Drama | Südkorea 2005 | 92 Minuten

Regie: Shin Dong-il

Ein an seiner Isolation leidender Filmwissenschaftler in Seoul gerät an einen tiefgläubigen Zeugen Jehovas. Obwohl sich die beiden Männer grundlegend unterscheiden, entwickelt sich eine Art Freundschaft zwischen ihnen. Doch dann muss der Zeuge Jehovas als Wehrdienstverweigerer vor Gericht. In langen Einstellungen und weitgehend auf Dramatisierungen verzichtend, entwickelt der stille Film eine Studie über urbane Vereinsamung in einer von Vorurteilen und Ignoranz geprägten Gesellschaft. Dabei zielt er weniger auf ein emotionales Miterleben ab, sondern lädt zum genauen Hinsehen ein. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BANGMUNJA
Produktionsland
Südkorea
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
LJ Film
Regie
Shin Dong-il
Buch
Shin Dong-il
Kamera
Park Joo-han
Schnitt
Moon In-dae
Darsteller
Kim Jae-rok (Ho-jun) · Kang Ji-hwan (Gye-sang)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Wie kann es gefühlvolle Filme geben, wenn die Realität so mies ist? Ho-jun arbeitet an der Universität von Seoul in der filmwissenschaftlichen Fakultät. Als leidenschaftlicher Liebhaber des europäischen Kinos ist er zwar mit den kargen Gesellschaftsanalysen eines Godard oder Fassbinder vertraut, doch sein eigenes Leben empfindet der Mittvierziger als absurde Steigerung der filmischen Realität. Nach gerade durchlittener Scheidung lebt er in einem winzigen Hochhausapartment, in dem selbst der unmittelbare Nachbar unbekannt ist. Seinen kleinen Sohn darf er nur ab und zu sehen; sein Kontakt zur Außenwelt erschöpft sich in den wenigen Anrufen bei Sex-Hotlines und den nervenden Besuchen der Zeugen Jehovas. Ho-jun kann seine Depressionen nicht einmal beruflich kompensiert, da seine Bewerbungen um eine Professur regelmäßig abgelehnt werden. Gye-Sang hingegen hat seine Bestimmung gefunden. Er ist überzeugt davon, dass Jesus seinen Weg durchs Leben leitet, und versucht, die „frohe Botschaft“, die ihn als Zeuge Jehovas erfüllt, an andere Menschen zu vermitteln. Bei Ho-jun stößt er permanent auf Ablehnung, was ihn jedoch nicht davon abbringt, es gerade bei diesem „schwierigen Fall“ immer wieder zu versuchen. Als eines Tages die Apartmenttür nicht verschlossen ist, findet er Ho-jun völlig erschöpft und unfreiwillig eingeschlossen in seinem Badezimmer. Aus Dankbarkeit sucht der überzeugte Atheist Ho-jun Kontakt zum tief gläubigen Gye-Sang. Auch wenn ihre unterschiedlichen Charaktere häufig aneinander geraten, entsteht doch eine eigentümliche Freundschaft. Zwar will Ho-jun nichts von den Missionierungsversuchen Gye-Sangs wissen, doch hat er in dem jungen Mann wenigstens einen Begleiter, der nicht einmal den Besuch türkischer Arthouse-Filme scheut. Allerdings hat der geduldige, lebensbejahende Gye-Sang auch seine Probleme. Mit seinen auf dem Land lebenden Eltern versteht er sich nicht, und zudem scheint ein Konflikt mit dem Gesetz unausweichlich, denn als überzeugtem Wehrdienstverweigerer droht ihm in Südkorea eine empfindliche Haftstrafe. Shin Dong-ils stiller Film über die Vereinsamung des Individuums in einer von Vorurteilen und Ignoranz geprägten Gesellschaft lief bereits 2006 im „Forum“ der „Berlinale“. Jetzt erst hat er einen Verleih gefunden, der ihn in kleinem Stil in die Kinos bringt. Eine mutige Entscheidung, da sich das asiatische Kino abseits des Kostümdramas hierzulande sehr schwer tut. Shin Dong-il lässt nicht nur seinen Protagonisten im Filmkunstkino aufgehen, er zelebriert in seinem eigenen Film ebenfalls die Stilmittel der Avantgarde. „Host & Guest“ ist ein stoischer Film mit langen Einstellungen, die eigentlich nirgendwo hinführen, aber doch die Sinne schärfen für den Text hinter den Bildern. Nur langsam erwärmt man sich für das alltägliche Drama der beiden Protagonisten; nur beiläufig wird ersichtlich, was das Treffen mit Gye-Sang für das Leben von Ho-jun bedeutet. Gye-Sangs Plädoyer bei seiner Gerichtsverhandlung am Ende des Films ist nicht nur ein ergreifender Höhepunkt in einem emotional eher unterkühlt erzählten Film, er öffnet auch die Augen seines Freundes, der sein Leben fortan durch einen neuen Wertekanon definiert. Das Leben ist wohl doch nicht so mies, wie es in manchen Filmen entworfen wird.
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