- | Österreich/Deutschland 2006 | 88 Minuten

Regie: Barbara Albert

14 Jahre nach ihrem Abitur treffen sich fünf ehemalige Schulfreundinnen anlässlich der Beerdigung ihres Klassenlehrers wieder. Für zwei Tage und eine Nacht wandeln die Frauen wie Fremdkörper durch ihre Vergangenheit, werden mit ihren früheren Idealen, Träumen und verpassten Chancen konfrontiert und können sich doch die Hoffnung auf einen möglichen Neuanfang erhalten. Der formal strenge, mitunter meditative Film macht die relative Ratlosigkeit seiner Protagonistinnen zum schöpferischen Inszenierungsprinzip und erzielt dadurch einen Teil seiner anrührenden Wirkung. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
FALLEN
Produktionsland
Österreich/Deutschland
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Coop 99/ORF/ZDF-arte
Regie
Barbara Albert
Buch
Barbara Albert
Kamera
Bernhard Keller
Schnitt
Karina Ressler
Darsteller
Nina Proll (Nina) · Birgit Minichmayr (Brigitte) · Kathrin Resetarits (Carmen) · Ursula Strauss (Alex) · Gabriela Hegedüs (Nicole)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
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Diskussion
Der Tod als Ausgangspunkt einer Geschichte eignet sich vortrefflich, um von den Überlebenden zu erzählen. In Barbara Alberts drittem Langfilm begegnen sich fünf ehemalige Abiturientinnen nach 14 Jahren bei der Beerdigung ihres Klassenlehrers. Gerade mal über 50 war er, und verliebt waren sie alle in ihn, die eine mehr, die andere weniger. Die kleine Gemeinde irgendwo zwischen Sankt Pölten und Graz beerdigt ihn mit den Gospel-Grüßen des Schulchors und unzähligen Marillen-Schnäpsen. Es ist der erste Absturz von vielen in diesem melancholischen Generationsporträt, das um die verlorene Jugend und das Ende der Ideale kreist. Die fünf gut 30-jährigen Frauen, die Barbara Albert in schwarzer Trauerkleidung zwei Tage und eine Nacht lang durch alte Klassenzimmer und leere Straßen wie Fremdkörper der eigenen Vergangenheit wandeln lässt, landen irgendwann auf einer feuchtfröhlichen Dorfhochzeit und zu guter Letzt in einer abgelegenen Disco, die sie noch von früher kennen. Dazwischen erwacht die alte Gruppendynamik in Gesten, Blicken und Erinnerungsfragmenten zum neuen Leben: Während die eine immer noch zum politischen Kampf aufruft, schwelgt die andere in vergangenen erotischen Rivalitäten, lästert und stichelt oder redet schlicht an den anderen vorbei. Die Zeit scheint seltsam angehalten, und doch sind die angedeuteten Biografien der Frauen in dieser zärtlichen Schauspielerinnen-Hommage genug auseinander gelaufen, um die Vergänglichkeit spürbar zu machen. Die Schauspielerin, die Lehrerin, die Arbeitsamtsangestellte, die hochschwangere Arbeitslose und die drogensüchtige Mutter – sie bilden das mit Nina Proll, Kathrin Resetarits, Ursula Strauss, Gabriela Hegedüs und Birgit Minichmayr wunderbar besetzte Ensemble einsamer Durchschnittsfrauen, die im Spiegelbild ihrer Jugendfreundinnen zu einer ersten ernüchternden Bilanz ihres Lebens ansetzen. Die Weichen sind längst gestellt, und doch scheinen die fünf nicht ganz zu verstehen, wie sie den einen Weg einschlagen konnten. Je höher der Alkoholpegel steigt, desto mehr entlädt sich der Frust über den Status quo, nicht erfüllte Träume, vergebliche Versuche und verpasste Chancen in Tränen und wüsten Handlungen. Dazu gehört ein überflüssiger Striptease zum peinlichen Konserven-Techno ebenso wie der riskante Flirt mit einem Ex oder der schnelle Sex auf dem Klo. Angesiedelt in der österreichischen Provinz, lässt die 1970 geborene Regisseurin allzu vorhersehbar die Langeweile der Orte triumphieren, die sich nur mit ziellosen Autofahrten und Stopps am Lagerfeuer vergessen lässt. Und doch ist genau diese Banalität des Wiedersehens zugleich auch rührend. So, wie es Zeit braucht, bis die Masken fallen und die Wunden sichtbar werden, bedarf es auch Geduld, um den jegliche Gefälligkeit verweigernden Rhythmus aus Zwischenschnitten, spröden Gesangseinlagen und meditativ angehaltenen Naturbildern à la Antonioni zu genießen. Besonders eindrucksvoll sind formal die Fotografien, mit denen der Film für kurze Momente zum Stillstand kommt und eine Vorschau auf kommende Ereignisse bietet. Ein fernes Echo jugendlichen Weltschmerzes liegt auf diesen Bildern und der Zauber der Hoffnung und des möglichen Neuanfangs. Im Vergleich zum düster schicksalsträchtigen Vorgänger „Böse Zellen“ (fd 36 427) ist das ein beachtlicher Stimmungswechsel. Dass Barbara Albert zum Schluss ausgerechnet mit dem Protest-Song der US-Bürgerrechtsbewegung „We Shall Overcome“ zum Bild eines Baums mit sanft schwingenden Blättern den Abspann laufen lässt und so das Glück in Revolutionsfanfaren zu verorten glaubt, lässt einen ein wenig ratlos zurück. Ohnehin befremdet der Ernst, mit dem sie ihre eher ironieverliebte als utopieverdächtige Generation seziert. Aber weil Ratlosigkeit eben auch zum Lebensgefühl der Porträtierten gehört, nimmt man sie als passenden Schlussakkord gerne mit auf den Weg.
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