Lars und die Frauen

Tragikomödie | USA 2007 | 107 Minuten

Regie: Craig Gillespie

Ein junger Mann verschenkt sein Herz an eine Sexpuppe und bringt sie mit in das Haus seines Bruders, wo er sie als seine brasilianische Freundin vorstellt. Nach anfänglichem Entsetzen integrieren die Beteiligten das ungewöhnliche Paar in ihren Alltag und versuchen behutsam, dem Puppenfreund zurück in die Realität zu helfen. Die tragikomische, anteilnehmende Beschreibung eines Sonderlings sorgt für amüsante Irritationen, strapaziert in der Zeichnung der Protagonisten aber bisweilen zu sehr die Glaubwürdigkeit ihres Sujets. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LARS AND THE REAL GIRL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Sidney Kimmel Ent.
Regie
Craig Gillespie
Buch
Nancy Oliver
Kamera
Adam Kimmel
Musik
David Torn
Schnitt
Tatiana S. Riegel
Darsteller
Ryan Gosling (Lars Lindstrom) · Emily Mortimer (Katrin) · Paul Schneider (Gus) · Kelli Garner (Margo) · Lauren Ash (Holly)
Länge
107 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Tragikomödie
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit einer im Film nicht verwendeten Szene (1 Min.).

Verleih DVD
Fox (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Gus Lindstrom hat vollkommen recht, wenn er fassungslos feststellt, dass sein jüngerer Bruder verrückt geworden sei. Denn Lars hat ihm und seiner Frau Karin soeben eine Sexpuppe ins Haus geschleppt und diese allen Ernstes als seine Freundin vorgestellt, die aus Brasilien angereist sei, Bianca heiße und als Missionarin arbeite. Entsprechend nachvollziehbar sind die entgeisterten Blicke, mit denen Gus und Karin reagieren, als sie der leblosen Besucherin im Wohnzimmer gegenüber sitzen. Zugleich lassen sie den anschließenden Gegenschuss, in dem das Kinopublikum Bianca erstmals selbst zu Gesicht bekommt, umso amüsanter wirken, und in ähnlicher Weise haben auch die sprachlosen Reaktionen weiterer Nebenfiguren, die Regisseur Craig Gillespie in der Folge einstreut, einen trocken-komischen Effekt. Doch wenn dieser Independentfilm dazu einlädt, den Blick der Umwelt auf seinen Protagonisten zu teilen, ist damit nur im Ausnahmefall amüsante Irritation beabsichtigt, denn letzten Endes will „Lars and the Real Girl“ sein Publikum zu wohlfeiler Rührung bewegen. Die Grundidee des Drehbuchs von Nancy Oliver erinnert nicht zufällig an „Mein Freund Harvey“ (fd 1 367), Henry Kosters Hollywoodklassiker von 1950, dessen Hauptfigur sein kleinstädtisches Umfeld ebenfalls wie selbstverständlich mit einer erfundenen Person – in dem Fall mit einem unsichtbaren, angeblich mannshohen weißen Hasen – konfrontierte. Lars wird als Eigenbrötler eingeführt, der sich hartnäckig sowohl den freundlichen Einladungen seiner hochschwangeren Schwägerin entzieht als auch den schüchternen Avancen einer Kollegin. Mit den pornografischen Interessen eines Kollegen will er ebenso wenig behelligt werden, doch es ist offenbar der unerwünschte Hinweis auf eine Sexshop-Website, der ihn zum Online-Kauf von „Bianca“ veranlasst. Als Gus und Karin die Begegnung mit dieser Gummipuppe einigermaßen verdaut haben, bewegen sie Lars mit der Behauptung, dass Bianca wegen der langen Anreise geschwächt sei, zu einem Arztbesuch. Und während sie vorgibt, Bianca zu behandeln, beginnt die konsultierte Ärztin in regelmäßigen Therapiestunden, vorsichtig einige traumatische Kindheitserlebnisse von Lars anzusprechen, an denen offenbar Karins Schwangerschaft gerührt hat. Wie zwei Dialogsätze andeuten, steht das trübe Winterwetter, das die Außenaufnahmen von Kameramann Adam Kimmel dominiert, sinnbildlich für den Seelenzustand von Lars. Die auffällige modische Tristesse, die das Erscheinungsbild der Filmfiguren prägt, lässt indes erahnen, dass diese Bewohner einer Kleinstadt im amerikanischen Mittleren Westen nichts auf Äußerlichkeiten geben. Und darin liegt der entscheidende Unterschied dieses Films zum filmhistorischen Vorbild: Denn während in „Harvey“ der Spleen der von James Stewart gespielten Hauptfigur die Beschränktheit und latente Verrücktheit der Normalbevölkerung offenlegte, beweisen Lars’ Mitmenschen geradezu Engelsgeduld. Weil die Ärztin es für ratsam hält, dass sein Umfeld Bianca als reale Person behandele, führt Lars die Gummipuppe – im Rollstuhl – bald ungehindert zum Kirchgang sowie zum Partybesuch aus. Wenn sich dabei die realistische Erwartung, dass es irgendwann zum peinlichen Eklat kommen müsste, nicht erfüllt, mag man das rührend finden. Man mag es, im Gegenteil, aber auch etwas billig finden, dass die schier grenzenlose Nachsicht, die dieser Film zelebriert, letztlich einer papiernen Kunstfigur gilt, die mit realen Personengruppen, die in einem provinziellen Milieu Anstoß wecken könnten, wenig gemein hat. Deshalb muss man Paul Schneider dankbar sein, denn obwohl der von ihm gespielte Gus schnell guten Willen beweist, spiegelt sich auf dem Gesicht des Darstellers bis zum Schluss ein Befremden, das wohlbegründet ist – bei ungerührter Betrachtung ist Lars nämlich schlicht plemplem.
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