Shine A Light

Musikfilm | USA/Großbritannien 2008 | 122 Minuten

Regie: Martin Scorsese

Mitschnitt zweier Konzerte der "Rolling Stones" im New Yorker Beacon Theatre im Jahr 2006. Der durch seine Kamera- und Schnitttechnik faszinierende Film beobachtet die Mitglieder einer der dienstältesten Rock-Bands vor dem Hintergrund der Club-Atmosphäre des Veranstaltungsorts und dokumentiert ihre ungebrochene, unbändige Spielfreude. Martin Scorsese lässt es sich seinerseits nicht nehmen, die besonderen Manierismen "seiner" Stars liebevoll heraus zu stellen. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
SHINE A LIGHT
Produktionsland
USA/Großbritannien
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Shangri-La Ent./Concert Promotions Int.
Regie
Martin Scorsese
Kamera
Robert Richardson · Mitchell Amundsen · Stuart Dryburgh · Robert Elswit · Tony C. Jannelli
Schnitt
David Tedeschi
Länge
122 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Musikfilm | Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl)
Verleih Blu-ray
Kinowelt (16:9, 1.78:1, dts-HD engl.)
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Diskussion
Ein Vorspiel in Schwarz-Weiß: Martin Scorsese gibt sich aufgeregt wie ein kleiner Junge. Jetzt muss alles stimmen. 16 Kameras müssen in ihre Position gebracht und 17 Kameramänner (inkl. Chef-Kameramann Robert Richardson) angewiesen werden. Natürlich hat das Licht zu stimmen; für eine Szene verlangt Scorsese nach einer besonders hellen Ausleuchtung (wahrscheinlich „Sympathy For The Devil“), ein Techniker mahnt zu Vorsicht: „Wir würden Jagger verbrennen!“ Der Regisseur hat ein Einsehen: „Wir dürfen Mick Jagger nicht verbrennen!“ Die Aufregung steigt, weil Mick Jagger und seine „Rolling Stones“ noch immer nicht die Abfolge der Songs geliefert haben, an der Scorsese auch schon selbst herum gebastelt hat. Erst im letzten Moment liegt die Liste vor. Letzte Vorbereitungen, letzte Handgriffe, dann kann die Mega-Show beginnen. Eine Szene wie aus der Muppet-Show, in der Frosch Kermit als Impressario die Bühnenshow minutiös-hektisch plant und dann alles seinen anderen Gang nimmt. Nicht so bei Scorsese. Der konzentriert sich auf zwei Auftritte der „Rolling Stones“ im New Yorker Beacon Theatre am 29. Oktober und 1. November 2006 anlässlich des 60. Geburtstags von Ex-Präsident Bill Clinton, der (zahlende) Gäste zu einem Benefiz-Konzert geladen hat. Kaum haben die „Stones“ ihr wohl lästiges Pflichtprogramm absolviert, Händeschütteln und andere Artigkeiten, geht die Post auch schon ab: für die „Stones“, für die Leute im Beacon Theatre, für die Kameraleute und für die Kino-Zuschauer, so sie denn „Stones“-Fans sind. Sie alle erleben einen der am furiosesten fotografierten und geschnittenen Konzertfilme der letzten Jahrzehnte, der sich, anders als Jonathan Demmes stilbildender „Talking Heads“-Film „Stop Making Sense“ (fd 24 845), nicht am Rhythmus der Musik und der Bühnenshow orientiert, sondern sich völlig auf die vier Akteure Mick Jagger, Keith Richards, Ron Wood und Charlie Watts konzentriert. In der fast manischen Nähe zu den Rock-Stars, die einige ihrer Klassiker zum Besten geben, liegt die Stärke des außergewöhnlichen Films: Er bildet Persönlichkeiten ab, die seit über 45 Jahren in nahezu unveränderter Formation im Rock-Geschäft sind, und versucht erst gar nicht, das Faszinosum zu erklären, sondern es schlicht zu bebildern. Dabei