Michael Clayton

Thriller | USA 2007 | 120 Minuten

Regie: Tony Gilroy

Ein Star-Anwalt dreht durch und stellt sich auf die Seite der Kläger, gegen die er einen Chemie-Konzern verteidigen soll. Sein Freund und Kollege wird damit beauftragt, den labilen Juristen daran zu hindern, seinem Mandanten Ärger zu machen, womit er in einen Konflikt zwischen seiner Freundschaft, seinem Job und dem eigenen Moralempfinden gerät - und in tödliche Gefahr, als die Verantwortliche des Konzerns nervös wird und Killer auf die Spur des Anwalts setzt. Intelligent geschriebener, unaufdringlich raffiniert inszenierter und darstellerisch brillanter Thriller um Menschen in den Verstrickungen inhumaner (Wirtschafts-)Strukturen, die um ihre persönliche Integrität ringen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MICHAEL CLAYTON
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Castle Rock Ent./Samuels Media/Mirage Ent./Section Eight
Regie
Tony Gilroy
Buch
Tony Gilroy
Kamera
Robert Elswit
Musik
James Newton Howard
Schnitt
John Gilroy
Darsteller
George Clooney (Michael Clayton) · Tom Wilkinson (Arthur Edens) · Tilda Swinton (Karen Crowder) · Sydney Pollack (Marty Bach) · Michael O'Keefe (Barry Grissom)
Länge
120 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Thriller
Externe Links
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Heimkino

Die Extras von DVD und BD umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs und des Cutters sowie ein kommentiertes Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen (5 Min.).

