Drama | Iran 2005 | 81 Minuten

Regie: Rafi Pitts

Ein Mann in einem iranischen Dorf verlässt seine Frau und seine kleine Tochter, um sich in der Fremde Arbeit zu suchen. Als er spurlos verschwindet und nichts von sich hören lässt, tritt ein zugereister Mann an seine Stelle, dem es jedoch nicht gelingt, Fuß zu fassen. Ein Film über soziale und emotionale Erstarrungen, dessen Inszenierung in langen Einstellungen die Tristesse spiegelt. Auch dank ausdrucksstarker Laiendarsteller ist dem Film eine deprimierende Grundstimmung von Schweigen und Stillstand eingeschrieben, ebenso aber eine narrative Trägheit, die konsequent, aber phasenweise nur schwer zu ertragen ist. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ZEMESTAN
Produktionsland
Iran
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
AMA Media
Regie
Rafi Pitts
Buch
Rafi Pitts
Kamera
Mohammad Davoodi
Musik
Hossein Alizadeh · Mohammad Reza Shajarian
Schnitt
Hassan Hassandoost
Darsteller
Mitra Hajjar (Khatoun) · Ali Nicksolat (Marhab) · Hashem Abdi (Mokhtar) · Saeed Orkani (Ali Reza) · Zahra Jafari (kleines Mädchen)
Länge
81 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Es ist Winter im Spielfilm des in Frankreich lebenden iranischen Drehbuchautors und Regisseurs Rafi Pitts. Und zwar am Anfang und am Ende. Der Schnee liegt hoch in dem kleinen Dorf irgendwo in den Weiten des Irans. Alles strahlt gleichförmig weiß. Zwischen den Wintern aber, in der Zeit, die der Film überbrückt, vergeht ein Jahr. Der Winter besteht währenddessen fort, als ein sprichwörtlicher, der sich zwischen den Menschen und in deren Herzen ausbreitet. Die Zeit vergeht, die Leute bewegen sich, und doch herrscht Stillstand. Auch wenn kein Schnee fällt, bleibt die Atmosphäre eisig. Das Dorf, in dem die schöne Khatoun mit ihrem Mann Mokhtar und ihrer kleinen Tochter lebt, bietet den Menschen keine Perspektive. Es gibt kaum Arbeit, keine Alternativen. Die Menschen nehmen das hin, schweigen dazu. Ein Flirt beginnt und endet mit einem Lächeln. Selbst die Liebenden haben sich hier nichts zu sagen. Die einzige Wahl, die bleibt, scheint, das Dorf und das Land zu verlassen. Doch diese Chance haben nur die Männer. Als Mokhtar seine Arbeit verliert, hofft er, im Ausland einen Job zu finden, und verlässt seine Familie. „Du hast kein Glück mit den Männern – genau wie ich“, stellt Khatouns Mutter resigniert fest. Alles droht sich zu wiederholen, Generation für Generation, Winter für Winter. Die Frauen müssen sich allein durchschlagen. Mokhtar verschwindet aus dem Dorf und aus dem Film. Monatelang lässt er nichts von sich hören, er schickt keine Briefe, kein Geld. Alle im Dorf halten ihn für tot. Dann taucht ein neuer Mann auf der Bildfläche und in Khatouns Leben auf. Marhab, einen jungen, gutaussehenden Fremden aus dem Norden, verschlägt es ins Dorf. Durch einen Freund erhält er Arbeit in einer Autowerkstatt. Schnell hat er ein Auge auf die hübsche „Witwe“ geworfen, die seinem zähen Werben schließlich nachgibt und ihn heiratet. Das Glück jedoch ist von kurzer Dauer. Der rebellische Marhab wehrt sich gegen seinen ungerechten Chef und lässt sich vom Vorbild seines Freundes nicht beeindrucken, dem es gelingt, sich mit den Launen des Bosses zu arrangieren und ein einigermaßen zufriedenes Leben zu führen. Marhab verliert die Stelle und will nun, wie zuvor Mokhtar, sein Glück im Ausland versuchen. Erneut scheint sich das Schicksal zu wiederholen. Als Marhab aufbricht, ist es abermals Winter. Doch auf dem Weg zum Bahnhof begegnet er dem desillusionierten, invaliden Rückkehrer Mokhtar. Das unerwartete Aufeinandertreffen der Männer birgt die Chance, den ewigen Teufelskreis zu durchbrechen. Vielleicht folgt auf diesen Winter also doch noch ein – wenn auch zaghafter – Frühling. Die soziale, emotionale Starre, die das iranische Dorf bis zu diesem Moment gefangen hält, bildet Regisseur Rafi Pitts in lang andauernden, weiten Einstellungen ab. Das mit Laiendarstellern besetzte Ensemble überzeugt vielleicht gerade deshalb, weil es durch keine Kameraerfahrungen vorgeprägt ist. Pitts belässt den Darstellern ihre natürliche Ausstrahlung und entlockt ihnen gleichzeitig ergreifende, ausdrucksstarke Momente. Ali Nicsolat, der als Marhab ständig den Tränen nahe ist, wirkt nicht jämmerlich oder affektiert, sondern ehrlich verzweifelt. Melancholische Klagelieder unterstreichen die überwältigende Tristesse der Bilder. Selbst die narrative Langeweile, die angesichts von Schweigen und Stillstand nahezu unweigerlich aufkommt, fügt sich nahtlos in die deprimierende Grundstimmung des Films ein. Dennoch ist sie streckenweise nur schwer zu ertragen.
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