hilft die außergewöhnliche Nähe, die Scorsese im 2800 Plätze fassenden Beacon Theatre aufbaut – für die „Stones“ selbst muss das so etwas wie der Auftritt in einem kleinen Club gewesen sein. Sie haben sichtlich Spaß, ebenso wie Scorsese, der am Schneidetisch die Manierismen der einzelnen Band-Mitglieder herausstellt, ohne sie zu denunzieren. Der ewig jugendliche Jagger, der voller Agilität herumkaspert, sich für unwiderstehlich hält und es vielleicht sogar ist; Keith Richards, durchgeknallt wie eh und je und nie verlegen, auch einmal den „Macker“ zu geben; Ron Wood, etwas weniger exaltiert als seine Frontleute, der mit Freund Richards um den bandinternen Titel der besten „Stones-Gitarre“ wetteifert; Charlie Watts, der eigentlich Maler werden wollte und am ehesten das Bild eines britischen Opas erfüllt, der vielleicht doch einmal seine Ruhe haben möchte, auch wenn man es ihm nicht abnimmt, wenn er in die Kamera prustet und meint, „er wär’ jetzt doch zu alt für diesen Scheiß“. Nach „The Last Waltz“ (fd 20 850), einem Mitschnitt des Abschiedskonzerts von „The Band“, der langjährigen Begleitband von Bob Dylan, der Dokumentation „No Direction Home – Bob Dylan“ (fd 37 408) und der Blues-Hommage „Feel Like Going Home“ (fd 36 554), die als Teil des Zyklus „The Blues“ entstand, den er (mit-)produzierte, hat sich Martin Scorsese längst als Verfechter der populären Musik des 20. Jahrhunderts einen Namen gemacht, mit deren wichtigsten Vertretern gearbeitet und ihr ihren kulturellen Stellenwert zugewiesen. Mit „Shine A Light“ setzt er sein Musik-Œuvre fort, wobei er behutsam Archivmaterial und aktuelle Interviews in den Film mischt, die rudimentär, aber doch präzise Auskunft über den Werdegang der „Rolling Stones“ geben; die Anfänge werden ebenso rekapituliert, wie Drogenexzesse und die ständige Frage nach dem Aufhören. Früher wie heute wiegeln die „Stones“ dies souverän ab und machen einfach ihr Ding. Dann ist es einfach schön zu sehen, wie Jagger Kusshände wirft und mit dem Allerwertesten wackelt, wie sich Richards und Woods nach erschöpfenden Soli in den Armen liegen, sich gegenseitig stützen und ausruhen. Alte Männer, die ihr Bestes gegeben haben. Begnadete Selbstdarsteller, die aus ihren Rollen keinen Hehl machen. Von dieser Süffisanz ist auch Scorseses Film durchdrungen, die sich auch darin niederschlägt, dass der Regisseur immer wieder Kameraleute bei ihrer Arbeit zeigen muss, denn die laufen ständig durchs Bild. Dadurch gelingen freilich auch so irritierende Aufnahmen wie jene, in der der kettenrauchende Richards plötzlich seine Zigarette ausspucken muss, weil er einen Gesangspart hat, oder in denen die Mitglieder der dienstältesten Rock-Band wirklich alt aussehen. Einer der schönsten Momente des Films ist der Gastauftritt von Blues-Legende Buddy Guy, der mit seiner Gitarrenkunst Richards und Wood glatt an die Wand spielt: ein noch älterer Mann mit noch mehr Freude an seinem Job und dem sichtlichen Spaß, es den „Youngsters“ zu zeigen. Am Ende ist wieder der aufgeregte Scorsese zu sehen, der seine Stars am Bühnenausgang im besten Licht erscheinen lassen will. Doch die entschwinden wortlos in einem Taxi. Die Kamera fährt hoch und höher, der Hinterausgang des Beacon Theatre erscheint im Bild, dann der Straßenzug, dann der Stadtteil. Schlussendlich ist die Stadt zu sehen – New York, New York.
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