Verleih DVD
Constantin/Highlight (16:9, 2.,35:1, DD5.1 engl./dt., dts dt.)
Verleih Blu-ray
Constantin/Highlight (16:9, 2.35:1, dts-HD engl./dt.)
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Diskussion
Es beginnt des Nachts in einem New Yorker Geschäftsviertel: Eine Stimme aus dem Off, die man später als die des Anwalts Arthur Edens erkennen wird, setzt zu einem fiebrigen Monolog an, mit dem der Mann das System beschimpft, in dem er lebt und arbeitet. Edens ist Star-Anwalt einer renommierten Kanzlei. Einer von deren wichtigsten Klienten ist der Chemie-Riese U-North. Der Konzern hat eine Klage von Farmern am Hals, die wegen fataler Nebenwirkungen eines Pflanzenschutzmittels Regress-Ansprüche stellen. Gerade war Edens kurz vor dem Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs, doch dann dreht er durch: Nicht nur, dass er sich nackt auf einem Parkplatz gezeigt hat, er schlägt sich auch noch auf die Seite der Kläger und will selbst dafür sorgen, dass U-North zur Rechenschaft gezogen wird. Michael Clayton arbeitet für dieselbe Kanzlei wie Edens, und zwar, wie er selbst sagt, als „Janitor“, also als derjenige, der für die Kunden den Dreck wegräumt, dies nicht immer mit legalen Mitteln. Die Ideale, die er noch verfolgte, als er in der Staatsanwaltschaft arbeitete, sind dabei ebenso vor die Hunde gegangen wie eine Ehe, aus der ihm ein kleiner Sohn geblieben ist. Nun soll Clayton dafür sorgen, dass Edens, mit dem er befreundet ist, keinen Ärger macht. Das erweist sich als äußerst schwierig, denn Edens weigert sich ebenso hartnäckig, seine Psychopharmaka zu nehmen, wie er es ablehnt, von seiner „irren“ Leidenschaft für die Gerechtigkeit (und für ein blondes Opfer des Pflanzengifts) zu lassen. Clayton gerät in eine Zwickmühle: Er will Edens nicht in den Rücken fallen, gleichzeitig aber seinen Job nicht aufs Spiel setzen, weil er aufgrund alter Schulden auf das Geld angewiesen ist. So bemüht er sich, eine Eskalation zu verhindern. Doch Karen Crowder, die Verantwortliche bei U-North, wird nervös und setzt Killer auf Edens an. Michael kommt nicht mehr umhin, sich für eine Seite zu entscheiden. Tony Gilroys Regiedebüt ist ein nahezu perfekter Thriller: intelligent geschrieben, unaufdringlich raffiniert inszeniert, brillant besetzt. Das Thema erinnert an Gilroys Drehbücher für „Im Auftrag des Teufels“ und die „Bourne“-Reihe: Es geht um Menschen im Netz inhumaner Institutionen und Strukturen, ums Ringen um die eigene Integrität und die eigene Persönlichkeit, die von diesen zersetzt zu werden drohen. Zwar gibt es auch in „Michael Clayton“ Verfolgungsjagden, Mordanschläge und Explosionen; die Action-Elemente treten aber hinter die Charaktere zurück, deren Entwicklungen und innere Konflikte die eigentliche Suspense des Films bestimmen. George Clooney meistert mit gewohnter Souveränität seinen Part als desillusionierter Held in der Tradition der „Hard- boiled“-Detektive; zu wahren Glanzleistungen laufen (dank Gilroy, der ihnen den Raum gibt, ihre Figuren jenseits von Genre-Klischees mit Leben zu füllen) indes Tilda Swinton und Tom Wilkinson auf: Swinton gibt die Vertreterin des Konzerns weniger als „Eiskönigin“ denn als ehrgeizige Frau, die jenen Druck weiter gibt, unter dem sie selbst steht. Eingeführt wird sie in einer Szene einer Büro-Toilette, wo sie, vor Aufregung mit Schweißflecken unter den Achseln, um Fassung ringt: Man kann sich nur zu gut vorstellen, wie hart sie um die Karriere in der männlich dominierten Chefetage zu ringen hat. Tom Wilkinson wiederum legt in seiner Rolle als psychotischer Kreuzritter einen großartigen Balanceakt hin: mal eine schiere Naturgewalt in seinem Eifer, mal von füchsischer Schlauheit, wenn der ehemalige Star-Anwalt durchschimmert, mal Mitleid erregend – eine Figur, deren Wahnsinn die behäbige Körperlichkeit des Schauspielers vibrieren lässt und Edens als eine moderne Symbiose von Hamlet und Don Quijote erscheinen lässt. Der Geist großer Genre-Vorbilder, etwa der Filme von Sidney Lumet („Prince of the City“, fd 24 068), Alan J. Pakula (Klute“, fd 17 581) ) oder Sydney Pollack („Die drei Tage des Condors“, fd 19 592; „Die Firma“, fd 30 467) ist dem Film deutlich anzumerken (Pollack ist sogar in einer Nebenrolle vertreten). Allerdings gibt Gilroy seiner Geschichte zusätzlich einen mysteriösen Twist: Da ist am Anfang eine Szene, die einen der Höhepunkte vorweg nimmt, bevor in der Timeline wieder vier Tage zurück gesprungen wird: Clayton ist an einem grauen Morgen in seinem Auto in einer ländlichen Gegend unterwegs. Als er auf einem Hügel drei Pferde grasen sieht, scheint ihn der Anblick seltsam zu be_rühren; er stoppt, steigt aus und geht auf die Tiere zu. Das rettet ihm das Leben: Hinter ihm lässt eine Autobombe seinen Wagen explodieren. Warum der Anblick der Tiere Clayton so fesselt, wird an später im Film deutlich: Sie erinnern ihn an eine Abbildung in einem (für den Film erfundenen) Fantasy-Buch seines Sohns: „Realm and Conquest“, in dem es um Figuren geht, die alle einer „Vision“ folgen, ohne voneinander zu wissen. Auch für Edens spielt das Buch im Kampf gegen U-North eine Rolle. Ist das ein romantischer Impuls, der hier aufscheint? Man muss heutzutage jedenfalls wohl ein Narr oder ein Kindskopf sein, wenn man glaubt, gegen die gut geölte Macht- und Geld-Maschinerie moderner Wirtschaftsstrukturen ritterlich antreten zu können. Oder Shiva, der Gott des Todes.
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