt die Oper (besonders Werke aus dem Oeuvre Giuseppe Verdis) eine nicht unwichtige Rolle: Chris ist, wie sein Schwiegervater, bekennender Opernfan; musikalische Zitate aus „La Traviata“, „Rigoletto“, „Macbeth“ und „Othello“ kommentieren die Handlung. Ein Besuch im Londoner Opernhaus steht am Beginn von Chris’ Aufstieg: Symbolisch für den Eintritt in die Welt der Oberen Zehntausend erhält er Zugang in die Loge der Hewitts und kann sich dort selbst als kultivierter Gentleman inszenieren, während sich auf der Bühne tief unter ihm das Schauspiel von Liebe und Untergang der Violetta (aus „La Traviata“) entfaltet; bald aber verliert er die Kontrolle über das Spiel, und so werden die Räume und Straßen Londons, begleitet von den Opernklängen aus dem Off, selbst zur Bühne, auf der sich Chris in den Netzen seiner Lügen und Leidenschaften verfängt. Ein Glücksgriff ist Allen mit der Besetzung der Hauptrolle durch Jonathan Rhys-Meyers („Velvet Goldmine“, „Kick it like Beckham“, „Vanity Fair“) gelungen. Anders als die typischen Allen-Helden ist sein Chris zu Beginn alles andere als zappelig-neurotisch, sondern bewegt sich souverän auf dem gesellschaftlichen Parkett und hält das Gleichgewicht zwischen selbstbewusstem Auftreten und eleganter Zurückhaltung. Doch fehlt seinem modernen Felix Krull von Anfang an die schelmische Leichtherzigkeit seines literarischen Vorgängers; statt dessen ist ihm etwas Schwerblütiges eigen, etwas Abgründiges und unterschwellig Trauriges, was einen schon in der ersten halben Stunde, als der Film noch eine elegante Gesellschaftskomödie ist, vermuten lässt, dass Chris mit seinem Glauben an das Glück im Spiel fatal falsch liegen könnte. Denn Glück haben, bedeutet eben nicht unbedingt glücklich zu sein, und, um Truman Capote zu zitieren: Manchmal werden über erhörte Gebete mehr Tränen geweint als über unerhörte.

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