Der unbekannte Soldat (2006)

Dokumentarfilm | Deutschland 2006 | 97 Minuten

Regie: Michael Verhoeven

Dokumentarfilm als Nachtrag zu den beiden Wehrmachtsausstellungen in Deutschland, die in den Jahren 1996 und 2002 für kontroverse Diskussionen sorgten. Er lässt Betroffene zu Wort kommen und nutzt seine eigene Argumentationskette, um engagiert und überzeugend auf die Verbrechen der Wehrmacht und ihre Handlangerdienste für ein Unrechtsregime aufmerksam zu machen. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Sentana
Regie
Michael Verhoeven
Buch
Michael Verhoeven
Kamera
Stefan Schindler · Valentin Kurz · Knut Muhsik
Musik
Martin Grubinger · Mike Herting
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Arthaus (1:1,85/4:3/Dolby Digital 2.0)
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Diskussion
Die beiden „Wehrmachtsausstellungen“, die hierzulande 1995 und 2002 aus der Taufe gehoben wurden und die Gemüter erregten, dürften vielerorts noch in Erinnerung sein. Proteste gab es seinerzeit nicht nur von ultrarechter Seite, sondern auch von ehemaligen Angehörigen der reichsdeutschen Armee sowie von deren Angehörigen, die eine vermeintliche Verunglimpfung der Väter nicht auf sich sitzen lassen wollten. Schließlich haftete der Wehrmacht als einer der wenigen Institutionen des Dritten Reichs immer noch etwas „Untadeliges“ an, und immerhin bildete sie, personell und strukturell, die Grundlage für die Bundeswehr. Was sollte vor diesem Hintergrund eine Ausstellung mit dem offiziellen Namen „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“? Nachdem die erste Ausstellung bereits polarisiert hatte, sich den Vorwurf der Einseitigkeit gefallen lassen musste und 1999 ihre Pforten schloss, sorgte die zweite Wehrmachtsausstellung, diesmal mit anderem Konzept, erneut für erregten Gesprächsstoff. Nun fanden vermehrt Fotos aus Privatbesitz Aufnahme in die Ausstellung. Sie dokumentierten „die Verbrechen der Wehrmacht“ von ganz anderer Seite und zeigten eine eben nicht im Rahmen der Genfer Konvention operierende Armee, deren Mitglieder sich auf Befehlsnotstand berufen konnten. Der Münchner Regisseur Michael Verhoeven, der sich in diversen Spielfilmen („Das schreckliche Mädchen“, fd 28 168; „Mutters Courage“, fd 31 803) wiederholt mit der jüngsten deutschen Vergangenheit auseinander gesetzt hat, hat die beiden Ausstellungen zum Anlass für einen abendfüllenden Dokumentarfilm genommen, in dem Gegner und Befürworter der Wehrmachtsausstellung zu Wort kommen. Die Gegner werfen ihr eine undifferenzierte Geschichtsbetrachtung vor (der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler), die Befürworter sehen in ihr ein Instrument, mit dem ausgelotet werden kann, wozu der Deutsche damals überhaupt fähig war (der Publizist Ralph Giordano). Verhoeven macht aus seiner eigenen Haltung keinen Hehl, sondern nutzt die erregte Diskussion im Sinne einer eigenen Argumentationskette, in deren Verlauf die gezeigten Exponate der Ausstellung nicht mehr nur für sich selbst sprechen müssen, sondern explizit ein Sinnzusammenhang zum Ausdruck gebracht wird. Wobei klar wird, dass es vom latenten Judenhass zum Judenmord kein allzu großer Schritt ist, wenn man die eigenen Ressentiments mit einem Befehl kaschieren kann. Zugleich macht Verhoeven aber auch deutlich, dass man Befehle wider die Menschlichkeit auch im Dritten Reich verweigern konnte, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, und dass man auch verweigert hat. So gesehen, erweist sich der oft herbei zitierte Befehlsnotstand als unfromme Notlüge, mit der Flecken am immer noch mit Stolz getragenen Waffenrock verdeckt werden sollen. Der in sich schlüssige Dokumentarfilm lässt auch ehemalige Wehrmachtsangehörige zu Wort kommen, die sich durchaus als Handlanger eines Unrechtsregimes sehen, die die Versorgungspolitik sowjetischer Kriegsgefangener, für die die Wehrmacht auch zuständig war, durchaus als Vernichtungspolitik interpretieren und die infrastrukturelle Hilfestellung, die die Armee beispielsweise SS-Verbänden zukommen ließ (Tonnen von Munition, Pionierarbeiten beim Ausheben von Massengräbern etc.) als willfährige Hilfe im perfiden Räderwerk der Massenvernichtung sehen. Prinzipiell erzählt „Der unbekannte Soldat“ nichts wesentlich Neues, doch der Film bringt all das einmal mehr auf den Punkt, das viele nicht (mehr) wissen wollen. Insofern ist Verhoevens engagierter Film durchaus wichtig; doch wie bei so vielen ähnlich gelagerten Arbeiten, die sich vehement gegen das Verdrängen und Vergessen stemmen, wird man auch hier die Vermutung aufstellen können, dass der Film in erster Linie wohl nur jene anspricht, die ohnehin für das Thema sensibilisiert sind und den grundlegenden Gedanken der Ausstellung sowie des Films teilen. Alle anderen werden sich nach wie vor weigern, sich eines besseren belehren zu lassen.
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