Bye Bye Blackbird

- | Deutschland/Großbritannien/Österreich/Luxemburg 2005 | 99 Minuten

Regie: Robinson Savary

Ein junger Arbeiter heuert bei einem Zirkus an und steigt zum Trapez-Künstler auf. Er verliebt sich in seine Partnerin, die aber andere Träume hegt, während er die aufrichtigen Gefühle, die ihm eine Kunstreiterin entgegenbringt, nicht wahrnimmt. Das um 1900 angesiedelte Drama vom Ungleichgewicht der Liebe bleibt durch die elliptische, allzu artifizielle Erzähl- und Darstellungsweise etwas blutleer. Faszinierend sind indes die Leistungen einiger Darsteller sowie die poetischen Trapez-Sequenzen, die eine eigentümliche Magie entfalten. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BYE BYE BLACKBIRD
Produktionsland
Deutschland/Großbritannien/Österreich/Luxemburg
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Samsa Film/Ipso Facto Films/Reverse Angle Factory/Dor Film
Regie
Robinson Savary
Buch
Robinson Savary · Arif Ali Shah · Patrick Faure
Kamera
Christophe Beaucarne
Musik
Mercury Rev
Schnitt
Claire Ferguson
Darsteller
James Thiérrée (Josef) · Derek Jacobi (Lord Dempsey) · Izabella Miko (Alice) · Jodhi May (Nina) · Michael Lonsdale (Robert)
Länge
99 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Neue Visionen (16:9, 2.35:1, DD2.0 engl., DD5.1 dt.)
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Diskussion
Der Anfang erscheint wie eine Reminiszenz an den Stummfilm: Die monochromen Bilder erinnern ans Schwarz-weiß-Kino, es gibt zunächst keinen Dialog. Ein Stahlträger schwebt an Seilen waagerecht hoch über der Stadt; darauf haben es sich zwei Bauarbeiter zur Pause bequem gemacht. Einer der beiden ist der junge Josef, gespielt von James Thiérrée, Enkel von Charlie Chaplin. Aber das Ganze ist kein Slapstickfilm, in dem die Protagonisten auf der schwindelnd hohen Baustelle selbst mit einem Krebs in der Hose nicht das Gleichgewicht verlieren (wie einst in einem Laurel-und-Hardy-Film), sondern ein Drama: Josefs Kollege stürzt in den Tod. Der Schauplatz ist denn auch kein amerikanischer Wolkenkratzer, sondern der sich im Aufbau befindende Eiffelturm im Paris der Jahrhundertwende, der Hauptstadt der Melancholie. Der schwebende Balken, von dem einer der beiden Arbeiter abstürzt, als der andere aufsteht und ihn unwillentlich ablenkt, ist bezeichnend für die Handlung, die im Zirkusmilieu angesiedelt ist und von Josefs Liebe zur schönen Trapezkünstlerin Alice erzählt: Es geht ums Gleichgewicht – um jenes herbeigesehnte, erträumte romantische Gleichgewicht zwischen zwei Liebenden, das sich jedoch nie auf Dauer einstellen will, weil immer einer zu viel liebt und der andere zu wenig, weil Neigungen ausgenutzt und verraten werden, weil die materiellen Notwendigkeiten das zarte Schweben der Gefühle viel zu schnell wieder herunterholen auf den schiefen Boden der Tatsachen. Nach dem Tod seines Kollegen heuert Josef als Hilfskraft bei einem Zirkus an; die schöne Tochter des Direktors, die abends als Prinzessin der Lüfte das Publikum und nicht zuletzt männliche Verehrer anlockt, bezaubert ihn und inspiriert ihn dazu, sich selbst wieder weg von der Erde zu wagen: Er versucht sich als Artist und wird vom Direktor, der eine neue, große Nummer wittert, als Alices Partner engagiert. Alice lässt sich die Bewunderung des attraktiven jungen Mannes gerne gefallen, ohne allerdings verbindlichere Absichten zu haben; lieber gibt sie sich dem Gedanken hin, einer ihrer reichen, adligen Verehrer würde sie heiraten und damit aus dem rauen Zirkusmilieu herausholen. Von dieser Berechnung ahnt der Verliebte freilich nichts, sondern geht in der gemeinsamen Arbeit mit seiner Traumfrau auf, mit der er hoch unter der Zirkuskuppel intensive Glücksmomente erlebt. Dass die Gefühle, die die Kunstreiterin Nina für ihn hegt, viel aufrichtiger sind, nimmt er dabei nicht wahr. Doch dann setzt ein tragischer Unfall Josefs Euphorie ein jähes Ende. Robinson Savary muss sich in der Wahl seines Sujets und seiner Motive mit großen Vorbildern messen lassen: mit Meistern wie Carné, Bergman oder Fellini, die mit ihren Zirkus- und Gauklerfilmen lebensvolle, sinnliche Porträts einer Welt jenseits oder am Rande der bürgerlichen Existenz, zwischen (Lebens-)Kunst und materiellen Zwängen schufen und diese zu zeitlosen Metaphern der conditio humana verdichten konnten. Vor allem letzteres war wohl auch Savarys Absicht, der seine Geschichte in betont artifiziellen Bildern erzählt – auf Kosten der Lebendigkeit seiner Zirkuswelt, die bisweilen etwas blutleer wirkt und zur symbolischen Folie zu gerinnen droht. Der Film leidet unter seiner allzu elliptischen Erzählweise, die auf nachvollziehbare und glaubhafte Entwicklungen von Charakteren und Konflikten zugunsten der Oberflächenreize verzichtet, sodass man der Handlung oft mehr ratlos als Anteil nehmend folgt. Dass sich einige Charaktere dennoch einprägen – vor allem der großartige Derek Jacobi als habgieriger, grausamer, aber in seiner Bitterkeit doch auch bemitleidenswerter Zirkusdirektor –, ist mehr der Brillanz der Darsteller als der des Buchs oder der Regie zu danken. Jenseits solch gelungener Vignetten liegt der Reiz des Films in der genussvoll zelebrierten Tristesse der Schauplätze und in der schieren Schönheit der Bildsprache: der stimmigen Farbdramaturgie, aufbauend auf Schwarz, Weiß und Rot, der grotesken Poesie mancher Figuren (z.B. einer hässlichen, mit einem Bart verunzierten Sängerin mit Engelsstimme, eines traurigen, warmherzigen Clowns, der im Gegensatz zum Direktor eine positive Vater-Figur verkörpert), sowie der Eleganz, mit der die Trapez-Szenen von Josef und Alice aufgelöst sind. In solchen Momenten entfaltet die Zirkusgeschichte ihre eigentliche Magie.
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