Ganges - Fluss zum Himmel

Dokumentarfilm | USA/Indien 2004 | 81 Minuten

Regie: Gayle Ferraro

Beobachtungen in der indischen Millionenstadt Varanasi am Ufer des Ganges, wohin Angehörige ihre sterbenden Verwandten bringen, wo die Leichen eingeäschert werden und ihre Asche dem Fluss übergeben wird. Zugleich drohen die ungeklärten Abwässer der Stadt, dem Fluss des Sterbens den ökologischen Garaus zu machen. Der kommentarlose Dokumentarfilm macht mit ebenso befremdlichen wie faszinierenden Ritualen vertraut, wobei die pittoresken Bilder im Gesamtkontext ihre scheinbar makabre Dimension verlieren und auf den würdevollen Umgang mit dem Sterben hinweisen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
GANGES - RIVER TO HEAVEN
Produktionsland
USA/Indien
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Aerial Prod.
Regie
Gayle Ferraro
Buch
Gayle Ferraro
Kamera
Laurie K. Gilbert
Musik
Claudio Ragazzi
Schnitt
Keiko Deguchi
Länge
81 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
Sie haben einen weiten Weg hinter sich, als sie ihre greise, in Tücher gehüllte Mutter von einem klapprigen Lieferwagen heben. Hier, im Hospiz der indischen Millionenstadt Varanasi am Ganges, möchte sie sterben. Denn nach hinduistischem Glauben wird, wer hier das Zeitliche segnet, vom Joch der Wiedergeburt befreit, wenn seine sterblichen Überreste nach der Einäscherung dem Fluss übergeben werden. Der Dokumentarfilm folgt mehreren Familien, die im Hospiz Angehörige beim Sterben begleiten. Vor allem widmet er sich jedoch der rituellen Verbrennung der Toten auf den Stufen am Flussufer – ein sieben Kilometer langer Abschnitt, in dem nicht nur täglich Hunderte von Leichen eingeäschert und anschließend dem Ganges übergeben werden, sondern auch 60.000 Menschen ein Bad nehmen; sei es aus rituellen Motiven oder schlicht zum Zweck der Körperhygiene. Dabei lassen sie sich auch nicht von den im Wasser treibenden Leichen derer stören, die nach den Regeln der Tradition nicht verbrannt werden dürfen, sondern, in Tücher gehüllt, dem Ganges übergeben werden. Doch es sind weniger die religiösen Praktiken, die aus dem Fluss des Sterbens inzwischen einen sterbenden Fluss gemacht haben, vielmehr drohen die ungeklärten Abwässer der Millionenstadt, dem Ganges den ökologischen Garaus zu machen. Der Film, der ohne jeden Off-Kommentar auskommt, bewegt sich souverän in diesem Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, lässt streng gläubige Hindus ebenso wie besorgte Hydrologen zu Wort kommen und vermittelt dabei sinnfällige Einblicke in eine – gemessen an westlichen Vorstellungen und Praktiken – ebenso fremde wie faszinierende Kultur und ihren Umgang mit dem Tod. Dabei mutet die Kamera, wenn sie brennende Körper in Nahaufnahme zeigt, zartbesaiteten Gemütern einiges zu, und Bilder eines bäuchlings im Wasser treibenden Leichnams, an dem sich ein Vogel zu schaffen macht, sind gewiss ebenso verstörend. Doch im Kontext der Szenen aus dem Hospiz, in denen in langen, ruhigen Einstellungen ein würdevoller Umgang mit dem Sterben erkennbar ist, verlieren solche Bilder ihre scheinbar makabre Dimension. Gleichwohl schildert der Film auch die profanen Seiten des Sterbens am Ufer des Ganges: So wird deutlich, dass die Rituale für die Stadt ein einträgliches Geschäft sind. Ein Händler erläutert nüchtern die Brenneigenschaften der verschiedenen Holzarten, erklärt, wie lange es dauert, bis ein Leichnam verbrannt ist. Ein anderer bietet in seinem Laden die traditionellen bunten Tücher feil, in die die Körper vor der Einäscherung gewickelt werden. Natürlich bieten in dem Gewirr der Großstadt auch Internet-Cafés ihre Dienste an. Dieses nur schwer nachvollziehbare Nebeneinander von Tradition und Moderne, tiefer Gläubigkeit und profanem Pragmatismus macht zum großen Teil die Faszination des Films aus. Zugleich leben die (digitalen) Bilder auch vom verwirrenden, chaotisch anmutenden Treiben und der Farbenpracht mancher Szenerien. Brennende Scheiterhaufen und die von Rauchschwaden in unwirkliches Licht getauchten Stufen am Ufer des Ganges sind eben auch recht pittoreske Motive.
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