Traders' Dreams - Eine Reise in die eBay-Welt

Dokumentarfilm | Deutschland 2007 | 83 Minuten

Regie: Marcus Vetter

Fünf Geschichten aus fünf Kontinenten dokumentieren Chancen wie auch Grenzen für Nutzer der Online-Auktionsplattform eBay, die mit Hilfe des Internet-Riesen ihr persönliches Glück machen wollen. Beleuchtet werden dabei einige Erfolgsgeschichten, ebenso wird subtil Kritik an falschen Heilsversprechen und Ausbeutungsstrukturen geübt. Kein investigativer Dokumentarfilm, halten sich kritische Nachfragen in Grenzen und verlieren sich die Gesprächspartner mitunter in Redundanzen. Dennoch bietet der Film reichhaltiges Anschauungsmaterial, das zum Nachdenken anregt. - Ab 12 möglich.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Filmquadrat/ZDF/NDR
Regie
Marcus Vetter · Stefan Tolz
Buch
Marcus Vetter · Stefan Tolz
Kamera
Sylvio Claußner · Thomas Riedelsheimer · Holger Schüppel · Dieter Stürmer
Musik
Paul Shigihra
Schnitt
Annette Muff · Marc Schubert · Stefan Tolz · Saskia Metten
Länge
83 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12 möglich.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Der Wind virtueller Märkte des World Wide Web weht am kräftigsten, wo die Gegenwart neuer Arbeitswelten ungemütlich wird. Zum Beispiel bei der Familie Thurm aus dem sächsischen Borna. Weder der 50-jährige Vater, der kürzlich seinen Job im Bergbau verlor, noch der arbeitslose Sohn, Anfang 20, wittern Aussichten auf eine Festanstellung. Da bleibt nur das Träumen von der Ich-AG – und das multinational agierende Internet-Einkaufshaus eBay könnte einen Weg dahin weisen. Gepackt vom Auktionsfieber, gehen Vater und Sohn auf die „eBay-Universität“, lernen, wie man Seiten aufruft, Weihnachtsmannkostüme oder Käsespezialitäten aus der Region vorteilhaft präsentiert und sich von der ernüchternden Meldung „nicht verkauft“ nicht entmutigen lässt. Nach Monaten der Hoffnungen verzeichnet ihre Zwei-Mann-Agentur schwarze Zahlen, der Gewinn aber reicht gerade mal für eine Digitalkamera. Am anderen Ende des Globus erlebt ein kleines mexikanisches Dorf, das mühevoll handbemalte Vasen produziert, zeitgleich die Vorteile der Versteigerung bei eBay. Ihr Kunstgewerbe, das zuvor nur touristischer Laufkundschaft angeboten werden konnte, erreicht über den Online-Handel Käufer auf der ganzen Welt, was enorme Wachstumsraten nach sich zieht. Eine Erfolgsgeschichte, die keine ist, denn die arme Region verfügt kaum über Telefonleitungen, sodass die Kunsthandwerker einen Teil der Gewinne an einen reichen amerikanischen Zwischenhändler abgeben müssen. Zwei von fünf mehr oder weniger lehrreichen Geschichten auf fünf Kontinenten, die dem Zuschauer die Möglichkeiten und Grenzen für die Nutzer des Quasi-Monopolisten veranschaulichen, einer der wenigen überlebenden Firmen der Mitte der 1990er-Jahre ausgerufenen New Economy, deren Geschäftsmodell bis heute trägt. Mit 150 Mio. Nutzern weltweit gehört sie zu den erfolgreichsten Firmen der frühen Internet-Ära. Im Gegensatz zu vielen anderen Online-Firmen setzt sich eBays’ Klientel nicht nur aus jungen InternetNutzern zusammen. So porträtiert der Film computerbegeisterte Cowboys in den Südstaaten, Rentner in Schottland, die auf einen Hinzuverdienst hoffen oder dank der Bestellungen ein regelmäßiges Schwätzchen mit der Postbotin halten können. Über den Zeitraum von einem Jahr gedreht und nicht gerade originell zwischen Einzelschicksalen hin- und hergeschnitten, vernachlässigt das deutsche Regie-Duo Marcus Vetter und Stefan Tolz nicht den Blick auf die Konkurrenz. In China kommt der Herausforderer Alibaba ohne Gebühren aus, und die Zufriedenheit in der Vorstandsetage ist groß, als man dem mächtigen Marktführer mit einer besseren Strategie und höheren Wachstumsraten eine Lektion erteilen kann. In solchen augenzwinkernden Momenten wird eine leicht verdaubare Dramaturgie erkennbar; die Autoren erlauben sich so etwas wie eine Sympathiebekundung, nur um sogleich klaustrophobische Bilder von dem chinesischen Callcenter zu liefern, in dem die Mitarbeiter wie in einer zu großen Legebatterie auf engstem Raum arbeiten müssen. Auch der Blick in die interne eBay-Welt spricht Bände: Vom „Onkel Griff“, dem Moderator der „eBay Radio Show“ und Verfasser der „eBay Bibel“ bis zu „eBay Live“, dem jährlich stattfindenden Weltkongress der Mitarbeiter und Aktionäre, erscheint das milliardenschwere Unternehmen wie eine Sekte, die ekstatisch über Gewinnmeldungen jubelt und den Eindruck erweckt, jedem Weltbürger mühelos zum Reichtum und Glück verhelfen zu können. Bei aller subtilen Kritik und leisen Komik gehört „Traders’ Dreams“ nicht zu jener Sorte investigativer Dokumentarfilme vom Schlage der Werke eines Michael Moore. Es werden keine Unregelmäßigkeiten aufgedeckt oder dunkle Machenschaften inszeniert; kritische Nachfragen halten sich in Grenzen. Nicht immer sprechen die Bilder für sich, und auch die Gesprächspartner verlieren sich mitunter in manch einer Redundanz, die der Schnitt hätte beseitigen können. Trotzdem bietet der Film eine Menge Anschauungsmaterial – aneinandergepuzzelt aus lauter voneinander unabhängigen Realitätsstücken –, das zum eigenständigen Nachdenken einlädt. Wer die in ihrer Botschaft erstaunlich zurückhaltende Dokumentation gesehen hat, bekommt eine Idee von der Vielfalt an Erfahrungen und Projektionen, die aus den Heilsversprechungen der virtuellen Erzählungen unserer Zeit erwachsen. Wie immer gibt es auch in dieser Parallelwelt Gewinner und Verlierer und die fast banal anmutende Einsicht, dass jeder Traum mit dem Erwachen endet.
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