Eine ausgedehnte Konzerttour der Berliner Philharmoniker durch asiatische Metropolen nimmt die Dokumentation zum Anlass, zusammen mit den Musikern und ihrem Dirigenten auf die Suche danach zu gehen, was den Organismus "Orchester" funktionieren lässt. Faszinierende Einzelgespräche, musikalische und persönliche Selbsterkenntnisse sowie Proben- und Konzertsituationen werden dabei mit beliebigen Impressionen fremder Kulturen kompiliert, die dem Konzept des Films eher entgegenstehen. So konkurriert das faszinierende Erlebnis künstlerischen Schaffens mit der ernüchternden exotistischen Rahmenhandlung, die dem Film ein Stück seiner Eindrücklichkeit raubt.
- Ab 12 möglich.
Trip To Asia - Die Suche nach dem Einklang
Musikfilm | Deutschland/Großbritannien 2008 | 108 Minuten
Regie: Thomas Grube
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Filmdaten
- Originaltitel
- TRIP TO ASIA
- Produktionsland
- Deutschland/Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2008
- Regie
- Thomas Grube
- Buch
- Thomas Grube
- Kamera
- Anthony Dod Mantle · René Dame · Alberto Venzago · Stefan Ciupek
- Musik
- Simon Stockhausen
- Schnitt
- Martin Hoffmann
- Länge
- 108 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 12 möglich.
- Genre
- Musikfilm | Dokumentarfilm
Heimkino
Diskussion
Die „Suche nach dem Einklang“ ist sicher einer der spannendsten Prozesse im Musikgeschäft. Die Vorstellung, aus 126 Instrumenten und 126 Individualisten mittels einer Partitur und eines Dirigenten ein musikalisches Ereignis wie die „Eroica“ von Beethoven oder das „Heldenleben“ von Strauss zu schaffen, grenzt eigentlich an Unmöglichkeit. Und dennoch gelingt es immer wieder auf den Konzertbühnen der Welt – mal mäßig und mal meisterlich. Die Berliner Philharmoniker haben sich in ihrer 125-jährigen Geschichte den Rang eines der bedeutendsten Orchester der Welt erspielt; kein Wunder, dass man hier bei der Suche nach dem Einklang in besonderer Art und Weise fündig werden kann. Thomas Grube, der zusammen mit Enrique Sánchez schon „Rhythm is it!“ realisierte und als Freund und Kenner des Orchesters gilt, hat sich zur Aufgabe gemacht, diesen Prozess zu begleiten. Zumindest möchte man das glauben, wenn man über die 108 Minuten seines neuen Films das Orchester bei Proben, in der Freizeit, in der Anspannung des Konzerts, in der Regeneration danach, in Euphorie und Findungskrise beobachten darf. Doch der Film verspricht nur im Untertitel die „Suche nach dem Einklang“ und heißt „Trip To Asia“: Thomas Grube begleitet den riesigen Tross aus Musikern, Managern und Entourage auf einer sechs Stationen umfassenden Tour durch die Metropolen des fernen Ostens.
Die Klammer für die Musik-Dokumentation ist also der Exotismus: Beobachtungen des geschäftigen Markttreibens in Bejing, der fremden Menschen und des ganz eigenen Pulses asiatischer Millionenstädte zwischen Tradition und Moderne werden zwischen die Bilder der Orchester-Arbeit montiert und mit der mal poppigen, mal esoterischen Filmmusik von Simon Stockhausen verbunden. Zum alltäglichen Umgang der Musiker miteinander kommen die erschwerten Randbedingungen einer stressigen Tournee. Doch dieser dramaturgische Rahmen erweist sich schon bald als Hemmschuh, denn wirklich Substanzielles erfährt der Zuschauer hier nicht. Allenfalls ein freier Tag weckt Interesse, an dem man plötzlich die Menschen hinter den Musikern entdeckt, die sich als passionierte Entomologen entpuppen und im Hotelgarten auf Schmetterlingsjagd gehen oder ihre Klappfahrräder aus den Koffern holen und die Millionenstadt in Richtung unberührte Natur verlassen. Am Ende des Films gibt es sogar noch ein wenig Pop-Star-Feeling, wenn das Orchester in Taipei plötzlich mit 30.000 jubelnden Fans konfrontiert wird. Doch das alles ist „nur“ Patchwork, nur oberflächlicher – wenn auch kurzweiliger – Ballast. Denn eigentlich geht es dem Film um etwas anderes, nämlich um das Wunder – wie es Dirigent Simon Rattle im Film ausdrückt –, dass es einer Gruppe von extrem spezialisierten Künstlern immer wieder gelingt, sich auf einem ausgesprochen hohen Niveau bedingungslos einem Ganzen unterzuordnen. Auf der Spurensuche nach diesem Wunder hat „Trip to Asia“ seine stärksten Momente. Wenn in Einzelgesprächen deutlich wird, wie ein Musiker „tickt“, was für Sorgen und Ängste ihn plagen, was es ausmacht, in dieser traditionellen Bastion „Berliner Philharmoniker“ zu spielen, erst dann glaubt man, dem Einklang auf der Spur zu sein. Wenn dann Simon Rattle mit den Musikern solch abstrakte Stücke wie „Asyla“ des Modernisten Thomas Adès probt und klar wird, wie aus Klang-Clustern dennoch ein rauer Wohlklang werden kann, dann nimmt man ein wenig an dem beschworenen Geheimnis teil. Doch immer, wenn es besonders spannend wird, muss der Film weiter. So verhallen die starken Statements eines Musikers, er sei kein Künstler, sondern nur Reproduzierender, ebenso wie der Lärm der Geschäftigkeit in den Straßen von Tokio – und das ist schade! Irgendwie erscheint „Trip To Asia“ wie die augenblicklich ins Kino geschobenen Extrakte der atemberaubenden Naturserien aus dem Fernsehen: faszinierend, aber unbefriedigend. Kann man bei „Deep Blue“ oder „Unsere Erde“ wenigstens noch auf die tagfüllenden Mehrteiler ausweichen, um seinen Wissensdurst zu stillen, gelingt das bei „Trip To Asia“ nicht. So bleibt nur die Hoffnung, dass das hier nur der „Pilotfilm“ war für viele weitere spannende Einsichten auf der langen „Suche nach dem Einklang“.
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