Der Fluch der goldenen Blume

- | Hongkong/VR China 2006 | 114 Minuten

Regie: Zhang Yimou

Farbenprächtiges Drama, angesiedelt am Hof des chinesischen Kaisers im Jahr 928: Der Herrscher und seine ihm entfremdete Ehefrau planen ihre wechselseitige Ermordung, wobei das blutrünstige Vorhaben durch das bewegte Vorleben des Kaisers beeinträchtigt wird. Der höchst artifizielle Bilderbogen breitet Leidenschaften und Vernichtungsbereitschaft im Stil der Königsdramen eines William Shakespeare aus, wobei der Film durchaus auch als Beschreibung der aktuellen Psychologie chinesischer Führungsschichten gelesen werden kann. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MAN CHENG JIN DAI HUANG JIN JIA
Produktionsland
Hongkong/VR China
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Beijing New Pic./EDKO FIlm/Elite Group/Film Partner Int.
Regie
Zhang Yimou
Buch
Zhang Yimou · Wun Nan · Bian Zhihong
Kamera
Zhao Xiaoding
Musik
Shigeru Umebayashi
Schnitt
Cheng Long
Darsteller
Chow Yun-Fat (König) · Gong Li (Königin) · Jay Chou (Prinz Jie) · Liu Ye (Kronprinz Xiang) · Ni Dahong (Hofarzt)
Länge
114 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Universum (16:9, 2.35:1, DD5.1 kanton./dt.)
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Diskussion
Zum dritten Mal in fünf Jahren wendet sich der chinesische Regisseur Zhang Yimou nach „Hero“ (fd 35 972) und „House of Flying Daggers“ (36 861) sowie einer Unterbrechung mit dem kleinen, stillen Film „Riding Alone for 1000 Miles“ (2005) – der hierzulande bezeichnenderweise nicht ins Kino kam – dem Martial Arts-Film zu. Dieses in China traditionsreiche Genre blüht derzeit wie schon lange nicht mehr. Zugleich ist es mit Filmen wie Chen Kaiges „Wu Ji – Die Reiter der Winde“ (fd 37 596) und Feng Xiaogangs „The Banquet“ (2006), die in der Volksrepublik viele Millionen ins Kino lockten und zu den erfolgreichsten Werken der chinesischen Filmgeschichte gehören, in eine neue, sozusagen neobarocke Phase getreten: Überladene Tableaus, zu bewegten Ornamenten choreografierte und entindividualisierte Statistenmassen, betonte Körperlichkeit, opernhafte und an chinesische Bühnentraditionen angelehnte Gestensprache und insgesamt eine starke Stilisierung prägen dieses extrem aufwändige Ausstattungskino, das seine märchenhaften, fiktiven Handlungen mit todesverachtenden Helden, strengen Fürsten, schönen wie bösen Prinzessinnen zumeist vor dem Hintergrund historischer Ereignisse erzählt. Mit den spielerischen Anfängen des Genres in „The Burning of the Red Lotus Monastery“ aus dem Jahr 1928 oder der cool-nüchternen Effizienz eines King Hu, der sich mit Filmen wie „A Touch of Zen“ (fd 23 417) in den 1960er- und 1970er-Jahren den Ruf des chinesischen John Ford erwarb, hat dieses spektakuläre Massenkino genauso wenig zu tun wie mit den „Bloodshed“-Filmen der gleichen Epoche (z.B. „One Armed Swordsman“, fd 18 914). Zu dieser Entwicklung – je nach Perspektive ein neuer Höhepunkt des Genres oder der Anfang seines Endes – hat Zhang, einst berühmt geworden mit kritischen und vielfach prämierten Autorenfilmen („Rotes Kornfeld“, fd 27 622; „Leben“, fd 30 885), in den letzten Jahren viel beigetragen. Mögen Filme wie „Hero“ auch im oberflächlichen Blick der meisten westlichen Beobachter als unfreiwillig komisch oder gar „totalitär“ geschmäht und als Spektakel-Kino abgetan werden – knüpfen sie doch an chinesische Traditionen an, popularisieren diese in einer Weise, die auch westlichen Zuschauerschichten zugänglich ist, und sind dabei nicht unrealistischer oder „künstlicher“ als durchschnittliches Hollywood-Kino. All dies gilt auch für „Der Fluch der goldenen Blume“. Ursprünglich auf Cao Yus in den 1930er-Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedeltes Stück „Das Gewitter“ zurückgehend, spielt der Film am kaiserlichen Hof der späten Tang-Dynastie im Jahr 928: Der herrische Kaiser und seine ihm entfremdete Frau planen ihre