Secret Sunshine

- | Südkorea 2007 | 142 Minuten

Regie: Lee Chang-dong

Eine junge Frau versucht nach dem Tod ihres Mannes einen Neuanfang, verfällt aber in tiefe Agonie, als ihr kleiner Sohn ermordet wird. In der Bekehrung zu einem evangelikalen Christentum schöpft sie neuen Lebensmut, wird jedoch auf eine harte Probe gestellt, als auch der Mörder gläubig wird. Ein komplexes, meisterlich inszeniertes Drama um Verlust, Trauer und die Suche nach Vergebung und Erlösung. Der dezidiert religionskritische Film ist weniger an einer ideologischen Debatte als am Schicksal seiner leidgeprüften Figur interessiert, die durch Humor und Mitmenschlichkeit aus ihrer Krise findet. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SECRET SUNSHINE | MILYANG
Produktionsland
Südkorea
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
CJ Ent./Cinema Service/Pine House Film
Regie
Lee Chang-dong
Buch
Lee Chang-dong
Kamera
Cho Yong-kyou
Musik
Christian Basso
Schnitt
Hyun Kim
Darsteller
Jeon Do-yeon (Shin-ae Lee) · Song Kang-ho (Jong-chan Kim) · Yeong-jin Jo · Mi-kyung Kim · Yeong-jae Kim
Länge
142 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Diskussion
Das erste Bild: ein tief blauer, von wenigen Wolken durchzogener Himmel. Man kann sich einsehen, einfühlen, ohne sogleich zu verstehen, woher die gedämpften Geräusche oder die Eintrübungen an den Rändern stammen. Es liegt eine Spannung in dieser Aussicht, irgend etwas zwischen Zufriedenheit, Resignation und Bedrohung. Ähnliches gilt für die Wiederholung dieser Einstellung nach etwa einer halben Stunde, nur mit dem Unterschied, dass deren Bedeutung jetzt dramatisch zugespitzt ist: als die sich kurz darauf bestätigende Ahnung einer Mutter, deren Kind ermordet wurde. Die Differenz ist enorm – und zugleich minimal, da im Rückblick nun auch die Eröffnung in einem eindeutigeren Licht gelesen werden kann, durch das Folgende aber beständig weiter modifiziert werden muss. „Secret Sunshine“, der vierte Film des Koreaners Lee Chang-Dong, ist ein komplexes Drama um Verlust, Trauer und die Suche nach Vergebung und Erlösung, das eine geduldige Wahrnehmung verlangt, um seine fein gewobenen Bild- und Erzählfäden aufzunehmen. Dabei scheint der Plot zunächst einer frömmelnden Novelle entlehnt: Eine junge Musiklehrerin aus Seoul zieht nach dem Unfalltod ihres Mannes in dessen Heimatstadt Miryang, eröffnet eine Klavierschule und beginnt allmählich Wurzeln zu schlagen. Bis ihr kleiner Sohn entführt und umgebracht wird, was die Frau in tiefe Agonie stürzt. Erst durch den Anschluss an charismatisch orientierte Gläubige findet die Agnostikerin aus ihrer seelischen Erstarrung und verwandelt sich in eine glühende Christin. Sie fühlt sich von der Liebe Gottes so durchdrungen, dass sie sogar dem Mörder ihres Kindes vergeben will und ihn im Gefängnis aufsucht. Bis zu dieser Begegnung hat der Film schon zwei überraschende Wendungen hinter sich. Was als eine in ihren Motiven wenig durchsichtige Flucht in die Provinz beginnt und sich wie ein kontemplatives Porträt des Neuanfangs in einer mittelgroßen koreanischen Stadt ausnimmt, kippt unvermittelt in eine melodramatische Entführung, die nach dem Tod des Kindes in der dichten Beschreibung einer abgründigen Lethargie mündet. Shin-ae, die in sich gekehrte Hauptfigur, scheint nur noch als leere Hülle zu existieren, ohne seelische Regung oder Empfindung. Was folgt, ist eine minutiöse Trauerstudie, die zum Psychogramm tendiert, wenn die Umwelt, aber auch Shin-ae selbst ihr ungewöhnliches Verhalten hinterfragen, das so offensichtlich den Konventionen widerspricht. Auch nach der religiösen Bekehrung, die mit dem Aufbrechen des seelischen Panzers während eines Heilungsgottesdienstes beginnt, bewegt sich der Film nur vorübergehend auf berechenbaren Gleisen. Die spirituelle Metamorphose der Protagonistin versteinert zur Maske, als ihr der Täter eröffnet, seinerseits auch zu Gott und damit zu Vergebung und innerem Frieden gefunden zu haben. Man kann förmlich dabei zusehen, wie angesichts dieser selbstgerechten Sätze das Licht auf dem Gesicht der außergewöhnlichen Hauptdarstellerin Jeon Do-Yeon erlischt. Gegen die aufsteigende Bitterkeit und das Gefühl, abermals den Boden unter den Füßen zu verlieren, helfen Wut und Hass auf Gott und ihre Gebetsschwestern, bis sich die Destruktion gegen Shin-ae selbst zu wenden droht. „Secret Sunshine“ ist ein stilles Juwel, das in vielen Nuancen funkelt, je nachdem, welche Facetten man gerade betrachtet. Das beginnt bei der Titelmetapher vom geheimnisvoll-verborgenen, unaufdringlichen Sonnenschein, die sich aus der Übersetzung des Namens der Stadt Miryang ableitet und mit deren Bedeutungsvielfalt die Inszenierung meisterhaft spielt; von den diskreten Sonnenstrahlen über das euphorische Leuchten im Mienenspiel der Charismatiker bis zur verzweifelten Düsternis im Augenblick tiefer Selbstdestruktion. Der Lichttopos strukturiert auch die inhaltlichen Diskussionen um religiöse Dinge, kumuliert aber erst im prosaischen Schlussbild einer von mildem Sonnenlicht erleuchteten Ecke eines unaufgeräumten Innenhofs: ein bescheidenes, dezidiert religionskritisches, aber lebensbejahendes Credo. Der an unprätentiösen, aber nachhaltigen Bildfindungen reiche Film distanziert sich explizit vom christlichen Theismus, zumindest in seiner evangelikalen Form, dessen trunkene Frömmigkeitsfloskeln lustvoll ad absurdum geführt werden, deutet aber an, dass Zeit, Humor und Mitmenschlichkeit auch über schwere Katastrophen hinweghelfen können. Im Mittelpunkt steht keine abstrakte Debatte, sondern eine vom Schicksal geschlagene Frau mit ihren mühsamen Versuchen, auf ihre sehr eigene Weise mit den Ereignissen klar zu kommen. Die bleibende Rätselhaftigkeit von Shin-aes Reaktionen, die weder psychologisch noch dramaturgisch ausbuchstabiert werden, sichern dem souverän erzählten Film den Rang eines kleinen Meisterwerks.
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