The House is Burning

- | Deutschland 2006 | 97 Minuten

Regie: Holger Ernst

Desillusionierender Blick auf verschiedene Schicksale in einem amerikanischen "White Trash"-Vorort, in dem die Probleme aufeinanderprallen: Gewalt in der Familie und auf der Straße, Alkoholsucht, Pillenkonsum und Arbeitslosigkeit, körperliche Komplexe, ungewollte Schwangerschaft und zerstörte Beziehungen. Das Schauspiel-Ensemble weiß die trostlose Atmosphäre überzeugend zu vermitteln und zeichnet das Bild einer Gesellschaft, in der, auch wenn die Oberflächen noch glänzen, kaum noch Hoffung auf ein gelingendes Leben bleibt. (O.m.d.U.) - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Reverse Angle
Regie
Holger Ernst
Buch
Holger Ernst
Kamera
Stefan Grandinetti · Mathias Schöningh
Musik
Markus Glunz
Schnitt
Silke Botsch · Mathias Schöningh
Darsteller
John Diehl (Mr. Garson) · Melissa Leo (Mrs. Miller) · Julianne Michelle (Terry) · Robin Taylor (Phil) · Harley Adams (Steve Garson)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Neue Visionen (16:9, 1.78:1, DD2.0 engl., DD5.1. dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Man stelle sich vor, auf einem Gletscher zu stehen und die kühle Luft über dem Eis zu spüren. Die Sonne glüht, und alles wirkt friedlich und schön. Doch plötzlich beginnt sich die leichte Brise zu wandeln, wird von Sekunde zu Sekunde rauer, und ehe man sich versieht, steckt man mitten in einem Wirbelsturm. So in etwa lassen sich die Gefühle beschreiben, die „The House is Burning“ von Holger Ernst erzeugt. Die aufkommenden Wolken werden sicher bald wieder verziehen, denkt oder hofft man zu Beginn, als erste Gewalttaten passieren; doch der Film gibt allmählich zu verstehen, dass es kaum ein Entkommen gibt aus dem unbarmherzigen Klima des amerikanischen „White Trash“-Vororts, in dem die Handlung spielt. Dort folgt ein Problem dem anderen: Gewalt in der Familie und auf der Straße, Alkoholsucht, Pillenkonsum und Arbeitslosigkeit, körperliche Komplexe, ungewollte Schwangerschaft und zerstörte Beziehungen. Das Schauspiel-Ensemble weiß die trostlose Atmosphäre überzeugend zu vermitteln. Da ist Steve, der von seinem Vater fast zu Tode prügelt wird, der wiederum nicht nur ständig betrunken ist, sondern kurz vor dem finanziellen Ruin steht; da ist der Drogendealer Phil, dessen Gesicht stets ein Schweißfilm bedeckt und dessen Augen immerzu irre glänzen; Terry, die im Bewerbungsgespräch bei der Versicherung sogar ihre sexuellen Vorzüge preist, nur um einen Job zu bekommen; Stella, die sich, kaum zwölf Jahre alt, ihre Ohren richten lässt; und Mike, der einzig Vernünftige in dem Chaos, der dennoch oder gerade deshalb zum Militär geht. Die Handlung umfasst die letzten 24 Stunden vor seiner Abreise. In seiner gnadenlosen Darstellung und in der Themenwahl erinnert „The House is Burning“ an „Kids“ (fd 31 596), doch die Inszenierung setzt im Vergleich noch mehr auf Gewalt. Der Film beginnt mit herrlichem Sommerwetter und endet nach einer verregneten Nacht und einem grauen Morgen. Die rasante Dramaturgie, die schnellen Schnitte, die grobkörnigen Bilder und die aufrüttelnde Tonspur schaffen einen kalten Raum, dem jegliche Wärme entwichen scheint. Zusammen mit den Protagonisten durchleidet man alle nur möglichen seelischen Tiefs, die sich nicht nur in diesem Milieu auftun können. Larry Clark hingegen hat seine New Yorker Kids eher aus der Distanz beobachtet, wenngleich auch er das Leben seiner Protagonisten einen Tag lang hautnah verfolgte und das Porträt einer von Sex, Rausch und Aids geprägten Jugend entwarf. Wie Clark beschränkt sich auch der Regiedebütant Ernst nicht allein auf die düsteren Schicksale der Teenager, sondern zeigt ebenso scheiternde und gescheiterte Erwachsene. Der Film vermittelt ein Bild von einer Gesellschaft, das nahezu jede Hoffnung raubt – obgleich weiterhin die Sonne scheint. Doch es ist lediglich die Oberfläche, die noch strahlt und auf die man verweist, so wie man sich auch sonst nur mehr an Äußerlichkeiten hält, an Flaggen, Jesus-Bilder und Heldenfotos – die Produktionsdesigner haben gute Arbeit geleistet. Den Menschen wurde der Boden unter den Füßen weggezogen, sie irren in der Welt umher, ohne Beistand, ohne Stütze. Wie aber soll man noch ein guter Amerikaner sein, wie eine gute Ehefrau oder Mutter? „Es sagt einem ja niemand, wie das geht“, klagt Mrs. Miller am Krankenbett ihrer Tochter, die nach der Schönheitsoperation zwischen Leben und Tod schwebt. Die Grausamkeit, aber auch die Kraft dieses Films liegen in der Alltäglichkeit der Beschreibung. Indem er die Sorgen und Leiden der Einwohner als etwas ganz Alltägliches präsentiert, offenbart er das erschreckende Ausmaß des Zerfalls. Man fühlt sich gelähmt und machtlos. Zu bekannt erscheinen die aufgeführten Probleme. Auch die Polizisten haben sich an die zahlreichen Unfälle und Überfälle gewöhnt. Als sie Terry aus einem umgestürzten Auto ziehen, schimpfen sie lediglich über die stressige Nacht. „The House is Burning“ ist keine Achterbahnfahrt, sondern eine Lawine, die kaum jemand zu überleben vermag: Entweder man erstickt oder endet im Abgrund.
Kommentar verfassen

Kommentieren