- | Burkina Faso 1997 | 100 Minuten

Regie: Gaston Kaboré

Melancholischer Abenteuerfilm aus dem Afrika des beginnenden 19. Jahrhunderts: Ein junger Mann, der als Findelkind von einem Stamm aufgenommen wurde, muss erkennen, dass er all die Jahre doch stets ein Fremder geblieben ist. Als seine Adoptivschwester an einer mysteriösen Krankheit zu sterben droht, macht er sich auf die Suche nach einem Heiler, der sie retten könnte. Eine traurig-schöne Allegorie auf das Leben als eine Reise voller Gefahren, die zugleich auch vielfältige Chancen und Begegnungen bietet. Der in getragenem Tempo inszenierte Film ist ein Lehrstück auf Fremdsein und Fremdenfeindlichkeit, wobei er die Ambivalenz des Begriffs "Fremde" gleich mehrfach herausstellt. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BUUD YAM
Produktionsland
Burkina Faso
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Caro-Line Prod./Cinecom Prod.
Regie
Gaston Kaboré
Buch
Gaston Kaboré
Kamera
Jean-Noël Ferragut
Musik
Michel Portal
Schnitt
Marie-Jeanne Kanyala · Didier Ranz
Darsteller
Serge Yanogo (Wênd Kûuni) · Amssatou Maìga (Pughneere) · Sévérine Oueddouda (Somkieta) · Colette Kaboré (Laale) · Boureima Ouedraogo (Razugu)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
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Diskussion
In seinem Debütfilm „Das Geschenk Gottes“ („Wend Kuuni“, 1982) erzählte Gaston Kaboré die Geschichte eines kleinen Jungen im vorkolonialen Afrika, der von einem Händler halbtot im Busch aufgefunden wurde. Wênd Kûuni wuchs bei einer Adoptivfamilie auf, die sich liebevoll um ihn kümmerte. Der Junge erinnerte sich zunächst nicht an das, was vorgefallen war. Erst ein dramatisches Erlebnis brachte die Erinnerung zurück. 15 Jahre nach seinem Erstling setzte Kaboré 1997 die Geschichte Wênd Kûunis mit dem melancholischen Abenteuerfilm „Buud Yam“ fort. Ohne Kenntnis der Vorgeschichte erschließen sich einem die immer wieder eingestreuten Rückblenden zur Kindheit Wênd Kûunis nur mühsam. Sein leiblicher Vater kehrte eines Tages nicht von der Jagd zurück. Seine Mutter galt als Hexe und wurde für den Tod eines Kindes verantwortlich gemacht. Zur Vergeltung forderten die aufgebrachten Dorfbewohner nun das Leben Wênd Kûunis. Dessen Mutter floh mit ihm in den Busch, wo sie starb und einen traumatisierten, einsamen Jungen zurückließ. Mittlerweile ist aus dem kleinen Buben ein attraktiver junger Mann geworden, dem die Dorfmädchen bewundernde Blicke zuwerfen, wenn er auf seinem Pferd an ihnen vorbeireitet. Und doch ist Wênd Kûuni in all den Jahren ein Fremder geblieben. Als sich in seinem Dorf Unglücksfälle häufen, beginnen einige bereits hinter seinem Rücken zu tuscheln. Ein Mann wird von einer Schlange gebissen, und dann erkrankt auch noch Wênd Kûunis geliebte Adoptivschwester Pughneere an einer schweren, rätselhaften Krankheit. Immer mehr Dorfbewohner schieben Wênd Kûuni die Schuld zu und behaupten, ein Fluch laste auf ihm, er habe den „bösen Blick“. Das grausame Schicksal seiner Mutter droht sich an Wênd Kûuni zu wiederholen. Um das zu verhindern und gleichzeitig die todkranke Pughneere zu retten, rät ihm ein väterlicher Freund, das Dorf zu verlassen und sich auf die Suche nach einem mysteriösen Heiler zu begeben, dessen sagenumwobenes Löwenkraut allein Pughneere noch helfen könne. Wênd Kûuni hört auf den gutgemeinten Rat und begibt sich auf eine abenteuerliche Reise, auf der er allerhand Gefahren, den unterschiedlichsten Menschen und sogar dem Händler begegnet, der ihn einst im Busch aufgelesen hatte. Auch sich selbst kommt er näher. Kaboré entwirft mit dieser afrikanischen Odyssee zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine traurig-schöne Allegorie auf das Leben als Reise, die voller Gefahren, Möglichkeiten und Begegnungen steckt. „Buud Yam“ ist zugleich ein Lehrstück über Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Freundschaft. Aus seinem Dorf wird Wênd Kûuni getrieben, weil er vielen noch immer als Fremder gilt. In einem anderen Dorf wird er fälschlicherweise einer Vergewaltigung beschuldigt. Er soll bereits zu Tode geprügelt werden, als der Irrtum gerade noch aufgeklärt werden kann. Nomaden lesen ihn in der Wüste auf und wollen ihn schnellstmöglich wieder loswerden. Andere begegnen ihm gastfreundlich. Wênd Kûuni begibt sich in die Fremde, wodurch er selbst zum Fremden wird. So entwickelt sich der Abenteuerritt zur Reise ins eigene Ich. Im Misstrauen der anderen, erkennt er seinen eigenen Argwohn wieder. Behäbig, ja träge folgt die Kamera dem Reisenden durch Busch, Wüste und Wald. Mit einfachen filmischen Mitteln werden episodische Begebenheiten aneinandergereiht. Leuchtende Tagesbilder, die zeigen, wie Wênd Kûuni durch wunderschöne, mal karge, mal üppig grüne Natur reitet, wechseln mit dunklen Nachtbildern, die nur schemenhafte Umrisse vor Lagerfeuern andeuten, sowie mit Einblicken in enge nächtliche Hütten oder Aufnahmen vom kläglichen Krankenlager Pughneeres, die Nacht um Nacht schwächer wird. Actionszenen haben in Kaborés spröder Poesie keinen Platz. Der ruhige Rhythmus von Handlung wie Schnitt und die fast hypnotisch dahingleitende, landschaftliche Musik lullen ein, ohne zu langweilen. Sie kreieren einen zauberhaften, paralysierenden Mythos, dessen Schwermütigkeit immer wieder von leichten, fröhlichen Akkorden und komischen, humorvollen Szenen durchbrochen wird. Stundenlang bauen Wênd Kûuni und ein Weggefährte an einem Floß, um einen vermeintlich reißenden Fluss zu überqueren. Bis ein Einheimischer einen bewundernden Blick auf die imposante Arbeit der beiden wirft – und dann genüsslich den seichten Strom durchwatet. „Traue keinem Fluss, den du nicht kennst“, meint daraufhin Wênd Kûunis Reisegefährte trotzig. Eine komische Szene, die ganz undidaktisch zeigt, wie verständlich die Angst vor dem Fremden bisweilen sein kann, und wie lächerlich und unangebracht zugleich.
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