Tanz mit der Zeit

Dokumentarfilm | Deutschland 2007 | 106 Minuten

Regie: Trevor Peters

Vier ehemalige Tänzerinnen und Tänzer der Leipziger Oper, 64 bis 80 Jahre alt, kehren noch einmal auf die Bühne zurück. Der Dokumentarist Trevor Peters begleitet das Projekt "ZEIT-tanzen seit 1927" der Choreografin Heike Hennig und lässt durch dazwischengeschnittene Interviews mit den Protagonisten sowie mit Archivaufnahmen vier außergewöhnliche Lebensgeschichten Revue passieren. Formal eher konventionell, berührt der Film doch durch seine lebensfrohe Reflexion über das Alter. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
ma.ja.de. filmprod./ZDF
Regie
Trevor Peters
Buch
Trevor Peters · Marc Michel
Kamera
Niels Bolbrinker
Schnitt
Margot Neubert-Maric
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Dokumentarfilm | Tanzfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Die Kamera fängt zwei kreisende Hände ein, dann den um sich selbst drehenden Körper. Eine Frau robbt übers Parkett. Studenten einer Malklasse übertragen die Bewegungen auf ihren Zeichenblock. Aber nicht anmutige Ballerinas „tanzen“ ihnen Model, sondern – wie ein Zwischenschnitt auf zwei Skelette etwas makaber „kommentiert“ – zwei ältere Herren und zwei betagte Damen. Außer ihrem Alter ist jedoch nichts an ihnen alt – diese lebensfrohe Grundhaltung vermittelte auch schon Lilo Mangelsdorffs Film über Pina Bauschs Senioren-Tanzprojekt „Damen und Herren ab 65“ (fd 35 891). In Trevor Peters’ Dokumentation stehen nun keine Laien auf der Bühne. Vier ehemalige Tänzerinnen und Tänzer der Oper Leipzig zwischen 64 und 80 Jahren, haben die Aufforderung der jungen Choreografin Heike Hennig zu ihrem Projekt „ZEIT-tanzen seit 1927“ angenommen. Gemeinsam wurden die bewegten Lebensgeschichten der vier Protagonisten zu einer tänzerisch-pantomimischen Collage entwickelt, die viel von ihrer jeweiligen Persönlichkeit ausdrückt; denn Christa, Ursula, Horst und Siegfried tanzen hier keine Rollen, sie tanzen sich selbst. Wenn Horst, mit 64 der Jüngste des Quartetts, mit der zerbrechlich wirkenden, 80-jährigen Mary-Wigman-Schülerin Ursula voller Inbrunst einen Pas de deux zu Mahler-Klängen hinlegt, dann berührt dies ebenso tief wie die Lebensfreude, die der rüstige Mittsiebziger Siegfried zu jazzigen Klängen ausstrahlt, während die Religiosität, der sich die 80-jährige Christa Franze verschrieben hat, ihren Ausdruck in dem getanzten Gospel „Give me that old time religion“ findet. Die Authentizität der Tanzszenen bleibt vor allem durch den Verzicht auf eine aufwändige Technik erhalten. So drehte Peters bei den Aufführungen lediglich mit einer Kamera, um die Atmosphäre auf der Bühne und die Reaktionen im Saal unverfälscht einzufangen. Nur die eingeschnittenen Großaufnahmen entstanden während der Proben, um mehr emotionale Wirkung zu erzielen. Sie werden mit den „inszenierten“ Einstellungen freilich nicht zu modischem Schnitt-Stakato verdichtet, nähern sich vielmehr stets behutsam den Gesichtern und Bewegungen. Genauso unaufdringlich sind die Interviews, die sich mit den Tanzszenen abwechseln, eingefügt, in denen die Vier ihren beruflichen Werdegang und ihr Privatleben Revue passieren lassen: 80 Jahre Zeitgeschichte über drei politische Systeme hinweg, manchmal mit Wehmut erzählt, dann wieder mit Stolz über das Erreichte. Die kleinen Eitelkeiten fehlen da genauso wenig wie jener Hauch von Bitterkeit, der sich seit der Wende über das Land gelegt hat. Fotografien und Filmaufnahmen aus privaten und staatlichen Archiven reihen sich informativ und unterhaltsam in diese inhaltlich außergewöhnliche Reflexion über das Alter und die gelebte Kunst. Formal bleibt der Film in seinem „Wechselspiel“ eher traditionellen Mustern verhaftet, neigt zuweilen zur Redundanz; aber die nie vorgeführten und sich auch schon mal auf die Schippe nehmenden Protagonisten halten einen doch stets bei der Stange.
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