Drama | Kanada/Indien 2005 | 117 Minuten

Regie: Deepa Mehta

Ein achtjähriges indisches Mädchen, das von den Eltern zwangsverheiratet wurde, wird nach dem Tod des Ehemanns nach hinduistischem Brauch in einen Ashram für Witwen gesteckt. Hier trifft es Frauen, die sein Schicksal teilen, vor allem aber eine Leidensgefährtin, die als Prostituierte für die Finanzierung des Ashrams sorgen muss. Gegen Ende der 1930er-Jahre in Benares spielender Film über das Schicksal indischer Frauen. Subtil inszeniert und detailreich ausgestattet, erzählt er von einer traditionellen Form der Unterdrückung, wobei die zwischen Trauer und Hoffnung, Melancholie und Romantik pendelnde Geschichte durch den märchenhaften Schluss aufgebrochen wird. Abschluss der "Elemente"-Trilogie von Deepa Mehta, zu der noch die Filme "Fire - Wenn die Liebe Feuer fängt..." (1996), und "Earth" (1998) gehören. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
WATER
Produktionsland
Kanada/Indien
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Deepa Mehta Films/Flagship Int./David Hamilton Prod./Echo Lake Prod./Noble Nomad Pic./Téléfilm Canada
Regie
Deepa Mehta
Buch
Deepa Mehta
Kamera
Giles Nuttgens
Musik
Mychael Danna
Schnitt
Colin Monie
Darsteller
Lisa Ray (Kalyani) · Seema Biswas (Shakuntala) · Kulbhushan Kharbanda (Sadananda) · Waheeda Rehman (Bhagavati) · Raghuvir Yadav (Gulabi)
Länge
117 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
UFA (1:2,35/16:9/Dolby Digital 5.1)
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Diskussion
Indien, Benares 1938: Als die achtjährige Chuyia Witwe wird, hat sie noch nicht einmal begriffen, dass sie zwangsverheiratet worden war. Auch das, was jetzt mit ihr geschieht, versteht sie nicht. Man führt sie in ein Ashram, in dem kahlgeschorene Frauen wohnen. „Wo ist Mama“, fragt sie ängstlich und schaut sich um. Doch die Mutter ist weg. Chuyia wehrt sich verzweifelt. Aber für sie gibt es kein Zurück. Ihre Kindheit ist zu Ende. Sie hat keine Familie mehr, keine Vergangenheit und – so will es die patriarchale Tradition – auch keine Zukunft. Ihr neues Heim ist Zufluchtstätte und zugleich Gefängnis, ein Grab für Witwen, die von den streng gläubigen Hindus als Aussätzige behandelt werden. Eine Wiederverheiratung verbietet die Religion ebenso wie Kontakte zur Außenwelt. Mit „Water“ beschließt die kanadisch-indische Regisseurin Deepa Mehta ihre Elemente-Trilogie. Nachdem sich die Vorgängerfilme über die Themen Leidenschaft („Fire“, fd 32 714) und Heimat („Earth“, 1998) recht klar dem jeweiligen Element zuordnen ließen, fällt es diesmal schwerer, eine allegorische Verbindung zum Titel herzustellen. Am ehesten repräsentiert das Wasser, das als Regen, Fluss oder auch in einem Kübel allgegenwärtig ist, vielleicht die (unerfüllte) Sehnsucht nach einem glücklichen Leben, nach dem Mutterschoß oder, politisch gewendet, einem Matriarchat. Wie „Fire“ und „Earth“ handelt der Film von der Unterdrückung der Frauen durch eine über ein rigides Glaubenssystem gerechtfertigte Männergesellschaft. Abermals greift Mehta auf religiöse Symbolik zurück, um deren repressiven Charakter zu entlarven bzw. auf den Kopf zu stellen. Am Ende von „Fire“ geht die unglücklich verheiratete Radha, die sich auf eine lesbische Liebe einlässt, wie einst die legendäre, treue Ehefrau Sita durchs