Flutsch und weg

Animation | Großbritannien/USA 2006 | 84 Minuten

Regie: David Bowers

Eine versnobte Haustiermaus aus gehobener englischer Villengegend landet wider Willen in der Londoner Kanalisation, die sich als Miniaturausgabe der oberirdischen Metropole entpuppt. Um wieder nach Hause zu gelangen, schließt sie sich einer agilen Freibeuterin an. Doch die Bootsführerin hat eigentlich ganz andere Sorgen, denn ihr amphibischer Todfeind und heimlicher Herrscher des Untergrundes plant ein rein mit Fröschen bevölkertes Kloaken-London. Origineller, temporeicher Animationsfilm der mit "Wallace und Gromit" bekannt gewordenen Aardman Company, der sich mit kantigen Charakteren, anarchischen Zwischentönen und gut getimtem Slapstick mühelos vom inflationären Trickfilmdurchschnitt abhebt. - Sehenswert ab 6.
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Filmdaten

Originaltitel
FLUSHED AWAY
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Aardman/DreamWorks
Regie
David Bowers · Sam Fell
Buch
Dick Clement · Ian La Frenais · Chris Lloyd · Joe Keenan · William Davies
Kamera
Brad Blackbourn · Frank Passingham
Musik
Harry Gregson-Williams
Schnitt
Erika Dapkewicz · John Venzon
Länge
84 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 6.
Genre
Animation
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen dt. untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs.

Verleih DVD
Paramount (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Im Gegensatz zu ihren amerikanischen Kollegen hatten die kreativen Köpfe der englischen Aardman Animations Ltd. immer schon ein Faible für anarchistische Zwischentöne. Während im Hollywood-Trickfilm putzige Pinguine steppen, werden in der animierten Welt des einst als Kommune in Bristol begonnenen Großkonzerns immer noch gnadenlos terroristische Umsturzpläne geschmiedet, die – man denke nur an „Rex the Runt“ – nicht selten in der völligen Deformation der Knetfigurhelden enden. Obwohl der ur-britische Konzern, dessen kreative Köpfe Nick Park und Peter Lord mit dem verschroben Wallace und seinem genialischen Beagle Gromit weltbekannt wurden, inzwischen mit dem amerikanischen Unterhaltungsriesen DreamWorks liiert ist, sind die Produktionen kaum weniger giftig geworden. In „Flutsch und weg“ geht es um nichts weniger als um die Zukunft Londons, die einzig von zwei Mäusen gesichert werden kann. Doch vorerst weiß Roddy St. James noch nichts von seinen zukünftigen Heldentaten. Als Lieblingshaustier in einer Villa im reichen, prominenten Londoner Stadtteils Kensington genießt er versnobt und vom Ernst des Lebens unbeleckt sein Dasein im Goldkäfig. Das soll sich ändern, als sich durch die Kanalisation die Ratte Sid in sein Reich verirrt. Gegen den gewitzten Punk hat die Maus keine Chance und findet sich wenig später entmachtet, durchs Klo gespült, erniedrigt und klitschnass im Abwassersystem der Millionenmetropole wieder. Das entpuppt sich erstaunlicherweise als verborgenes Miniaturabbild mit eigenem Tower, Big Ben und öffentlichem Transportsystem. Doch anstelle eines Parlamentes führt in der abgeschotteten Nagerwelt ein mächtiger Pate das Regime. Diese ungemütliche Kröte namens Toad macht sich Roddy im selben Augenblick zum Feind, als er hofft, in der burschikosen Rita eine Maus gefunden zu haben, die ihn aus den Katakomben wieder in seine aseptische Heimat bringen kann. Dummerweise ist die freibeutende Bootsführerin schon lange auf der Abschussliste von Don Toad, weil sie jenen Rubin aus dem Geschmeide der Queen besitzt, der ihm noch in seiner Sammlung aus Königshausdevotionalien fehlt. Doch das sind nur Peanuts angesichts der monströsen Pläne, die Toad mit „seinem“ London noch hat. Hätte man es mit einer der vielen 08/15-Animationen zu tun, die augenblicklich den Kinomarkt überschwemmen, würde sich die Abenteuergeschichte wohl in der Jagd nach dem rubinroten Edelstein erschöpfen. An routinierter Unterhaltung – diversen delikaten Actioneinlagen mit mal niedlichen, mal finsteren Sidekicks und vergnüglichem, in eine Romanze mündendem Gekabbel zwischen der Upperclass-Maus und der Underdog-Heroine – mangelt es „Flutsch und weg“ nicht, aber damit nicht genug. Das Rubin-Abenteuer ist schon nach wenigen Minuten überstanden und gibt den Weg frei für den absurd-originellen Zentralplot. Toad will nämlich nicht nur die „Weltherrschaft“, er will sein London mit tausenden von Fröschen aus seiner eigenen Brutkammer neu bevölkern. Dazu muss die Katakombenstadt erst einmal nagerfrei sein. Und die Idee, um diesen Traum zu erreichen, ist typisch Aardman und wäre sicher nicht mal den recht progressiven Denkern vom US-Konkurrenten Pixar eingefallen: Toad und sein französischer Cousin Le Frog planen just in der Halbzeitpause im Fußball Weltmeisterschafts-Endspiel zwischen England und Deutschland (!) ein schützendes Schleusentor zu sabotieren, damit die immense Flutwelle aus den dann anstehenden Toilettenspülungen das Kloakenstädtchen säugetierfrei macht. Doch das dazu nötige Masterkabel für den Computer hat die noch unwissende Rita als Gürtel um die Hüfte. Das nennt man dann wohl schicksalhafte Zuspitzung. Das Team um Regisseur David Bowers (der Storyboard Artist von „Wallace & Gromit – Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen“) hat mit Animationssequenzen schon bei seinem „Oscar“ gekrönten Knetfilm gute Erfahrungen gemacht. So ist in „Flutsch und weg“ zwar der „knetige“ Stil der Figuren erhalten geblieben, das abendfüllende Ergebnis stammt aber erstmals gänzlich aus dem Rechner. Inhaltlich tut das dem Genuss aber kaum einen Abbruch, denn die hanebüchen-abenteuerlichen Actionsequenzen und der typisch britische Dialogwitz sind weitestgehend geblieben. Auch die Charakterzeichnungen sind angenehm ruppig und wenig Hollywood-konform, sodass auch ein erwachseneres Publikum seinen Spaß haben dürfte. Für jene sind auch der pikante Fußballsubplot, die geopolitischen Verwicklungen sowie die vielen Anspielungen auf das ältere Aardman-Œuvre gedacht. Allen Altersgruppen dürfte indes das Gefühl für Timing und der britische Sinn für die trockene, Slapstick unterstützte Pointe gefallen, die „Flutsch und weg“ summa summarum – neben „Cars“ – zum besten Trickfilm des Jahres erheben.
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