dunkelblaufastschwarz

- | Spanien 2005 | 105 Minuten

Regie: Daniel Sánchez Arévalo

Ein junger Mann arbeitet als Hausmeister in einem Madrider Mietshaus, betreut seinen verbitterten gelähmten Vater, studiert nebenbei und hofft auf den gesellschaftlichen Aufstieg. Sein Schicksal verwebt sich mit dem seines Bruders, der im Gefängnis sitzt und mit einer anderen Inhaftierten ein Kind zeugen will, sowie mit dem weiterer Protagonisten zu einem facettenreichen, schillernden, grotesk-komischen Mikrokosmos der spanischen Gesellschaft. Überzeugend jongliert das Langfilmdebüt mit konventionellen Erzählmustern und überraschenden Wendungen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
AZULOSCUROCASINEGRO
Produktionsland
Spanien
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Tesela Prod.
Regie
Daniel Sánchez Arévalo
Buch
Daniel Sánchez Arévalo
Kamera
Juan Carlos Gómez
Musik
Pascal Gaigne
Schnitt
Nacho Ruiz Capillas
Darsteller
Quim Gutiérrez (Jorge) · Marta Etura (Paula) · Raúl Arévalo (Israel) · Antonio de la Torre (Antonio) · Héctor Colomé (Andrés)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Arsenal (16:9, 1.78:1, DD2.0 span., DD5.1 dt.)
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Diskussion
Nachts sind die leuchtenden Flammen deutlich zu sehen: Ein junger Mann steckt eine Mülltonne in Brand, ein älterer Mann rennt mit dem Feuerlöscher aus dem Haus und verfolgt wütend den Brandstifter. Andrés ist Hausmeister in einem Wohnhaus in Madrid; sein Sohn Jorge möchte nicht in seine Fußstapfen treten und schon gar nicht sein ganzes Leben in der engen Hausmeisterwohnung verbringen. Er will höher hinaus: Betriebswirtschaft studieren, zumindest den sozialen Status der anderen Bewohner des Mehrfamilienhauses erreichen. Darum hat er die Mülltonnen angezündet. Jetzt hat ihn sein Vater erwischt, am Ende der Verfolgung sitzen Vater und Sohn fast nebeneinander, aber von einer hohen Mauer getrennt. „Jorge, sag mir, dass du es nicht bist“, sagt der Vater, bevor er zu Boden stürzt. Der fulminante Anfang des Films greift auf eine Vorgeschichte zurück, die Regisseur Daniel Sánchez Arévalo bereits 2004 in „Fisica II“, einem seiner erfolgreichen Kurzfilme, erzählt hat: von einem Hausmeister, der seinen Sohn unbedingt als seinen Nachfolger sehen will, während dieser ganz andere Pläne hat. Héctor Colomé spielte hier bereits den Vater. Sieben Jahre später ist Jorge dann nicht nur doch Hausmeister geworden, sondern muss seinen Vater versorgen, der nach dem Schlaganfall ein Pflegefall geworden ist. Er sitzt im Rollstuhl oder liegt im Bett, den Blick starr auf den Fernseher gerichtet, ist ebenso apathisch wie bösartig und lebt halb in der Gegenwart, halb in der Vergangenheit mit Sätzen wie „Hast du deine Hausaufgaben schon gemacht?“ oder „Wir müssen zum Gottesdienst!“. „dunkelblaufastschwarz“ ist eine Farbe, die sich nicht leicht bestimmen lässt, und auch der Film lässt sich nicht auf eine grundsätzliche Tonalität festlegen, sondern verbindet virtuos verschiedene Episoden und Handlungsstränge in ihren ganz unterschiedlichen, tragischen, dramatischen, sozialkritischen, komischen und grotesken Stimmungslagen. Jorge träumt in seiner Hausmeisterwohnung von einem besseren Leben, Paula träumt im Gefängnis davon zu überleben, schwanger zu werden und wieder auf die geschützte Mutterstation zu kommen, wo sie vor den brutalen Angriffen ihrer Mithäftlinge sicher ist. Im Theater-Workshop beginnt sie eine Beziehung mit Antonio aus dem Männertrakt, der Jorges Bruder ist und das schwarze Schaf der Familie. In dynamischen Parallelmontagen werden die einzelnen Elemente der Handlung zusammengefügt: Antonio und Paula versuchen, während der Theaterproben im Gefängnis ein Kind zu zeugen; Jorge beendet sein Fernstudium der Betriebswirtschaft, und sein lebenslustiger Freund Israel, Sean genannt, spürt den homoerotischen Seitensprüngen des eigenen Vaters nach. Derweil Natalia, die Nachbarstochter und Jorges unerfüllte Liebe, aus Deutschland zurückkehrt. Sánchez gehört zu einer neuen Generation spanischer Regisseure, die sich durch einen sozialen Realismus mit populären Elementen auszeichnet, durch eine augenzwinkernde Solidarität mit dem Publikum. Beeindruckend sind in seinem Film nicht zuletzt die Schauspieler, z.B. Héctor Colomé als Vater oder Antonio de la Torre als Bruder, sowie das Zusammenspiel von erfahrenen Darstellern (wie Marta Etura als Paula) und wunderbaren neuen Entdeckungen wie Quim Gutiérrez, der hier seine erste Hauptrolle hat. „dunkelblaufastschwarz“ lebt von der Härte, der Komik und der grotesken Verflechtung der Schicksale seiner Figuren: Jorge, der in zahllosen Vorstellungsgesprächen versucht, Einlass in die höheren Büroetagen zu bekommen; sein Bruder, der ihn bittet, mit Paula ein Kind zu zeugen, damit er sie nicht verliert; Israel, der seinen Vater anonym mit Fotos erpresst. Insgesamt ist dem Regisseur ein brillanter abendfüllender Erstlingsfilm gelungen: ein Film über das Erwachsenwerden, über verwirklichte und unverwirklichte Lebensentwürfe, über die Liebe, die Träume und die Fähigkeit, innere und äußere Sperren hinter sich zu lassen. Sánchez arbeitet dabei virtuos mit konventionellen Erzählmustern und überrascht immer wieder mit ganz neuen Wendungen des scheinbar Vorhersehbaren. Elegant gelingt es ihm, ganz unterschiedliche Themen anzusprechen: die häusliche Pflegesituation, der schwierige Arbeitsmarkt, die Repression und die Brutalität in den Gefängnissen, Generations- und Klassenkonflikte – ohne dabei jemals larmoyant oder pathetisch zu werden. So wird auf lebendige Weise ein Mikrokosmos der spanischen Gesellschaft beschrieben.
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