Feuer, um ihre Reinheit zu beweisen und besteht die Probe – ein Affront für fundamentalistische Hindus, die gegen den Film agitierten und indische Kinos, die „Fire“ spielten, verwüsteten. In „Water“ verknüpfte Mehta erneut Gesellschafts- mit Religionskritik und zog sich abermals den Zorn hinduistischer Traditionalisten zu. Bereits 2000 wollte die in Kanada lebende Regisseurin den Film realisieren, was wütende Proteste, die sich bis zu Morddrohungen auswuchsen, zunächst verhinderten. Fünf Jahre später drehte Mehta dann doch; allerdings heimlich in Sri Lanka. Vergleicht man das geruhsame, fließende Erzähltempo aus „Water“ mit der heißblütigen Erzählweise von „Fire“, erscheint die Aufregung nur schwer verständlich. Genauer betrachtet, erweist sich „Water“ als zwar weniger stürmisch, aber kaum weniger radikal. Die heiligen Wasser des Ganges, in dem sich die Gläubigen reinwaschen, sind es, auf denen in „Water“ nachts ein dem Ashram nahestehender Eunuch die attraktive Kalyani, die als einzige der Witwen ihre langen Haare behalten durfte, in einem Boot zu Freiern schippert. Kalyani ist die Aussätzige unter den Aussätzigen. Die gestrenge, verbitterte Leiterin des Ashrams bestimmte sie als Jüngste und Schönste zur Prostituierten. Nur mit dem Geld, das Kalyani verdient, können die Witwen ihren Lebensunterhalt finanzieren. Ganz unpolemisch und doch unmissverständlich inszeniert Mehta die Doppelmoral, die es Kalyani bei Tag verbietet mit Männern zu sprechen, sie aber nachts in ihre Betten treibt. In drei Akten schildert die Regisseurin das Schicksal der Unberührbaren, die, wenn sie in den Ganges steigen, darauf achten müssen, dass ihr Schatten nicht auf eine andere Frau fällt, weil sie ihr angeblich Unglück bringen. Der erste, traurig-komische Teil gehört der kleinen Chuyia. Mit erfrischender Naivität wirbelt sie den geregelten Tagesablauf im Ashram durcheinander. Sie freundet sich mit Kalyani ebenso an wie mit der klugen, strenggläubigen, aber nach innen zweifelnden Shakuntala oder der tatterigen Ashram-Ältesten, die von nichts anderem träumt und redet als von Süßigkeiten, die, wie jeder Genuss, verboten sind. Im zweiten Teil begegnet Kalyani einem fortschrittlichen jungen Mann (gespielt von Bollywood-Ikone John Abraham), einem Gandhi-Idealisten, der sich auf den ersten Blick in die Schöne verliebt und sie allen Tabus zum Trotz heiraten möchte. Die tragisch-romantische Episode, die sich daraus entwickelt, fungiert als zentraler Handlungsschrittmacher; doch da die Liebe der beiden emotional unmotiviert bleibt, gerät die Geschichte in ihrem dramaturgischen Kern dünn und unglaubwürdig. Diese einzige Schwäche des Films wird von den behutsamen schauspielerischen Darbietungen und der unaufgeregten, musikalisch stimmig akzentuierten, poetischen Gesamtatmosphäre weitgehend aufgefangen. Trauer mit Hoffnung, Melancholie mit Romantik, Wut und Liebe gehen Hand in Hand. Der tiefgründige Film formuliert keine Anklage, keinen simplen Appell. Besonders im dritten Teil offenbart er am Beispiel Shakuntalas den inneren Widerspruch der Frauen, die an ein System glauben, das sie unterdrückt. Weil der feministische Freiheitskampf hier sowohl nach außen wie auch nach innen wirkt, kann ihn Shakuntala schließlich zugleich gewinnen und verlieren.
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