Das Geisterhaus (1993)

Drama | Deutschland/Dänemark/Portugal 1993 | 146 Minuten

Regie: Bille August

Über einen Zeitraum von fast 50 Jahren erstreckt sich diese Chronik über den Aufstieg und Niedergang einer chilenischen Familie. Im Zentrum steht ein aus eigener Kraft zum reichen Mann aufgestiegener Gutsbesitzer, der ins Räderwerk privater und politischer Ereignisse gerät. Die aufwendige Verfilmung des Bestseller-Romans von Isabel Allende verfügt über betörend schöne Landschaftspanoramen sowie ein außergewöhnliches Aufgebot an internationalen Stars. Ihr fehlt jedoch die überbordende Fabulierlust der Vorlage, so daß der Film in allzu deutlich berechneter äußerer Schönheit erstarrt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE HOUSE OF SPIRITS
Produktionsland
Deutschland/Dänemark/Portugal
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Neue Constantin/House of Spirits Films/Costa do Castelo Filmes
Regie
Bille August
Buch
Bille August
Kamera
Jörgen Persson
Musik
Hans Zimmer
Schnitt
Janus Billeskov Jansen
Darsteller
Jeremy Irons (Esteban) · Meryl Streep (Clara) · Glenn Close (Férula) · Winona Ryder (Blanca) · Antonio Banderas (Pedro)
Länge
146 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Literaturverfilmung

Heimkino

Verleih DVD
VCL (2.35:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Ein klappriger VW-Käfer bewegt sich durch eine grandiose Landschaft und zieht eine Staubwolke hinter sich her. Am Steuer eine junge Frau, auf dem Beifahrersitz ein alter Mann, in dessen Gesicht das Leben deutliche Spuren hinterlassen hat. Sie erreichen ein verlassenes Gehöft, betreten einen Raum, dessen prachtvolles Mobiliar mit weißen Laken drapiert ist. Der Mann läßt seinen Blick über das erlesene Interieur schweifen und murmelt: "Schön - wieder zu Hause." Knapp 140 Minuten später, dieselbe Sequenz: die Landschaft, der Käfer, die Frau, der Mann, das Haus.

Ein filmischer Rahmen, wie er klassischer kaum sein könnte. Bille August verpackt darin seine Adaption des Bestsellers von lsabel Allende "Das Geisterhaus", die Geschichte vom Aufstieg und Niedergang einer chilenischen Familie über einen Zeitraum von rund 50 Jahren, die geprägt wird vom Schicksal des Esteban Trueba. Als Jugendlicher aus armen Verhältnissen verliebt er sich in Rosa und schuftet jahrelang in einem fernen Bergwerk, um seiner Angebeteten später ein standesgemäßes Leben bieten zu können. Doch just am Tag seiner Rückkehr fällt seine Geliebte versehentlich einem Giftanschlag zum Opfer. Verzweifelt zieht Esteban aufs Land, kauft ein halbverfallenes Gehöft, kompensiert seine Trauer mit unbändigem Ehrgeiz und verwandelt seinen Besitz binnen kürzester Zeit in ein florierendes Landgut. Zum mächtigsten Mann der Gegend aufgestiegen, heiratet er Rosas jüngere Schwester Clara, eine geheimnisvolle Schönheit, die über übersinnliche Kräfte verfügt. Clara wird schwanger, und die Tochter, Blanca, wird just an dem Tag geboren, als Claras Eltern bei einem Autounfall ums Leben kommen. Die Jahre gehen ins Land, und Blanca wächst zu einem selbstbewußten Teenager heran, der sich schließlich ausgerechnet in Pedro verliebt, einen jungen Landarbeiter, der Estebans Bauern zum Streik aufwiegelt. Die politischen Verhältnisse geraten im ganzen Land in Bewegung. Der Traditionalist Esteban läßt sich von den Konservativen als Kandidat aufstellen, kann jedoch den Wahlsieg der Sozialisten nicht verhindern. Doch schon bald macht ein Militärputsch dem sozialistischen Traum ein jähes Ende. Als seine Tochter wegen ihrer Verbindung zu Pedro vorübergehend verhaftet und gefoltert wird, sieht sich Esteban, der anfangs mit den Militärs sympathisierte, um seine Ideale betrogen.

