Calling Hedy Lamarr

Dokumentarfilm | Deutschland/Österreich/Großbritannien 2004 | 75 Minuten

Regie: Georg Misch

Dokumentation über die aus Österreich stammende Filmschauspielerin Hedy Lamarr (1914-2000), die in Hollywood zu einem der ersten Pin-up-Girls und zur "Sexbombe" aufgebaut wurde. In einer von ihrem Sohn durchgeführten "Telefonkonferenz" mit Lamarrs Tochter, Freunden und Nachbarn wird der zerrissene Charakter der "schönsten Frau des 20. Jahrhunderts" offenbar, die u.a. auch eine brillante Wissenschaftlerin war. Trotzdem starb sie einsam und vergessen, erfährt aber nun durch diese sensible Annäherung an den Mythos Lamarr den ihr gebührenden Respekt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
CALLING HEDY LAMARR
Produktionsland
Deutschland/Österreich/Großbritannien
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Hanfgarn & Ufer/Lone Star Prod./Mischief Films
Regie
Georg Misch
Buch
Georg Misch
Kamera
Jon Sayers
Musik
Jim Howard
Schnitt
Michael Palm
Länge
75 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Weil die alternde Hedy Lamarr fast nur noch telefonisch mit der Außenwelt kommunizierte, benutzt Regisseur Georg Misch das Telefon als roten Faden für seine Dokumentation über die „schönste Frau des 20. Jahrhunderts“: „Calling Hedy Lamarr“. Filmgeschichte schrieb die am 9. November 1914 in Wien geborene Hedwig Eva Maria Kiesler bereits mit 19 Jahren, als sie als erste Schauspielerin nackt in einem Kinospielfilm auftrat: in „Ekstase“ (Regie: Gustav Machaty). Nach der Trennung von ihrem ersten Ehemann (von insgesamt sechs), dem österreichischen Waffenhändler und Nazi-Freund Fritz Mandl, emigrierte sie 1937 in die USA, wo ihr Louis B. Mayer einen Zehn-Jahres-Vertrag anbot und sie zu einem jener exotisch-erotischen Leinwandträume aufbaute, die Hollywood in den 1930er- und 1940er-Jahren seinen Glanz verliehen. „Suchen sie Glamour? – Hier haben Sie Hedy Lamarr!“ So tönt eine Reporterstimme aus dem Off zu Hedy-Lamarr-Filmausschnitten. Mit diesen Bildern beginnt Mischs teils dokumentarische, teils spielerische Annäherung an den Star, die neben dem oben erwähnten Telefon ihren Sohn Anthony als dramaturgischen Brückenschlag benutzt, der – Ironie des Schicksals – mit Telefonen handelt. Anthony, wie Lamarrs andere Kinder Denise und James aus der Beziehung mit dem englischen Schauspieler John Loder hervorgegangen, fährt mit Misch auf den Spuren seiner Mutter durch Hollywood. Schon sehr bald spürt man, dass er die filmische Recherche zur Aufarbeitung seiner verkorksten Kindheit und Mutterbeziehung nutzt; denn meist in Internate und Ferienlager abgeschoben, kann er sich nur an eine ungeduldige, auch schon mal zuschlagende und tablettenabhängige Mutter erinnern. „Sie hätte besser keine Kinder bekommen“, sagt seine Schwester einmal bei einem der vielen Telefonate. Sogleich schneidet Misch ein Interview mit Hedy Lamarr aus den 1970er-Jahren dagegen, in dem sie behauptet: „Kinder waren mir immer das Wichtigste!“ Aber nicht nur bei Lamarr scheinen die Erinnerungen zu trügen. Auch die wie zu einer Telefonkonferenz zusammengerufenen Freunde, Weggefährten und Nachbarn widersprechen sich in ihren Einschätzungen: „Geld bedeutete ihr alles!“ – „Reichtum war unwichtig für sie“ oder „Sie liebte ihr neues Vaterland“ – „Sie hasste die USA!“ Misch arbeitet sehr deutlich, aber ohne seine Protagonistin zu denunzieren, deren zwiespältige Persönlichkeit heraus. Hedy Lamarr, die einst für Walt Disneys „Schneewittchen“ Modell stand und noch Jahrzehnte später als Vorlage für die Replikantin Rachel in „Der Blade Runner“ (fd 23 689) diente, beschädigte als einer der ersten Hollywood-Stars ihren Körper durch Schönheitsoperationen. Es ist schon traurig mit anzusehen, wenn sie, 82-jährig, in einem privaten Videofilm wie ein Schatten ihrer selbst durch ihre mit den eigenen Starfotos geschmückte Wohnung „geistert“. Da ist nichts mehr von dem hellen Geist zu spüren, der einst genauso hell wie ihre Schönheit strahlte. Zusammen mit dem Komponisten George Antheil erfand sie das abhörsichere Frequenz-Hopping, das die moderne Funktechnologie erst möglich machte. Das 1942 patentierte Verfahren blieb bis 1958 allerdings weitgehend ungenutzt und wurde erst 1981 öffentlich zugänglich. So wurde Hedy Lamarr zum ersten Hollywood-Star, der mit Wissenschaftspreisen geehrt wurde – dafür aber nie einen „Oscar“ bekam. Die Zerrissenheit dieser „Frau mit den zwei Gesichtern“ hinter dem Hollywood-Mythos durchscheinen zu lassen, gelingt Misch auf unterhaltsame und informative Weise. Hierin unterscheidet er sich von der ungleich spröderen Dokumentation von Barbara Obermaier und den Brüdern Dubini („Hedy Lamarr – Secrets of a Hollywood Star“, fd 37 770), der Mischs emotionaler Zugang fehlt. Dieser zeigt sich z.B., wenn er Anthony beim Casting für ein Biopic über seine Mutter filmt und mit der Schauspielerin Heidi Schoeler eine „wiederauferstandene“ Hedy vor ihm sitzt, während bei allen anderen Kandidatinnen die eingeschnittene „virtuelle“ Mutter entsetzt den Kopf schüttelt. Und auch wenn Anthony und Denise die Asche ihrer Mutter im Wienerwald verstreuen, gelten die wehmütigen Gedanken noch einmal jener verführerischen Schönen, die uns zu Beginn ihres Hollywood-Debüts („Algier“, 1939) so verführerisch in die Kasbah lockte und uns Jahrzehnte träumen ließ.
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