wechselseitige Ermordung. Verkompliziert wird dies durch eine rachsüchtige erste Ehefrau, eine geheime Liebesaffäre und zwei Fälle von Inzest, nicht zuletzt aber auch durch die strenge Etikette. Zhang zelebriert die Inszenierung dieser höfischen Gesellschaft, ihre hochgradig ritualisierten Bewegungen, die überladenen Räume und endlosen Korridore der „Verbotenen Stadt“, die doch keine Fluchtmöglichkeit offen lassen, und die schweren Kostüme, deren Gewicht für den Zuschauer förmlich spürbar wird. Einfallsreich zeigt er eine Welt, die zugleich überbordend und beklemmend ist. Wie in Form eines Kammerspiels in „Rote Laterne“ (fd 29 732) gehen Freiheit und Angst, Furcht und Eigennutz auch hier untrennbare Verbindungen ein. „Der Fluch der goldenen Blume“ ist darin ein Film über die Psychologie von Führungsschichten. Vor allem ist es aber ein Film über die Natur von Passionen. Denn sowohl der Kaiser wie seine Frau, die hier bis aufs Blut und schließlich mit dem Blutdurst und einer Vernichtungsbereitschaft, wie man sie aus Shakespeares Königsdramen kennt, gegeneinander und ums eigene Überleben kämpfen, sind keine kühlen Machtmenschen. Sie lieben und hassen, sind stolz, rachsüchtig und selbstzerstörerisch. Während der Film dies ausmalt und in subtile, oft unausgesprochene Details zerlegt, betont Zhang doch immer, wie gefährlich und letztlich nicht ernst zu nehmen solche Leidenschaften sind. Indem er einerseits die Freiheit der Gefühle feiert, andererseits stoische Zurückhaltung als das erfolgreichere Konzept darstellt, steht Zhang weiterhin in der Tradition seiner Generation und seines eigenen Filmemachens, das das Festhalten an Individualität schon immer mit Wachsamkeit gegenüber Autoritäten paarte, im Bewusstsein, dass der Wind sich schnell drehen kann. Zum Ausmalen dieses Melodrams ist Zhang jedes Mittel recht: Neben der Opulenz von Kostümen und Set-Design auch der dicht gewobene, bombastische Soundtrack Shigeru Umebayashis und der häufige Einsatz satter Primärfarben. Wie immer bei Zhang steht eine Farbe im Zentrum. Nach intensivem Rot („Hero“) und schillerndem Grün („House of Flying Daggers“) ist dieser Film von kaiserlich-opulentem Gelbgold geprägt – die Farbe der Rüstungen, der Kleider, des Lichts und der Chrysanthemenfelder. Der Film ist auch Starkino par excellence. Mit Hongkongs Chow Yun-Fat und der von ihm entdeckten Gong Li, die erstmals seit über zehn Jahren wieder in einem Yimou-Film mitwirkt, führt er die beiden Superstars der 1980er-Jahre zusammen. In einer bisher von ihm ungekannten Leichtigkeit des Umgangs mit all diesen Elementen, in seiner Unbekümmertheit gegenüber Mainstream-Gepflogenheiten wird Zhang zunehmend zu einem chinesischen Steven Spielberg. So spektakulär viele der Kampfszenen sind, können sie im Hinblick auf Poesie und Originalität beispielsweise jenen aus „Hero“ zumeist nicht das Wasser reichen. Die Ausnahme bildet eine Szene, in der eine Gruppe von Attentätern sich in der Nacht an Seilen zu Boden gleiten lässt. Die wahren Kämpfe in diesem Film ereignen sich freilich bei Banketten, Audienzen, zwischen den Vorhängen der Salons und im Bett, mittels bloßer Blicke, rasch hingeworfener Sätze, in wenigen Berührungen. Nicht zu unterschätzen ist die Komik des Films: Dialoge wie Gesten unterminieren erkennbar das Melodram und legen die schwarze Komödie im Zentrum frei. Indem Zhang hier von der Dekadenz alter Eliten und neuer Aufsteiger erzählt, indem er die Depression inmitten von Reichtum und Konsum, die Abgründe einer Überflussgesellschaft sinnlich vor Augen führt, erzählt sein Film auch eine aktuelle Geschichte über das neureiche China der Gegenwart. Das Fazit ist überaus pessimistisch. Jenseits solcher, keineswegs zwingender politischer Konnotationen ist „Der Fluch der goldenen Blume“ nicht zuletzt ein vergnüglicher Film, hochästhetisch – und visuell selbstverständlich over-the-top.
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