Paranoid Park

Drama | USA/Frankreich 2007 | 85 Minuten

Regie: Gus Van Sant

Ein 16-Jähriger aus Portland, der nur beim Skateboard-Fahren seine Erfüllung findet, lässt sich von der Idee begeistern, auf Frachtzüge aufzuspringen, wobei er den Tod eines Wachmanns verschuldet. Ohne mit jemandem darüber zu sprechen, will er sein bisheriges Leben weiterführen. Eine irritierende Studie der Langeweile, Desorientierung und der erschreckenden Abwesenheit von Empathie und Moralität. Ebenso beiläufig wie souverän inszeniert, dazu kongenial fotografiert, erschwert die diskontinuierliche Erzählstruktur des Jugenddramas die assoziativen Zugänge zum Verstehen des Protagonisten. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
PARANOID PARK
Produktionsland
USA/Frankreich
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
MK2/Meno Films/Centre National de la Cinématographie
Regie
Gus Van Sant
Buch
Gus Van Sant
Kamera
Christopher Doyle · Rain Kathy Li
Schnitt
Gus Van Sant
Darsteller
Gabe Nevins (Alex) · Taylor Momsen (Jennifer) · Jake Miller (Jared) · Daniel Liu (Det. Richard Liu) · Lauren McKinney (Macy)
Länge
85 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Pierrot Le Fou (FF, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Anfang des Jahrzehnts kehrte Gus Van Sant nach einem kommerziell erfolgreichen Abstecher ins Hollywoodkino mit seiner Trilogie des Todes wieder zu den Anfängen eines unabhängig produzierten Autorenkinos zurück – zurück zu einem Kino, das sich nicht um filmische Konventionen und Genres kümmert, zurück zu kleinen Budgets, Laiendarstellern und einer von Ellipsen, zeitlichen Verschiebungen und Wiederholungen bestimmten Erzählweise, die zu seiner unverkennbaren Handschrift geworden ist. „Last Days“ (fd 37 428) etwa erzählte entgegen den Konventionen des Biopic die letzten Tage eines an Kurt Cobain angelehnten Rockstars als ein langsames und gänzlich undramatisches Verschwinden, als Stillstand und Ereignislosigkeit. Konsequent widersetzte sich der Film einer Annäherung an die Figur und damit einer Erklärung für deren selbst gewählten Tod. Diese Form der „distanzierten Nähe“ findet sich auch in „Paranoid Park“, einem Coming-of-Age-Drama, das seine Hauptfigur geradezu ikonisch in den Mittelpunkt rückt, diese aber gleichzeitig ein Stück weit von der Geschichte abtrennt. Zunächst suggeriert eine Off-Erzählung aus der Ich-Perspektive Einfühlung und Miterleben. Alex, ein junger Skater, schreibt einen Brief an sich selbst – es ist die rein faktische Rekonstruktion einer traumatischen Samstagnacht, die mit einem durch ihn verursachten tödlichen Unfall endete. Das nächtliche Ereignis wird in mehreren Anläufen angesteuert, ganz so, als führten Erinnerung und Verdrängung einen stillen Kampf miteinander. Dabei setzt der ganz gewöhnliche Adoleszenzalltag keineswegs aus: die bevorstehende Scheidung der Eltern, das Desinteresse für seine schöne Cheerleader-Freundin, das Unbeteiligt-Sein beim Sex. Inmitten dieser sehr beiläufig geschilderten Erlebnisse erhebt sich das geradezu mythische Zentrum des Films, ein illegal errichteter Skaterpark unter einer Brücke, für den man niemals wirklich „bereit“ sei, wie es einmal heißt („You are never really ready for Paranoid Park“). Dieser ebenso anziehende wie unheimliche Ort ist eine Art autonomes Territorium für Dropouts und schon etwas ältere, „wilde“ Skater. Doch dann, wenn diese auf den Pipes ihre Bahnen ziehen und sich schwerelos in die Luft erheben, verwandelt sich das unwirtliche Areal in ein Zauberland. Alex’ Eintauchen in die Welt des Paranoid Park wird als eine Art Initiation inszeniert, die unterschwellig erotisch aufgeladen ist, die verhängnisvolle Einladung eines Skaters, auf einem fahrenden Frachtzug zu „surfen“, gleicht einer Verführung. Auch wenn die Geschichte durch Alex erzählt wird, eröffnet der Film keinen Einblick in sein subjektives Erleben. Die Erzählstimme ist vielmehr eines von mehreren Elementen einer filmischen Collage, zu der auch die auf Super-8 gedrehten Skaterszenen gehören, Zeitlupen und Zeitraffer sowie der sehr unorthodox zusammengestellte Soundtrack, von Beethoven bis hin zu dem Fellini-Komponisten Nino Rota. Häufig arbeitet die Musik sogar vehement gegen das Bild, etwa wenn Alex’ Gang durch die Schulflure zum Verhör von Billy Swans „I Can Help“ begleitet wird. So sehr sich die Kamera auch der Figur annähert, sie dringt nicht zu ihrem Inneren durch – Alex’ porzellanartiges Gesicht bleibt bis zuletzt eine Projektionsfläche, gleichzeitig voller Bedeutung und Leere. Auf diese Weise wird Adoleszenz in „Paranoid Park“ als ein Zustand der Abgetrenntheit – und letztlich auch Autonomie – erzählt. Für Alex besteht die Schwierigkeit weniger in der Verarbeitung seiner Schuld, als darin, die Verbindung zur Außenwelt überhaupt herzustellen. Dieses Begehren realisiert sich allein beim Skaten; ausgerechnet dann, wenn die Bodenhaftung verloren geht.
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