Neil Young: Heart Of Gold

Musikfilm | USA 2006 | 103 Minuten

Regie: Jonathan Demme

Jonathan Demmes Konzertfilm dokumentiert mit großem Feingefühl die Weltpremiere von Neil Youngs Album "Prairie Wind" am 18. August 2005. Die Musiker zelebrieren einen erdverbundenen Sound, wobei Young als begnadeter Geschichtenerzähler zum Kern amerikanischen Empfindens vorstößt. Aufmerksam fängt Demme das intime Spiel der Musiker untereinander und miteinander durch die zurückhaltende Kameraführung ein und vermeidet hektische Schnittfolgen. Dabei scheint der Funke vom geschichtsträchtigen Konzertsaal in Nashville auf die Kinoleinwand überzuspringen. - Ab 12 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
NEIL YOUNG: HEART OF GOLD
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Clinica Estetico/Playstone/Shakey Pic./Shangri-La Ent.
Regie
Jonathan Demme
Kamera
Ellen Kuras
Musik
Neil Young
Schnitt
Andy Keir
Länge
103 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12 möglich.
Genre
Musikfilm | Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Paramount (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl., dts engl.)
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Diskussion
Regisseur Jonathan Demme betreibt in seinem Konzertfilm, der während der Weltpremiere von Neil Youngs Album „Prairie Wind” am 18. August 2005 in Nashville entstand, eine musikalische Schatzsuche: „Heart of Gold” dringt zum Kern jener amerikanischen Werte vor, die dieses Land einst bestimmten: Leben in rauer Natur, harte, ehrliche Arbeit, mitmenschliche Verbundenheit und das Streben nach einer besseren Welt für die Kinder. Regisseur und musikalisches Ensemble bringen für diese Reise mehr als nur Bühneninstrumente zum Schwingen. In Nashville evoziert Young den Geist der Country-Legende Hank Williams, der auf unnachahmliche Weise mit seiner Musik und seinen Songs das amerikanische Lebensgefühl zum Ausdruck zu bringen vermochte. Auf der Bühne des traditionsreichen Ryman Auditoriums erklärt Young nicht ohne Wehmut, dass sich die Stadt mit ihren Geschäftsketten, Malls und Einweghäusern drastisch verändert hätte. Nach einer kurzen Pause fügt er aber hinzu, dass er den Geist von einst noch deutlich spüre. Der gestandene Vollblutmusiker, der gerade erst eine komplizierte Gehirnoperation überstanden und den schleichenden Tod seines Vaters wegen Alzheimer zu verkraften hatte, beschwört diesen Geist alter Tage. Die Show wird von keinem Lichtgewitter mit digitalen Effekten begleitet, sondern ist ganz bewusst „altmodisch” in Szene gesetzt. Mechaniker ziehen eine Leinwand hinter den Musikern über die Bühne, die eine in Sepia getauchte Prärielandschaft zeigt. Ein anderes Mal taucht das Interieur einer Blockhütte mit rustikalen Möbeln und einem Kamin auf. Vor diesen Hintergrundbildern nimmt sich Neil Young ausgiebig Zeit, sich mit getragenen, einfach instrumentierten Balladen der aktuellen CD wie „Now Wonder”, „Bury me out on the Prairie” oder „It’s a Dream” auf eine Reise in die Vergangenheit zu begeben. Was im geschichtsträchtigen Ryman Auditorium scheinbar mühelos gelingt, kann in der filmischen Übersetzung Gefahr laufen, ohne die räumlich emotionale Anbindung an Kraft zu verlieren, in Schnitt und Kameraperspektiven zu zerfallen. Demme konzentriert sich daher, wie die Musik, auf das Wesentliche, nämlich auf den Geschichtenerzähler und seine Aura. Aus dem Schwarz der Leinwand schält er behutsam das von der Seite beleuchtete Profil des Sängers heraus, verweilt minutenlang auf seinem nachdenklichen Gesicht. Keine Bewegungsschwenks oder Zoomeffekte lenken von diesem Fokus ab. Die Kamera ist von den leisen Tönen des melancholischen „Falling Off the Face of the Earth” fasziniert – und mit ihr der Kinobesucher. Young sendet während einiger Passagen vielsagende Blicke zu seinen Musikerfreunden im Bewusstsein, dass man jenseits der Worte ins Gespräch gekommen ist. Die Musiker avancieren selbst zu Instrumenten. Der Energieaustausch im Konzertsaal lässt sich in solchen Momenten auch auf der Leinwand nachempfinden. Young hat ein großes Ensemble um sich versammelt. Neben dem schwarzen Chor der Jubilee Singers stehen 21 Musiker auf der Bühne, um Klassikern wie „Harvest Moon“, „Heart of Gold“, „Old Boy” oder „One of These Days” neues Leben einzuhauchen. Am Ende ist es aber immer wieder der alte Mann mit seiner Gitarre, der den Hut tief im Gesicht trägt und zum Sprachrohr des amerikanischen Geistes wird. „This Old Guitar” handelt davon, wie man mit dem rechten Einfühlungsvermögen einem Instrument eine musikalische Geschichte entlocken kann. Tatsächlich gehörte die verschrammte Gitarre, die Young lässig auf seinen Knien ruhen lässt, Hank Williams, und so schließt sich im Ryman Auditorium ein magischer Kreis. Am Ende transzendiert der Film das Live-Erlebnis: Die Konzertbesucher sind längst auf dem Nachhauseweg, doch im Saal verweilt noch Young und entschließt sich zu einer einsamen Ballade für all jene amerikanischen Talente, deren Melodien in den Holzpanelen der Bühne und dem Raum unhörbar nachhallen. Gitarre und Sänger spielen dem leeren Saal die Geschichte von „The Old Laughing Lady” vor. In diesem Zwiegespräch erreicht Demmes Konzertfilm seinen intimen Höhepunkt. Mit ihrer unaufdringlichen Dramaturgie führen Young und Demme auch die Kinozuschauer zum geheimnisvollen Kern der (amerikanischen) Musik.
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