Leon The Pig Farmer

Komödie | Großbritannien 1992 | 104 Minuten

Regie: Gary Sinyor

Ein liebenswürdiger junger Mann aus jüdischer Familie in London muß erkennen, daß er künstlich gezeugt und auf der Samenbank vertauscht wurde: Sein wahrer Vater ist ein Schweinezüchter aus Yorkshire. Bevor er sich mit dieser neuen Identität arrangiert, kommt es für ihn zu zahlreichen Prüfungen an Leib und Seele. Eine ausgelassen-fröhliche, in einigen Szenen bemerkenswert virtuos entwickelte Komödie, die mit ansteckender Heiterkeit jüdische Schwierigkeiten in der modernen Welt beschreibt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LEON THE PIG FARMER
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Leon the Pig Farmer PLC
Regie
Gary Sinyor · Vadim Jean
Buch
Gary Sinyor · Michael Normand
Kamera
Gordon Hickie
Musik
John Murphy · David A. Hughes
Schnitt
Ewa J. Lind
Darsteller
Mark Frankel (Leon Geller) · Janet Suzman (Judith Geller) · Brian Glover (Brian Chadwick) · Connie Booth (Yvonne Chadwick) · David de Keyser (Sidney Geller)
Länge
104 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
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Diskussion
Leon ist ein netter, liebenswürdiger junger Mann aus jüdischer Familie, die in relativem Wohlstand in London lebt. Er entdeckt Schockierendes: man hat ihn künstlich gezeugt und auf der Samenbank auch noch aus Zufall die Reagenzgläser vertauscht. Sein wahrer Vater ist ein Schweinezüchter aus Yorkshire. Ein genetischer Witz. Die besondere Fallhöhe rührt daher, daß zwischen jüdischer Rechtgläubigkeit und dem Schwein schlechthin ein unüberbrückbarer Gegensatz angenommen wird. Zugleich erscheint diese Eigenheit traditioneller Religionsübung eher als Bizarrerie, weniger als Zeichen dafür, daß sich komplexe kulturelle Systeme untereinander kaum vertragen. Der Film zeigt keine Furcht vor solchen Grenzverletzungen. In ihm ist vieles möglich, sogar eine (nicht im Bild gezeigte) Kreuzung aus Schwein und Schaf. Wieviel leichter fällt da eine Familien-Zusammenführung. Am Ende besteht sogar die Aussicht, daß der einst so koscher lebende Leon zum Schweinezüchter wird, wenn er denn Vaters Erbe antreten will. So ließe sich der Streit zwischen den prägenden Kräften, zwischen Milieu und Genen, versöhnen.

Eine britische Komödie, das heißt: die Geschichte erzählen, ist eines, das andere aber genauso wichtig, nämlich Tabus aufzuspüren, mit denen man brechen kann - beileibe nicht grimmig und unerbittlich, doch spielerisch, frohgemut, hemmungslos. Meist stolpern die ahnungslosen Christen ins verbotene Gelände, der jüdische Held muß es ertragen, ein Opfer der Zumutungen, auf die er sich immerhin einläßt. Leon ist ein idealer Brüter für Schuldgefühle aller Arten und daher nicht ungeeignet, um eine langwährende Tradition fortzusetzen. Die hübsche und skurrile Künstlerin Madeleine liebt nur jüdische Männer. Als Zweifel an Leons reiner Herkunft besteht, weist sie ihn empört aus dem Haus. Und sie läßt Leon wie seine Nachfolger, ihre jüdischen Liebhaber, als Christus am Kreuz posieren, um sie dann abzuzeichnen. "Monty Pythons" haben vorgemacht, wie man beinahe beiläufig Risiken ein - und dabei äußerst weit gehen kann. Zum Beispiel selbst in peinigender Lage formvollendete Höflichkeit walten zu lassen, um auf den Glauben anzuspielen, daß gute Erziehung sogar mit Grauen und Greueln fertig werden könnte. Diese spezifische Komik erweckt etwa die freundliche Lady im Labor, die Leon in reizendem Ton und plaudernder Manier dazu ermuntert, sein "sperm" (noch kein gewöhnlicher Begriff in diesem Film) in ein Gläschen zu praktizieren, hinter einem Wandschirm, vor dem die Lady leise ungeduldig wartet, in einem großen hallenähnlichen Raum, auf der ungeschützten Seite ein riesiges Fenster. Schüchtern fügt sich Leon in sein Schicksal. Auch, nachdem ein Donnergrollen ihn durchbebt, als er hört, er beiße eben, mit Appetit, in ein Stück Schweineleber. Es wird Leon moralisch wehgetan, nicht körperlich. Das gilt als minderer Schmerz und taugt als Stoff für unbotmäßige Affekte: fürs Amüsement. Denn im übrigen ist Leons Umwelt sanft beschaffen. Wenn ihm die Immobilienmakelei als unwürdig und betrügerisch erscheint, kehrt er sich eben ab. Nirgends herrscht Geld- oder Arbeitsnot. Seine beiden Familien bieten ihm idyllische Heimstätten: die jüdische seiner hier herrschenden Mutter (typisch) und die christliche seines dort herrschenden Vaters (ebenso typisch). Upper-middle-class-Erwartungen erfüllen alle. Die Damen sind damenhaft, und selbst auf dem Bauernhof ißt man gemäß dem Vorbild der nouvelle cuisine. Nach seinen Prüfungen an Leib und Seele kriegt Leon am Ende die begehrte jüdische Nachbarin, die eigentlich Abenteurer, Ausbrecher aus dem Bannkreis der üblichen Regeln schätzt. Wer spricht von kühnen Unternehmungen, Leon als Schweinezüchter überträfe sie alle! Wer die Voraussetzungen und Spielregeln, kulturelle Besonderheiten und frommes Brauchtum, akzeptiert, wird sich von diesem Spott über jüdische Schwierigkeiten in der modernen Welt erheitern lassen. In unterschiedlicher Weise, da dieser Spott manchmal raffinierter, manchmal einfacher konstruiert ist, auf schnell erreichbare Pointen aus. Es handelt sich um den ersten großen Spielfilm zweier Hochschul- und Universitätsabsolventen. Er folgt noch vielen Mustern, ist aber - einige Sequenzen und Szenen bezeugen das - auf dem Weg zur Virtuosität.
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