Das Mädchen aus dem Wasser

Fantasy | USA 2006 | 110 Minuten

Regie: M. Night Shyamalan

Der Hausmeister eines kafkaesk tristen Wohnkomplexes begegnet einer rätselhaften jungen Frau, einer Art Nixe, die aus ihrer Welt zu den Menschen geschickt wurde, um ihnen aus ihrer durch Furcht und Gier verschuldeten Entfremdung zu helfen. Doch die Nymphe bedarf selbst der Hilfe. Eine poetisch-fantastische Geschichte als originelle Abwechslung im Mainstream-Einerlei Hollywoods, die von der heilsamen Macht der Fantasie, von Solidarität und Mut erzählt. Visuell beeindruckend und stimmig ausgestattet, entfaltet der Film seinen Reiz jenseits gängiger Genremuster. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LADY IN THE WATER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Warner Bros./Blinding Edge Pic./Legendary Pic.
Regie
M. Night Shyamalan
Buch
M. Night Shyamalan
Kamera
Christopher Doyle
Musik
James Newton Howard
Schnitt
Barbara Tulliver
Darsteller
Paul Giamatti (Cleveland Heep) · Bryce Dallas Howard (Story) · Jeffrey Wright (Mr. Dury) · Bob Balaban (Mr. Farber) · Sarita Choudhury (Anna Ran)
Länge
110 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Fantasy
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Warner (1:1.85/16:9/Dolby Digital EX 5.1)
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Diskussion
Der Film beginnt mit einer wunderbar komischen Sequenz: Eine Nahaufnahme zeigt das angespannte Gesicht von Paul Giamatti, der in einem Schrankfach herumstochert, aus dessen Öffnung heraus ihn die Kamera beobachtet. Wie man aus den Dialogen erfährt, erlegt er eine Kakerlake monströsen Ausmaßes, während im Hintergrund einige mexikanische Mädchen und ihr Vater lautstark-aufgeregt dem „Kampf“ folgen. Das Ungeziefer sieht man nicht im Bild, aber man kann es sich lebhaft vorstellen. Um die Kräfte der Fantasie geht es denn auch in „Das Mädchen aus dem Wasser“. Giamatti spielt Cleveland, den Hausmeister eines fast kafkaesk tristen Beton-Wohnkomplexes. Für Märchenhaftes oder gar Übersinnliches scheint in seinem Dasein wenig Platz zu sein. Mit Bauchansatz, wenig Haar und Brille schleppt er sich durch die Flure des Mietshauses, sein Stottern macht es ihm schwer, mit anderen zu kommunizieren: ein Mann, der offensichtlich nicht viel Glück im Leben hatte. Doch deutet schon die erste Sequenz an, dass er für die Mieter mit seiner ruhigen Art einen verlässlichen Pol darstellt und dass hinter seiner Traurigkeit und Resignation nicht nur traumatische Erinnerungen, sondern auch ein heroisches Potenzial schlummern könnte. Eines nachts plätschert es verdächtig im Pool, der im Innenhof der Wohnanlage liegt, und Cleveland trifft eine rätselhafte, nackte junge Frau: das „Mädchen aus dem Wasser“. Es trägt den beredten Namen Story und ist ein so genannter Narf, eine Nymphe aus der „Blauen Welt“, die von ihrem Volk zu den Menschen geschickt wurde, um ihnen aus ihrer durch Furcht und Gier verschuldeten Entfremdung zu helfen. Hilfe braucht allerdings auch sie selbst, denn im hohen Gras um den Pool herum lauert eine tödliche Gefahr. M. Night Shyamalans Wasserwesen ist keine verführerische Nixe, keine Loreley, die die Männer um den Verstand und das Leben bringt. Zwar ist sie mit ihrer weißen Haut, ihren langen dunkelroten Locken und ihrem weichen Körperbau durchaus den lockenden Nymphen und Feen in den berühmten Gemälden von Symbolisten wie John William Waterhouse ähnlich; charakterlich ist sie indes eher eine Verwandte von H.C. Andersens gutherziger, melancholischer „kleiner Meerjungfrau“, und ob Story am Ende wie die Märchenheldin die Erdenschwere hinter sich lassen und in die Lüfte aufsteigen darf, ist die Frage, um die der Film kreist. Um in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen, muss Story zunächst einen Dichter finden, den sie inspirieren kann, und dann bereit sein für einen riesigen Adler, der sie in die „Blaue Welt“ zurücktragen soll. Doch sie hat einen grausamen Gegner: ein albtraumhaftes, wolfsähnliches Geschöpf mit glühend roten Augen, das mit einem Fell aus Gras bewachsen ist und Story gnadenlos jagt, solange sie sich an Land bewegt. Um diesen Feind zu überwinden und Story zu ihrer Rückkehr zu verhelfen, muss Cleveland verschiedene Mieter des Wohnhauses zu Hilfe holen. Die bunt zusammengewürfelte Truppe scheint nur darauf gewartet zu haben, dass jemand ihre Hilfsbereitschaft herausfordert. Shyamalan hat sich seit „The Sixth Sense“ (fd 34 020) als Spezialist für fantastisch-unheimliche Geschichten jenseits gängiger Genremuster etabliert. Der große Erfolg blieb seinen letzten Projekten jedoch versagt, und auch „Das Mädchen aus dem Wasser“ ist in den USA bisher auf nicht allzu viel Begeisterung gestoßen. Das mag am schlechten Marketing liegen oder am schlechten Kinogeschmack des US-Publikums, jedenfalls liegt es nicht an dem Film, denn dieser ist eines der originellsten und schönsten Produkte, die der Hollywood-Mainstream in seiner Sequel- und Remake-Manie seit langem hervorgebracht hat. Der poetisch-fantastische Plot verbindet souverän eine märchenhafte Geschichte um die heilsame Macht der Fantasie, um Solidarität und den Mut, die eigenen, verschütteten Talente zu entdecken, mit skurrilen Porträts diverser Bewohner des Wohnblocks. Das Ensemble entwirft vom großartigen Paul Giamatti bis zu kleineren, nichtsdestotrotz liebevoll entworfenen Nebenfiguren einen multikulturellen, grotesk-sympathischen Reigen menschlicher Schicksale, Schwächen und Stärken, ohne dass die Geschichte dadurch zerfasern oder etwas von ihrem Spannungspotenzial einbüßen würde, das immer wieder vom Fantastischen hin zum Horror changiert, wenn das auf archaische Art schreckliche Wolfswesen zuschlägt. Dank des romantischen, emotionalisierenden Scores von James Newton Howard, des stimmigen Production Design, das den Wohnblock als klaustrophobisches Universum erscheinen lässt, und dank der meisterhaften Kameraarbeit von Christopher Doyle ist „Das Mädchen im Wasser“ vom ersten Shot aus dem Innern des Schrankes heraus bis zu den wunderschönen Impressionen von nächtlichem Regen am Ende akustisch wie visuell ganz großes Fantasy-Kino.
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