Soweit in Kürze der Plot dieses Filmepos. Gemessen an der Romanvorlage nimmt sich das Figurenensemble zwar geradezu bescheiden aus, und erscheint die Handlung enorm gestrafft, aber genügend Stoff für einen grandiosen Film bliebe allemal. Nur, ein grandioser Film ist diese "Geisterhaus" -Adaption keinesfalls geworden. Nicht einmal ein großer. Und das nicht zuletzt, weil er über zweieinhalb Stunden den Vorsatz durchscheinen läßt, großes Kino sein zu wollen. Gewiß, da gibt es betörend schöne Landschaftstotalen zu bewundem. (Gedreht wurde nicht in Südamerika, sondern in Portugal.) Wie da eine dampfende Lokomotive durch eine sattgrüne Hügellandschaft schnauft, vermag - eine entsprechend große Leinwand vorausgesetzt - sicherlich nicht nur Eisenbahnfreunde zu verzücken. Doch mit zunehmender Dauer des Films beschleicht einen der Eindruck, dem Resultat eines ebenso cleveren wie schnöden Kalküls beizuwohnen. Man nehme: einen weltweiten Bestseller als Vorlage, einen nicht übermäßig profilierten, aber hochdekorierten Regisseur, der bislang vor allem durch "schöne" Filme hervorgetreten ist, und last not least eine Heerschar von internationalen Star-Schauspielern, deren jeweilige Fan-Gemeinden dem Unternehmen aller Voraussicht nach allein schon zum Erfolg verhelfen werden. Allesamt spielen sie ihre Parts in professioneller Manier. Wie Jeremy Irons als jugendlich-wilder Heißsporn über die Steppe galoppiert und nur 140 Filmminuten später - mit kongenialer Unterstützung der Maske - als alter Mann zaghaft einen Fuß vor den anderen setzend durchs Zimmer schleicht, ist eine schauspielerische Glanzleistung. Und die anderen Leinwandheroen stehen ihm da kaum nach. (Lediglich der huldvolle bis schmachtende Blick, den Meryl Streep ihrer Clara verleiht, ist auf Dauer nicht ohne Penetranz.)

Star-Kino. Nun ließe sich sicherlich über die Frage spekulieren, wieviele Superstars ein Film verträgt, ohne Gefahr zu laufen, daß sie sich in ihrer Wirkung gegenseitig neutralisieren. Doch das eigentliche Ärgernis besteht darin, daß Bille Augusts Regie jegliche Originalität im Sinne einer eigenen Handschrift vennissen läßt. Das enorme schauspielerische Potential bleibt weitgehend ungenutzt. Stattdessen beschränkt sich August vornehmlich darauf, dieses Star-Ensemble möglichst effektvoll und plakativ abzulichten. Die Dominanz von Großaufnahmen der berühmten Konterfeis, kombiniert mit pittoresken Landschaftstotalen und erlesenen Dekors in sanften Braun- und Gelbtönen, entzieht der Geschichte so ziemlich jede Vitalität, lahmt die Erzählung bisweilen bis zum Stillstand und läßt den Film schließlich in Schönheit ersterben. Selbst eine handfeste Vergewaltigung wird da, in ein sanftes Gegenlicht getaucht, noch zu einer ästhetisch geschmackvollen Sequenz. Für lsabel Allendes bisweilen überbordende Fabulierlust fehlt jedes filmische Pendant. Claras übersinnliche Begabung wird hier und da - durchaus augenzwinkernd - mit einem schwebenden Tischchen illustriert, und die Wahlparty der siegreichen Sozialisten bietet einige Minuten lang Massenszenen des Freudentaumels, aber das ist es dann auch fast schon an filmisch Bemerkenswertem. Lediglich jene Sequenz, in der Bille August den Trauermarsch zu Claras Beerdigung nahtlos in einen Trommelwirbel der sich anbahnenden Militärdiktatur übergehen läßt, verrät so etwas wie filmische Kreativität. Gemessen an den 37 Millionen DM, die Produzent Bernd Eichinger hier investiert hat, und bei dem künstlerischen Potential, das da vor der Kamera stand, ist es denn doch ein bißchen dürftig.

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