A Scanner Darkly - Der dunkle Schirm

Animation | USA 2006 | 96 Minuten

Regie: Richard Linklater

Eine in Rotoscoping-Technik (reale Szenen und Schauspieler werden durch Computer übermalt und erhalten den Charakter von Zeichentrickszenen) gestaltete Science-Fiction-Geschichte, in deren Verlauf ein verdeckt ermittelnder Drogenfahnder nach sich selbst fahnden muss, weil seine Identität immer mehr Rätsel aufgibt. Eine durch Technik und Besetzung gelungene Science-Fiction-Adaption, die die Vision einer düsteren Utopie entwirft und gerade durch ihren verstörenden Charakter überzeugende Genre-Unterhaltung bietet.
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Filmdaten

Originaltitel
A SCANNER DARKLY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Warner/Thousand Words/3 Art Entertainment/Detour/Section Eight
Regie
Richard Linklater
Buch
Richard Linklater
Kamera
Shane F. Kelly
Musik
Graham Reynolds
Schnitt
Sandra Adair
Darsteller
Keanu Reeves (Bob Arctor/Fred) · Rory Cochrane (Chales Freck) · Robert Downey jr. (James Barris) · Winona Ryder (Donna Hawthorne) · Woody Harrelson (Ernie Luckman)
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Genre
Animation | Science-Fiction
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar von Regisseur Richard Linklater, Darsteller Keanu Reeves, der Tochter des Roman-Autors Isa Dick Hacket, dem Produzenten Tommy Pallotta sowie dem Historiker Jonathan Lethem. Desweiteren sind zwei Dokumentationen über die spezielle Machart des Films (26 Min./21 Min.) enthalten.

Verleih DVD
Warner (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Die so genannte Rotoscoping-Technik, deren modernisierte, digitale Variante Richard Linklater erstmals in „Waking Life“ (fd 35 486) anwandte, hat einen paradoxen Effekt: Das Verfahren basiert darauf, dass Film- oder Videoaufnahmen wie mit Pauspapier nachgezeichnet und übermalt werden, sodass in den entstehenden Zeichentrickbildern Konturen und Bewegungen verblüffend naturalistisch wirken. Der betont künstliche Charakter der Bilder und der begrenzte räumliche Eindruck führen den artifiziellen Charakter aber deutlicher vor Augen als irgendeine Computeranimation und lassen ständig ahnen, dass hinter den changierenden Farbflächen auf der Kinoleinwand ursprünglichere Bilder verborgen sind. Genau deshalb war das Rotoscoping besonders geeignet, jene Grauzone zwischen Traum und Wachzustand zu suggerieren, in der „Waking Life“ angesiedelt war; und genau deshalb rief die Technik geradezu danach, bei einer Philip K. Dick-Verfilmung angewandt zu werden. Denn die Figuren des Science-Fiction-Autors, der u.a. die Vorlagen zu „Blade Runner“ (fd 23 689) und „Minority Report“ (fd 35 602) verfasste, werden regelmäßig von der Ahnung heimgesucht, dass ihre Wahrnehmungen und Erinnerungen womöglich Trugbilder sind. So geht es auch dem Protagonisten in „A Scanner Darkly“. Bob Arctor ist ein verdeckter Ermittler, der in einer nahen Zukunft der Zuliefererkette für eine neue Droge, „Substance D“, auf den Grund zu gehen versucht. Um die Drogenszene zu infiltrieren, hat er begonnen, die halluzinogenen Pillen zu schlucken, die ihm die Kleindealerin Donna beschafft, mit der er platonisch liiert ist. Um seine Tarnidentität möglichst realistisch wirken zu lassen, umgibt er sich mit drei durchgeknallten Junkies. Er selbst leidet neuerdings an Wahrnehmungsstörungen, die sich verschlimmern, als er beauftragt wird, sich selbst zu überwachen; seine Tarnidentität ist nämlich sogar Vorgesetzten unbekannt und wird bei bürointernen Aktivitäten durch einen digitalen Ganzkörpertarnanzug geschützt. Als wäre das nicht kompliziert genug, dient sich zudem Arctors durchgedrehter Mitbewohner Barris der Polizei als Informant an. Dick hatte im gleichnamigen Roman eigene Drogenerfahrungen verarbeitet und erinnerte in einer Widmung, die Linklaters vorlagentreue Adaption im Abspann zitiert, an ein Dutzend Freunde, die für ihren Drogenkonsum „viel zu hart bestraft wurden“, mit Tod oder Wahnsinn. Der Film beginnt denn auch mit einer Sequenz, die die Paranoia eines Junkies illustriert, doch der Ton ist eher skurril als beklemmend. So komisch wie Rory Cochrane diese Nebenfigur anlegt, mit wirrem Blick und hektischem Zucken, so stellen Woody Harrelson und Robert Downey jr. auch zwei andere Drogenkumpel Arctors dar. Die verschroben-verspielte Independent-Musik von Graham Reynolds und der lockere Erzählrhythmus tun ihr Übriges, um den Ton über weite Strecken distanziert-amüsant und die Erzählung wie im Drogenrausch erscheinen zu lassen. Auch die Besetzung lässt eine Affinität zu jener Gegenkultur ahnen, der Dick, der nie wirklich von den Drogen los kam, angehörte. Downeys Drogengeschichten sind Legion; Harrelson ist als Aktivist für die Legalisierung von Marihuana bekannt; Winona Ryder ist eine Nichte des LSD-Gurus Timothy Leary. Gerade Ryders Auftritt führt freilich ein weiteres Paradox des Rotoscoping vor Augen: Dass Linklater namhafte Schauspieler vor einer Kamera agieren lässt, nur um dann die entstandenen Aufnahmen zu verfremden, führt Hollywoods Star-System grundsätzlich ad absurdum. Im Falle Ryders kommt noch hinzu, dass sie sich im Kino schon lange rar macht und zuletzt, wegen eines Ladendiebstahls, das Objekt dubioser Überzeichnungen der Boulevardpresse wurde. Bei einem seltenen Filmauftritt nun ausgerechnet mit einer gemalten Kopie ihres Abbilds konfrontiert zu werden, ist deshalb umso irritierender. Im Fall von Hauptdarsteller Keanu Reeves besitzt es dagegen einen eigenen Reiz, sein hölzernes Spiel derart verfremdet zu sehen; und deshalb eignet er sich bestens, nach der „Matrix“-Trilogie und „Johnny Mnemonic“ (fd 31 594) einen weiteren Science-Fiction-Charakter zu verkörpern, dessen Identität in Frage steht. Der Filmtitel bezieht sich auf einen späten Monolog Arctors, der sich, während der Erzählton allmählich düsterer wird, fragt, ob die Wahrnehmung der holografischen Überwachungskameras, die in seinem Haus installiert sind, wohl ebenso eingetrübt ist wie seine eigene. Nachdem zuvor eine ganze Sequenz in Videorekorder-Manier „vorgespult“ worden ist, liegt der Gedanke nahe, dass der Film die Perspektive solch omnipräsenter Kameras teilt. Demnach sehen auch diese „Scanner“ nicht klar, sondern blicken durch einen ebenso faszinierenden wie frustrierenden Rotoscoping-Schleier.
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