Schwedisch für Fortgeschrittene

Buddy-Movie | Schweden 2006 | 102 Minuten

Regie: Colin Nutley

Eine linkische Politesse und eine energische Gynäkologin geraten sich zunächst kräftig in die Haare, werden dann aber gute Freundinnen. Sie müssen nach enttäuschenden Eheerfahrungen das Leben neu entdecken, wobei die lebenslustige Ärztin ihrer scheuen "Schülerin" beibringt, sich zu amüsieren. Ein in der ersten Filmhälfte vergnügliches Buddy-Movie um eine wunderbare Frauenfreundschaft, das in der zweiten Hälfte durch zu viele Klischees vor allem in der Zeichnung der männlichen Charaktere an Spritzigkeit einbüßt. - Ab 14 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
HEARTBREAK HOTEL
Produktionsland
Schweden
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Sweetwater
Regie
Colin Nutley
Buch
Colin Nutley
Kamera
Olof Johnson
Musik
Per Andreasson
Schnitt
Perry Schaffer
Darsteller
Helena Bergström (Elisabeth Staf) · Maria Lundqvist (Gudrun Nyman) · Claes Månsson (Ake Nyman) · Johan Rabaeus (Henrik Ek) · Jill Johnson (Jill Johnson)
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14 möglich.
Genre
Buddy-Movie | Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Prokino/Universal (1:1,85/16:9/Deutsch DD 5.1/Schwed.)
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Diskussion
Allein die Kleidung in der Anfangsszene signalisiert: Hier kollidieren zwei Frauencharaktere miteinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Elisabeth hastet zur Hochzeit ihres Sohns. Als wollte sie ihrem Widerwillen über das Ereignis Ausdruck geben, hat sie sich in ein schrilles schwarz-weißes Kostüm geworfen. Die andere, Gudrun, trägt ihre gestrenge Politessen-Uniform ebenso ungern, wie sie sich mit falschparkenden Autofahrern anlegt. Aber Halteverbot ist Halteverbot, daher geraten sich die scheue Politesse und die Powerfrau in die Haare. Ein Schimpfwort gibt das andere, die erregten Damen gehen im Unfrieden auseinander und treffen sich kurze Zeit später, wie es der pure Zufall will, in Elisabeths Gynäkologenpraxis wieder. Gudrun hat Schmerzen im Unterleib. „Ihnen fehlt körperlich nichts“, kann Elisabeth sie beruhigen. Bald sind sich die entkleidete Staatsdienerin und die verständnisvolle Ärztin gar nicht mehr so unsympathisch. Am Ende der Untersuchung bricht Gudrun sogar in schallendes Gelächter aus. Das Eis ist gebrochen. So beginnt die wunderbare Freundschaft zwischen zwei Frauen Anfang 40, von der Regisseur und Drehbuchautor Colin Nutley in seinem Film erzählt. In der ersten Filmhälfte gelingen ihm hinreißende Momente. Da knistern die Pointen, was nicht zuletzt aufs Konto der Schauspielerinnen geht: Nutleys Ehefrau Helena Bergström trumpft als energisch-warmherzige Elisabeth auf, die in Scheidung lebt und in ihrer Stammdisco „Heartbreak Hotel“ (so auch der Originaltitel des Films) ihren zweiten Frühling erschnuppert. Maria Lundqvist berührt derweil als linkische Gudrun, die sich fälschlich als Witwe ausgibt und auch sonst mit ihrem ganzen Lebensfrust hinterm Berg hält. „Die Dinge sind so, wie sie sind“, lautet ihr verkniffenes Lebensdogma. „Have some fun“, propagiert dagegen Elisabeth. Es macht wirklich Spaß, dabei zuzusehen, wie die muntere Ärztin ihre neue Freundin aus der Reserve lockt, mit ihr im „Heartbreak Hotel“ die Nächte durchtanzt, Gudrun das Flirten beibringt und ihr, halb freundschaftlich, halb fachärztlich, einen Vibrator kredenzt, damit Gudrun endlich einmal einen richtigen Orgasmus erleben kann. Sehr witzig auch eine Szene, in der das Gespann nach der Disco sturzbetrunken durch die Stockholmer Innenstadt taumelt. So lange Nutley die Komödienmaschine am Laufen hält, stört es kaum, dass diese Frauenfreundschaft letztlich einem Lehrerinnen-Schülerinnen-Verhältnis gleichkommt (daher wohl der deutsche Titel „Schwedisch für Fortgeschrittene“, der eher peinlich mit dem Klischee der freizügigen Skandinavierin wirbt). Irgendwann fragt man sich freilich dann, warum hier weder der einen noch der anderen Protagonistin eine innere Entwicklung zugestanden wird, warum Elisabeth immer Recht hat, ihrer Vergnügungssucht niemals der Katzenjammer folgt und wieso Gudrun kaum eigene Ideen zu Elisabeths ach so perfektem Selbsterfahrungsprogramm beisteuert. Zugegeben, einmal probt Gudrun den Aufstand, als ihr „toter Mann“ aufkreuzt und sie ihn wieder heiraten will. Aber am Ende kriecht sie dann doch zu ihrer Leitfigur auf den Beifahrersitz (was ein wenig an „Thelma und Louise“, fd 29 118, erinnert). „Willst du meine Frau werden?“, fragt Gudrun. Da schwingt kein erotischer Unterton mit, und auch kein bisschen Ironie. Schlechthin eindimensional sind die Männerfiguren gezeichnet: Elisabeths und Gudruns Ex-Ehemänner sind Unsympathen, wie sie im Emanzipationsratgeber anno 1980 stehen könnten – beide haben ihre Frauen betrogen, beide wollen aus Bequemlichkeit und bar jeder Selbstkritik zu ihren Ehefrauen zurückkehren. Elisabeths italienischstämmiger Mann (als Möchtegern-Latin-Lover grotesk fehlbesetzt: Johan Rabaeus) hat sogar eine von Elisabeths Patientinnen geschwängert, wie die Gynäkologin zufällig entdeckt. Angesichts solcher Pappfiguren nimmt es nicht wunder, dass die Heldinnen am Ende ein Leben ohne Männer vorziehen. Dass ihre Beziehungen gescheitert sind, wird allerdings nur behauptet, nicht erzählt. Das ist das große Problem des letzten Drittels: Colin Nutley zieht sich auf Thesen zurück, zum Beispiel die, dass Männer per se Schweine sind. Von gelebtem Komödienleben, mit allen Irrungen und Wirrungen, bleibt zuletzt keine Spur. Und der Humor, tja, der ist längst im Versuch der groben Anbiederung erstickt. „Frauenverstehen für Anfänger“ wäre wohl ein passender Titel für Nutleys müßiges Unterfangen, eine Art „Frauenfilm“ zu simulieren. Es versteht sich, dass die Männerperspektive an dieser Aufgabe scheitern muss.
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