Die Tunisreise - Le voyage à Tunis

Dokumentarfilm | Schweiz 2007 | 75 Minuten

Regie: Bruno Moll

Der tunesische Maler, Filmemacher und Geschichtenerzähler Nacer Khemir begibt sich auf die Spuren des Schweizer Malers Paul Klee, der 1914 mit zwei Malerfreunden nach Tunesien reiste und dessen Arbeiten in der Folgezeit von den Farben und vom beeindruckenden Licht des Landes beeinflusst blieben. Der Dokumentarfilm wagt als schwelgerischer Essay die Annäherung an eine komplexe Künstlerpersönlichkeit und kreist dabei um die Durchdringung von Orient und Okzident. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DIE TUNISREISE - LE VOYAGE A TUNIS
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Fama/prisma Film
Regie
Bruno Moll
Buch
Bruno Moll · Marian Amstutz · Walter Ruggle
Kamera
Matthias Kälin
Musik
Johann Sebastian Bach
Schnitt
Anja Bombelli
Länge
75 Minuten
Kinostart
25.03.2010
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Anfang April 1914 brechen der Schweizer Maler Paul Klee und seine Freunde August Macke und Louis Moilliet zu einer Reise nach Tunesien auf. Das Unterfangen ist weniger eine Bildungsexkursion denn eine Lustreise, um mit dem Legenden umwobenen Orient in Tuchfühlung zu kommen und seine (auch erotischen) Geheimnisse zu ergründen. Doch kaum in Tunis angekommen, beginnt Klee sofort mit dem Malen, versucht, sich künstlerisch den neuen Eindrücken zu nähern, wobei er schnell merkt, dass sich sein Stil verändert. 44 Aquarelle und zahlreiche Skizzenblätter sind das Ergebnis des 14-tägigen Aufenthalts. Am Ende der Reise schreibt Klee in sein Tagebuch, dass die große Jagd zu Ende und der „Karren zu voll geladen“ sei; er müsse heim – an die Arbeit. Diese kurze Stippvisite in den Maghreb, die Klees Schaffen nachhaltig beeinflusste, ist als „Tunisreise“ in die Kunstgeschichte eingegangen. Bruno Molls Film folgt den Etappen der legendären Reise und nutzt den tunesischen Filmemacher und Maler Nacer Khemir dabei als eine Art „Reiseführer“. Ein kluger Kunstgriff, denn der von Klee beeinflusste Khemir sieht seine Aufgabe keineswegs darin, in der Kunstgeschichte zu schwelgen und Klee einem ohnehin kunstbeflissenen Publikum nahe zu bringen, sondern er versucht, mit verschiedenen Denkweisen vertraut zu machen. Er stellt den Berner Maler als einen Brückenbauer vor, der zwischen Orient und Okzident vermittelte und im Gegensatz zu seinen Malerfreunden Tunesien „wie neu verlassen“ hat, weil er Farbe und Licht in sich aufsog und von der Geometrie, Ornamentik und Kalligrafie der arabischen Kultur ungeheuer inspiriert wurde. Moll stellt den Ausführungen des begnadeten Geschichtenerzählers Khemir die Aquarelle Klees und jene Tagebuchaufzeichnungen gegenüber, in denen sich dessen Eindrücke spiegeln, doch er nutzt die historischen Belege zugleich, um auf den Ursprung dieser Eindrücke zurück zu führen – die arabische Kultur. Wenn man so will, gelingt dem Regisseur ein neuerlicher Brückenschlag, der dazu dient, dem Zuschauer eine ebenso fremde wie faszinierende Kultur ohne belehrende Attitüde nahe zu bringen. Tunis, Hammamet und die legendäre Wüstenstadt Kairouan werden nicht als touristische Attraktionen vorgestellt, sondern als Stätten, die ein kulturelles Erbe beinhalten. Indem auch immer wieder Ausschnitte aus Khemirs Filmen gezeigt werden, die Molls Film eine weitere zusätzliche Dimension verleihen, gelingt es, die Traditionen und Werte Tunesiens zu vermitteln – nicht dogmatisch oder gar fundamentalistisch, sondern als Bestandteil eines gemeinsamen Welt- und Menschenerbes. Obwohl sich „Die Tunisreise“ scheinbar ganz auf Kunst, Kultur und Traditionen konzentriert, ist der leise und getragen komponierte Film zugleich hoch politisch – was er durch den Versuch, zwei Welten und Geisteshaltungen nahe zu bringen, auch sein muss. Nebenbei räumt die kluge (Film-)Expedition auch mit Mythen auf, etwa dem um das legendäre Blau tunesischer Türen und Fenster, was beileibe keiner Jahrhunderte alten Tradition entspricht – und sie stellt die Kunst als einen Vorschlag vor, der dazu dient, sich der „wirklichen Wirklichkeit“ anzunähern. Ganz ähnlich wird es auch der Schweizer Paul Klee empfunden haben, der in seinen Bildern nicht Realität abbilden, sondern sinnstiftende Strukturen und das Erhabene sichtbar machen wollte.
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