Künstlerporträt | Österreich/Frankreich/Deutschland/Großbritannien 2006 | 98 Minuten

Regie: Raoul Ruiz

Porträt des österreichischen Malers Gustav Klimt, das als fiebriger Todestraum Erinnerungen, Visionen und Fantasien des sterbenden Künstlers um seine Leidenschaft für eine geheimnisvolle, schöne Tänzerin reiht. Auf Klimts Ornamental-Stil zurückgreifend, inszeniert Regisseur Raoul Ruìz imposante Bilder, in deren Oberflächenreiz er sich jedoch verliert statt Klimt, seine Zeit und seine Kunst auch narrativ zu durchdringen. Dadurch mangelt es dem Film ebenso an analytischer Tiefe wie auch an Lebendigkeit. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
KLIMT
Produktionsland
Österreich/Frankreich/Deutschland/Großbritannien
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
epo-film/Film-Line Prod./Lunar Films/Gémini Films
Regie
Raoul Ruiz
Buch
Raoul Ruiz
Kamera
Ricardo Aronovich
Musik
Jorge Arriagada
Schnitt
Béatrice Clerico · Valéria Sarmiento-Ruiz
Darsteller
John Malkovich (Gustav Klimt) · Veronica Ferres (Emilie Flöge) · Saffron Burrows (Lea de Castro) · Stephen Dillane (Sekretär) · Paul Hilton (Octave Herzog)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Künstlerporträt
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
McOne (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Am Anfang steht das Ende: Gustav Klimt liegt auf dem Sterbebett und stammelt im Fieber-Delirium vor sich hin. Des Malers fiebrigen Todestraum, der sich aus Erinnerungen, Visionen, Wahnvorstellungen und Fantasien zusammensetzt, bebildert Raúl Ruiz mit opulentem Gestus über eine ganze Spielfilm-Länge (im „Director’s Cut“ umfasst der Film 129 Minuten). „Klimt“ ist alles andere als ein herkömmliches Biopic – der Film unternimmt vielmehr den Versuch, die Innenwelt des Künstlers in Bilder umzusetzen, die wiederum dem ornamentalen Stil des österreichischen Jugendstil-Malers entsprechen. Mitten im Atelier schneit es den für Klimt charakteristischen Goldstaub von der Decke, goldene Linien schnörkeln sich über die Gesichter der Protagonisten. Es zerspringen Spiegel, Gläser und Porzellan, um in unzählige Scherben zerbrochen mosaikartige Flächen zu bilden, wie sie sich auf vielen Bildern des Malers wiederfinden. Die Spiegelscherben, die verzerrte Abbilder der Protagonisten in den Raum werfen, stehen aber auch für die fragmentierte Identität, das Oszillieren zwischen Sein und Schein, Realität und Traum, „echt“ und „falsch“. Doch wie der gesamte Film bleibt dieses Bild vordergründig und selbstverliebt, ohne etwas von Klimt, seiner Zeit und seiner Malerei zu vermitteln – wenn man sich denn nicht damit begnügen mag, dass der „L’art pour l’art“-Gedanke der Wiener Moderne mit einem visuellen Ausstattungsspektakel ausreichend erfasst wäre. Die filmische Angleichung an Klimts Malstil kreiert manch faszinierendes Bild; tatsächlich meint man die Filmbilder so zu sehen, „als sähe Klimt sie mit eigenen Augen“ (Ruiz), als ersetze der Blick des Malers die Kamera. Doch erschöpft sich der Film in dieser Bildgewaltigkeit, die in ihrem Manierismus und ihrem Überfluss zunehmend geschmäcklerisch wirkt. Ruiz stellt in seiner wild wuchernden Phantasmagorie den (fiktiven) Plot um eine schöne Tänzerin in den Mittelpunkt, in die sich Klimt während der Pariser Weltausstellung verliebt. Der Maler wird in die Gemächer besagter Lea de Castro gebeten, ahnt jedoch nicht, dass er von deren Doppelgängerin verführt wird. Es entspinnt sich eine undurchschaubare Intrige, die von einem zwielichtigen Sekretär inszeniert wird, den nur Klimt selbst wahrzunehmen scheint und dem er im Lauf des Films mehrmals begegnet. Ein geheimnisvolles Spiel um Sein und Schein soll diese erotische Verwicklung sein, tatsächlich aber mangelt es an einer inneren Notwendigkeit, die die Verrätselung des Techtelmechtels rechtfertigen würde. Ob es sich bei der Tänzerin um die echte oder die falsche Lea handelt, ist dem Zuschauer herzlich egal, schließlich spielt es auch innerhalb des Films überhaupt keine Rolle. Der bedeutungsvolle Habitus entpuppt sich als Geplänkel; zu äußerlich bleibt die Vervielfachung der Ebenen, um das Gefühl einer existenziellen Verunsicherung zu transportieren. Diese Tendenz zum betont Enigmatischen prägt den Film. Ruiz verliert sich in Oberflächlichkeiten, die an sich nicht unpassend erscheinen – schließlich wurde Klimt ja von der Kunstkritik lange Zeit als „Dekorationsmaler“ abgelehnt –, aber in keinen narrativen oder reflexiven Kontext gesetzt werden, der die Beschäftigung damit legitimieren würde. Dem surrealistisch anmutenden filmischen Fiebertraum fehlt es an Seele, was selbst John Malkovich als Klimt nicht auszugleichen vermag. Malkovich ist nicht falsch besetzt; doch lässt die Bilderflut kaum ein freies Eckchen zur darstellerischen Entfaltung, weswegen Malkovich recht desinteressiert durch die Szenerie treibt. Der Umgang mit dem menschlichen „Material“ ist bezeichnend für den Film, in dem, rein äußerlich, sämtliche Protagonisten des österreichischen Fin de Siècle gut getroffen sind: Veronica Ferres als Emilie Flöge, des Malers jahrzehntelange Lebensgefährtin, erinnert deutlich an Klimts Frauenporträts und hält auch dem (nicht übermäßig strengen) Vergleich mit Fotos der echten „Midi“ stand; Nikolai Kinski als Egon Schiele ähnelt stark den filigranen, androgynen Körpern auf Schieles Selbstporträts. Doch diese Figuren werden wie teure Einrichtungsgegenstände durch die Kulissen geschoben und atmen dabei nicht mehr Leben als eines der dekorativen Art-Nouveau-Möbel. Ruiz greift auf ähnliche Erzähl- und Stilmittel zurück, wie sie in „Die wiedergefundene Zeit“ (fd 34 680), seiner gelungenen Verfilmung von Marcel Prousts Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, zum Einsatz kamen: Auch hier befindet sich die Kamera in ständiger Bewegung und umkreist die Protagonisten, sind die Zeitebenen experimentell verschränkt und die Grenzen zwischen Realität und Traum aufgehoben. Doch während sich Ruiz’ unkonventionelle, elliptische Erzählweise als kongeniales Mittel erwies, Prousts Monumentalwerk umzusetzen und mit einer Art filmischen Imitation von Prousts Schreibstil den Geist des Romans einzufangen, scheitert sein Versuch, sich auf ähnliche Weise Gustav Klimts Malerei anzunähern, in grandios ausgestatteter, schön anzusehender Leere.
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