Komödie | Deutschland 2006 | 125 Minuten

Regie: Rudolf Thome

Auf der Suche nach seiner Ex-Frau kommt ein in Florida lebender agiler 60-Jähriger nach Sardinien, bringt die auf dem dortigen Anwesen seiner früheren Frau lebende Gemeinschaft durcheinander und verliebt sich gleich neu. Die in Western-Einstellungen gedrehte Liebeserklärung an Sardinien ist zugleich die betont offensive Geschichte einer Altersliebe. Konzipiert als pointierte Attacke des Realismus gegen die "bürgerliche Scheinheiligkeit", gerinnt die Beschreibung der Generation um die 60 mitunter jedoch zu einem Schreckensbild an Egozentrik und imperialem Gehabe. - Ab 16.
Zur Filmkritik filmfriend

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Moana Film/ARD-Degeto
Regie
Rudolf Thome
Buch
Rudolf Thome
Kamera
Ute Freund
Musik
Katia Tchemberdji
Schnitt
Dörte Völz-Mammarella
Darsteller
Hannelore Elsner (Annabella Silberstein) · Karl Kranzkowski (Jonathan Fischer) · Adriana Altaras (Isabella Goldberg) · Serpil Turhan (Leila) · Joy Thome (Jade Goldberg)
Länge
125 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Mit „Rauchzeichen“ vollendet Rudolf Thome seine „Zeitreisen“-Trilogie mit dem verbliebenen Film über die „Zukunft“. Wie bei den beiden vorausgegangenen Teilen „Rot und Blau“ (fd 36 268) und „Frau fährt, Mann schläft“ (fd 36 775) entwirft Thome auch diesmal nicht etwa eine Zukunftsvision, sondern vielmehr ein Spannungsgeflecht mit den Variablen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: In der Gegenwart sind Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen verborgen. „Rauchzeichen“ beginnt mit einer retro-futuristischen Variante der klassischen Western-Exposition, die an eine Zeit erinnert, als das „junge deutsche Kino“ seine Weltläufigkeit beweisen wollte. Jonathan Fischer aus Florida, ein agiler 60-Jähriger, „reitet“ per Flugzeug nach Sardinien hinein. Er ist auf der Suche nach seiner Ex-Frau Isabella, die mit einer Freundin ein Gästehaus am Ende der Welt führt. Dort angekommen, trifft er auf eine merkwürdige Gesellschaft. Zwar ist Isabella nicht anwesend, dafür aber deren Freundin Annabella Silberstein, in die sich Jonathan sogleich verliebt. Ferner leben gerade Annabellas Sohn Michael, Hans, der ständig betrunkene „Gott des Kinos“, und die „arabische Prinzessin“ Leila auf dem großzügigen Anwesen. Früh fühlt sich Joe in der scheinbaren ländlichen Idylle wie im Paradies, verstrickt in ganz gegenwärtige Liebeshändel mit Annabella. Doch seine Vergangenheit holt ihn ein, als er zunächst seiner Tochter Jade und später auch seiner Ex Isabella begegnet, die nach all den Jahren noch immer wütend auf den „Schweinehund“ ist. Mittlerweile hat sogar Hans bemerkt, dass Joe „so eine Unruhe hier rein bringt“. Doch da hat sich der Film bereits entschieden, die Liebe auf den ersten Blick zwischen Joe und Annabella zu feiern. Mit selbstbewusster Unbekümmertheit beginnt Joe, der übrigens einmal ein Rock-Star gewesen sein soll, das Leben auf Sardinien umzukrempeln: „Wer Bäume pflanzt, muss an die Zukunft denken“, weiß der frisch Verliebte und frisch gebackene Vater. Annabella, die einmal als Astronautin auf dem Mond war und von dort aus „das Leben und die Welt hier auf der Erde“ verstanden hat, gesteht Joe, dass sie davon träume, am Wasser zu leben. Der bietet sogleich sein Haus in Florida oder ersatzweise einen neuangelegten Teich auf dem Grundstück des Gästehauses an. Während sich Joe auf die Realisierung seiner Pläne stürzt, wird Leila Opfer eines Mordanschlags. Wenig später wird sich Hans, der in Leila verliebt war und im Film als passives, männliches Gegenmodell zu Joe fungiert, aus Selbstmitleid und Verzweiflung umbringen. Vor den Alten sterben die Jungen, doch das Leben geht weiter. „Uns kann das alles nichts anhaben, versprochen?“, bittet Annabella. Provokant schneidet Thome jetzt die Leere um die Toten gegen den Baulärm. Man wird Leila und Hans im Grund des Teichs bestatten; so spare man sich noch die Grabpflege, bringt es Isabella auf den Punkt. Glaubt man dem Presseheft, ist dies als Attacke des Realismus gegen die „bürgerliche Scheinheiligkeit“ gemeint. Bestattung und Hochzeit finden auf demselben Terrain statt. „Rauchzeichen“ bewahrt explizit den Tunnelblick der von Pathosformeln gesättigten Liebesmetaphysik, doch wenn man sieht, wie Joes Aktivitäten die sardische Landschaft verschandeln, wie Annabellas Angst vor den näher einschlagenden Katastrophen nur als Bedrohung des privaten Glücks empfunden wird, dann wähnt man sich – wider die Absicht des Films – als Zeuge eines durch und durch egozentrischen Methusalem-Komplotts, in dessen Verlauf sich distanzlose Alt-Rocker der Sardinien-Fraktion mit großer, fast schon imperialer Geste („Auf ein paar Tausend Euro kommt es mir nicht an!“) die Erde untertan machen und ihr Tun mit etwas pseudo-philosophischem Zierrat aufbrezeln. Insofern ist „Rauchzeichen“, dieser offensive Liebesfilm aus lauter Western-Einstellungen, diese filmische Liebeserklärung an Sardinien, für jüngere Zuschauer wohl in erster Linie ein veritabler Gruselfilm.
Kommentar verfassen

Kommentieren