Immer nie am Meer

Komödie | Österreich 2007 | 91 Minuten

Regie: Antonin Svoboda

Ein tablettensüchtiger österreichischer Zyniker und sein frustrierter Schwager werden nach einem Unfall in den Wald katapultiert, wo sich ihr Auto zwischen den Bäumen verkeilt. Mit von der Partie ist auch ein deutscher Alleinunterhalter. Kabarettistische Versuchsanordnung in Form einer klaustrophobischen Komödie, deren eigenwillige Charaktere über Gott und die Welt schwadronieren, wobei dem schwarzen Humor eine gehörige Portion Depression beigemischt ist. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
IMMER NIE AM MEER
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
coop 99
Regie
Antonin Svoboda
Buch
Christoph Grissemann · Dirk Stermann · Heinz Strunk · Antonin Svoboda · Jörg Kalt
Kamera
Martin Gschlacht
Schnitt
Oliver Neumann
Darsteller
Christoph Grissemann (Anzengruber) · Dirk Stermann (Baisch) · Heinz Strunk (Schwanenmeister) · Philip Bialkowski (Toni) · Eva Maria Neubauer (Geherin)
Länge
91 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Arsenal (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Warten ist langweilig. Auf Dauer zumindest, und wenn das Warten nicht langweilig ist, dann ist es noch schlimmer: Unerfreulich bis quälend. Was passiert, wenn drei Zyniker für fünf Tage allein in einem Auto im Wald eingesperrt sind? Hört sich nach einer Versuchsanordnung an – und genau das ist „Immer nie am Meer“: drei Männer allein im Wald, ein Experiment mit offenem Ausgang. Bevor die Männer gemeinsam im Wald landen, pflegt jeder einsam und sarkastisch seine Neurosen – dies darf selbstverständlich auch in Gesellschaft geschehen, denn zumindest als Zielpublikum für den entsprechenden Galgenhumor ist Gesellschaft erwünscht. Bei einer Ladeneröffnungsfeier seiner Schwester erkundigt sich der depressive und tablettensüchtige Anzengruber auf ihre Aufforderung hin, er solle nicht so viel trinken, geflissentlich: „Und wo kann ich hier nicht viel trinken?“ Ebenso lakonisch konstatiert er gegenüber seinem Schwager, dem frustrierten Historiker Baisch, dass die Apotheke „nichts gegen Weltekel“ habe. Mit Baischs neuem Auto lesen die beiden auf der Straße den leicht hysterischen, dampfplaudernden deutschen Kleinkünstler Schwanenmeister auf. Dieser hatte sich zuvor erfolglos abgemüht, eine österreichische Firmengesellschaft zum Lachen zu bringen, und vergeblich versucht, eine nächtliche Joggerin anzusprechen – eben die Joggerin, der Baisch in einer Kurve ausweichen muss. Das Manöver katapultiert die Herrenrunde in die missliche Situation, deren Ausweglosigkeit auch dem Umstand geschuldet ist, dass es sich bei Baischs nun zwischen Bäumen eingekeiltem Wagen um ein Relikt aus dem Fundus des ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim handelt, gepanzerte Scheiben und defektes Schiebedach inklusive. „Gefangen in der Nazi-Karre“, stellt Anzengruber fest. Ein Junge aus einem nahen Ferienheim findet schließlich bei einem Streifzug das Wrack mit den Wartenden. Bislang hat er mit Ratten experimentiert, nun bietet sich die Chance auf menschliche Versuchsobjekte. Die drei Zyniker sind nicht mehr allein – aber dafür Lichtstressreiz und Nahrungsentzug ausgesetzt. Für Antonin Svoboda, neben Barbara Albert, Jessica Hausner und Martin Gschlacht Mitglied der österreichischen Filmproduktionsfirma „coop99“, ist „Immer nie am Meer“ sein zweiter Langfilm. Martin Gschlacht führt die Kamera und reizt den geringen Spielraum aus, schafft die Bilder zur klaustrophobischen Komödie: Umkreist in Nahaufnahmen die Gesichter der drei Hauptdarsteller und in gespenstischen Außenaufnahmen den Fremdkörper Auto im dunklen Wald. Die Drehbuchautoren sind neben Svoboda und Jörg Kalt vor allem die drei Hauptdarsteller: die österreichischen Komiker Christoph Grissemann und Dirk Stermann (der Filmtitel entspricht einem Buchtitel des Duos) sowie der deutsche Alleinunterhalter Heinz Strunk. Sie haben sich die Dialoge auf den Leib geschrieben; und weil die Grundsituation so exaltiert künstlich ist, funktionieren die eigenwilligen Charaktere, die sie sonst auf der Bühne oder im Radio zelebrieren, auch auf der Leinwand. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und eine Schauspielführung, die es versteht, Anflüge von Bühnenpräsenz kinotauglich im Zaum zu halten, befördern die tragikomische Entwicklung des Radikal-Kammerspiels. Schwarzer Humor ist eher selten im deutschsprachigen Kino, in österreichischen Filmen dagegen häufiger zu finden, oft gepaart mit einer ordentlichen Portion Depression, wie etwa in den Filmen von Ulrich Seidl. Diese Depression ist in „Immer nie am Meer“ Ausgangslage, nicht Grundstimmung; von ihr aus schrauben sich die Gespräche während der unfreiwilligen Gefangenschaft über Kalauer und Albernheiten immer sinnentleerter ins Absurde. Als „Psycho-Groteske“ haben Grissemann und Stermann den Film eingeordnet – das trifft die nachtschwarze Verzweiflungskomik ganz gut. Heinz Strunks Humor fügt sich ins Bild, hellt die Lakonie des österreichischen Duos auf und setzt, buchstäblich von der Rückbank aus, einen Kontrapunkt zur Eingespieltheit des Teams Stermann/Grissemann. „Immer nie am Meer“ ist gewissermaßen eine hoffnungslose Version von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (fd 30 169), in dem Bill Murray als zynischer Nachrichtensprecher durch stetige Wiederholung ein- und desselben Tages zum sozial verträglichen Menschen umgekrempelt wird.
Kommentar verfassen

Kommentieren