Someone Beside You

Dokumentarfilm | Schweiz 2006 | 90 Minuten

Regie: Edgar Hagen

Eindringlicher Dokumentarfilm über Methoden einer alternativen Psychiatrie, bei der die Psychosen der Patienten nicht als Krankheitsbild festgeschrieben, sondern als Wahrnehmung einer anderen Wirklichkeit anerkannt werden. Der assoziativ montierte Reisefilm durch Europa und die USA vermag zwar die Therapiemethoden der Ärzte nur in Ansätzen transparent zu machen, setzt sich aber nachhaltig für die Belange der Patienten, ihre Anerkennung und ihre Würde ein. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SOMEONE BESIDE YOU
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Maximage/DRS
Regie
Edgar Hagen
Buch
Edgar Hagen
Kamera
Eric Stitzel
Musik
Tomek Kolczynski
Schnitt
Stephan Krumbiegel
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Ventura (16:9, 1.78:1, DD2.0 engl./dt.)
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Diskussion
Wer einen Verstand hat, kann ihn auch verlieren. Wer aber den Verstand verliert, kann ihn auch wieder finden. Daran glauben Ärzte wie Jakob Litschig oder Edward Podvoll, der zwölf Jahre in einem buddhistischen Kloster lebte und während der Dreharbeiten zu „Someone Beside You“ bereits schwer an Krebs erkrankt war. Edgar Hagen versucht, in seinem Dokumentarfilm die Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn auszuloten, sie sichtbar und damit auch fassbar werden zu lassen. Der Basler Regisseur begleitete unkonventionelle Psychiater und Psychologen und ging mit deren jetzigen oder ehemaligen Patienten aus der Schweiz, Europa und den USA für Monate auf eine äußere und innere Reise. In einer Art Road Movie versucht Hagen, in Gesprächen die in Autos oder Wohnmobilen stattfinden, dem Weg aus dem Wahn seiner Protagonisten auf die Spur kommen. So steht er mit der 54-jährigen Karen aus Colorado an dem Ort, wo sie sich einst aus dem zehnten Stock eines Hochhauses stürzte und wie durch ein Wunder überlebte. Karen kommt bei ihrer Erzählung sichtbar an die Grenzen des Verkraftbaren. Auch als Zuschauer ist man nahe an einer Grenzüberschreitung. Man fragt sich, ob der eigene Blick nicht einfach nur voyeuristisch ist, weil das dargestellte Gespräch zu persönlich, zu emotional und doch zu wenig ausschlussreich ist. Als Patientin von Edward Podvoll findet Karen in wenigen Monaten aus der Psychose heraus und lebt seitdem ein selbstbewusstes Leben ohne Psychopharmaka. Podvoll widmete ihr ein Kapitel in seinem Buch „Verlockung des Wahnsinn“, in dem er den gemeinsamen Weg zur Heilung beschrieb. Wie dieser Weg im Detail aussah, erzählt „Someone Beside You“ jedoch nicht. Hagen setzt manchmal zu viel Wissen voraus, und sein Film preist ein wenig zu sehr die Theorie des verstorbenen Edward Podvoll, ohne sie konkreter zu beschreiben. Klar wird, dass Podvoll eine hoffnungsfrohe Botschaft vertrat, indem er die Psychose als spirituelle Krise auffasste und nicht als unheilbare Krankheit. Der Arzt, Psychoanalytiker und buddhistische Lama glaubte, dass Mut und Freundschaft die Kraft haben, Psychosen zu heilen. Diese der traditionellen Lehrmeinung widersprechende Perspektive verbildlicht Hagen mit zahlreichen Einstellungen auf das Glas von Schaufenstern oder Autofenstern, in dem sich die Welt spiegelt und gleichzeitig neu ordnet; ein gelungenes Sinnbild für die manchmal schwer zu ziehende Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn. Die Wahrheit muss irgendwo dazwischen liegen. Der Gedanke, dass der Verstand mehrschichtig ist und häufig einem unlogischen Prinzip folgt, hat sich auch auf die Dramaturgie des Films ausgewirkt, der keine klassische Road-Movie-Struktur hat, sondern zwischen den porträtieren Menschen hin und her springt und kurzeitig in ihre Geschichten einsteigt, um gleich wieder auszusteigen. Dabei werden vor allem die Psychiater und Psychologen im Film wenig fassbar und wirken auch wenig vertrauenswürdig. Unbewusst oder bewusst gemacht, erscheinen die „Patienten“ im Film normaler, ehrlicher und vor allem sympathischer. Dies ist auch die Stärke des Films: Er weist Menschen mit Psychosen einen neuen Platz in der Gesellschaft zu. Nun sind sie nicht mehr unheimlich und fremd, sondern Menschen mit außergewöhnlichen Lebenserfahrungen, die etwas zu sagen haben.
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