Die wilden Hühner und die Liebe

Jugendfilm | Deutschland 2007 | 108 Minuten

Regie: Vivian Naefe

Weitere Alltagsabenteuer und -geschichten um die fünf nunmehr etwa 15 Jahre alten Freundinnen der Mädchenbande "Die wilden Hühner", wobei vor allem die komplizierten Wege der aufkeimenden, in einem Fall sogar gleichgeschlechtlichen Liebe im Zentrum stehen. Ein unterhaltsamer, phasenweise überraschend stiller und nachdenklicher Film nach dem Kinderbuch von Cornelia Funke, dem es weniger um weichgespülte Schwärmereien und andere Oberflächlichkeiten geht als um Mut, (Selbst-)Vertrauen, Charakterfestigkeit und Zivilcourage als Voraussetzungen im Engagement gegen erste aufkeimende Formen von Intoleranz, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Bavaria Film/Constantin Film/Lunaris Film/ZDF
Regie
Vivian Naefe
Buch
Marie Graf · Uschi Reich · Vivian Naefe
Kamera
Peter Döttling
Musik
Annette Focks
Schnitt
Hansjörg Weissbrich
Darsteller
Michelle von Treuberg (Sprotte) · Paula Riemann (Melanie) · Jette Hering (Wilma) · Lucie Hollmann (Frieda) · Zsa Zsa Inci Bürkle (Trude)
Länge
108 Minuten
Kinostart
16.03.2023
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Jugendfilm
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Heimkino

Verleih DVD
Highlight (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt., dts dt.)
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Diskussion
Gerade mal 15 Monate ist es her, dass die Freundinnen Sprotte, Melanie, Trude, Frieda und Wilma zum ersten Mal im Kino auftauchten. Dabei griff „Die wilden Hühner“ (fd 37 462) Cornelia Funkes dritten Roman („Fuchsalarm“, 1998) um die Alltagsgeschichten, Abenteuer, Sorgen und Probleme der Mädchen auf, während nun der fünfte und letzte Roman (2003) als Vorlage für den zweiten Kinofilm dient – was viele „Hühner“-Fans mit Sicherheit bedauern werden, hätten sie doch am liebsten alle Bände verfilmt gesehen. Doch wenn man sieht, wie sehr sich die „Hühner“-Darstellerinnen allein äußerlich in der kurzen Zeitspanne entwickelt haben und wie rasant sich der Sprung vom noch „weichen“ Kind zum nahezu erwachsenen, durchaus körperbewussten Teenager vollzogen hat, dann wird klar, dass die Kinoserie entweder hätte früher einsetzen müssen oder sich tatsächlich nur auf zwei markante „Hühner“-Bücher beziehen kann, ohne an Glaubwürdigkeit einzubüßen. Dieser höchst spannenden Entwicklung trägt der Film indes aufs Schönste Rechnung; teilweise sehr genau folgt er bis in kleinste Dialogpassagen der Romanvorlage, wobei erneut die diversen Episoden, die den einzelnen „Hühnern“ gewidmet sind, durch Sprotte, das „Oberhuhn“, und ihre Kommentare zusammengehalten werden. Wie im Buch proben Jungs und Mädchen in der Schule gemeinsam eine Theateraufführung, freilich nicht Shakespeares „‚Wie ihr wollt’ oder ‚Wen ihr wollt’“ wie im Buch, sondern seinen „Sommernachtstraum“, der zum poetisch reizvoll und charmant verdichteten Reflex auf die Gefühlslage und die vielen Gefühlsverwirrungen der Mädchen wird: „Wie kann das Glück so wunderlich doch sein....?“ Äußere Turbulenzen wie jene um die vom Schlachten bedrohten Hühner oder die handfesten Streitereien mit der Jungenclique der „Pygmäen“ sind deutlich in den Hintergrund getreten; das, was die Mädchen nun beschäftigt, sind freilich gewiss nicht gänzlich andere Dinge, denn die Sache mit den Jungs hat immer noch einen hohen Stellenwert – aber eben doch einen ganz anderen, komplizierteren und weniger spielerischen Charakter angenommen. Dass Sprottes Mutter in Sachen Liebe und Beziehung nach wie vor kaum Orientierung bietet und Vorbild ist, macht die Sache nicht gerade leichter: Da „droht“ Sprotte ausgerechnet in Gestalt des überpeniblen Taxifahrers Thorben, der bald schon den Spitznamen „Klugscheißer“ weg hat, einen Stiefvater zu bekommen, was immer noch die bessere Alternative zu sein scheint, weil nach zwölf Jahren urplötzlich Sprottes Vater auftaucht, ein gutaussehender Fotograf, von dem Sprotte absolut nichts, ihre Mutter indes doch etwas mehr wissen will. Verwirrt und wütend, bekommt Sprotte zudem Probleme mit Freund Fred, weil sie ihre rasende Eifersucht nicht unterdrücken kann. Solche Gefühle kennt auch „Hühner“- Freundin Melanie, die von Willi verlassen wurde und zutiefst verletzt ist, was sie mit neuer Härte und Kompromisslosigkeit demonstrativ zu kompensieren versucht, ohne zu merken, dass sie sich damit ins Abseits manövriert. Ausgerechnet die sensible Wilma, die die schwierigste und komplizierteste Gefühlsverwirrung aller Freundinnen verstehen und verarbeiten muss, wird zum Ziel von Melanies Attacken – Wilma hat sich in ihre Theaterpartnerin Leonie verknallt, was nur zu bald zum Schulthema wird. „Ein glühend Herz, zu neuer Lieb bereit....“, wie es bei Shakespeare heißt. Es sind also alles andere als weichgespülte Schwärmereien und andere Oberflächlichkeiten, um die es hier geht, vielmehr geht es um Mut, (Selbst-)Vertrauen, Charakterfestigkeit und Zivilcourage, mit denen es die Dinge entgegenzutreten gilt. Dass sich in fehlgeleiteten Gefühlen, in manchem Streit und mancher Pose vermeintlicher Stärke (meistens freilich von Jungs) eine erste Saat für Intoleranz, Ausgrenzung, ja sogar in einer Szene für Fremdenfeindlichkeit einnistet, die gar nicht erst aufgehen darf, deutet sich unmissverständlich an, wobei vor allem die Eigeninitiative der Mädchen und Jungen gefordert wird. Das alles spielt sich zwar weiter im Bereich einer sehr unterhaltsam aufbereiteten, idealisierten Kino-Welt ab, doch bereits der erzählerische Rhythmus des Films signalisiert viel Nachdenklichkeit: Statt auf übertonte Turbulenz setzt die Inszenierung auf eine eher stille, zurückhaltende Erzählweise, die auch Pausen und Leerstellen zulässt und die Mädchen nicht nur als (viel) Dialog aufsagende „Plaudertaschen“, sondern als zugleich reflektierte und sensible Persönlichkeiten ernst nimmt – und die doch stets auch „coole“, freche, lebensfrohe „Hühner“ bleiben, die man sich gerne zum Vorbild nimmt.
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