Abgedreht (2008)

Komödie | USA 2008 | 101 Minuten

Regie: Michel Gondry

Eine Videothek gerät in Bedrängnis, als an dem Haus, das sie beherbergt, teure Sanierungsmaßnahmen fällig werden. Während der Besitzer auf Reisen geht, muss sein Mitarbeiter eine weitere Krise bewältigen: Sein Kumpel löscht unabsichtlich sämtliche Videos. Um die Kundschaft trotzdem zufrieden zu stellen, drehen sie eigene Versionen diverser Hollywood-Filme. Eine wunderbare Liebeserklärung ans Kino sowie auch an den Jazz, die durch Michel Gondrys Ideenreichtum und spielfreudige Darsteller dramaturgische Holprigkeiten schnell vergessen lässt, sich komödiantisch gegen Konformismus wendet sowie Kreativität und Solidarität feiert. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BE KIND REWIND
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Partizan
Regie
Michel Gondry
Buch
Michel Gondry
Kamera
Ellen Kuras
Musik
Jean-Michel Bernard
Schnitt
Jeff Buchanan
Darsteller
Jack Black (Jerry) · Mos Def (Mike) · Danny Glover (Mr. Fletcher) · Mia Farrow (Mrs. Falewicz) · Melonie Diaz (Alma)
Länge
101 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein überdurchschnittlich gelungenes "Making of" (32 Min.).

Verleih DVD
Senator (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Das Schicksal eines kleinen Ladens in einem heruntergekommenen Altbau im Städtchen Passaic, New Jersey, steht im Mittelpunkt von Michel Gondrys neuem Film. Das Haus gehört dem alten Mr. Fletcher, und er ist gleichzeitig der Besitzer der Videothek „Be Kind Rewind“ im Erdgeschoss. An dieser ist die Digitalisierung der Unterhaltungsindustrie spurlos vorbeigegangen; statt DVDs werden immer noch die alten Kassetten angeboten. Was in Anbetracht einer Klientel wie Mrs. Falewicz, Fletchers geschätzter, ebenfalls nicht mehr jungen Stammkundin, durchaus Sinn machen mag; allerdings laufen die Geschäfte trotzdem schlecht. Als der Videothekar vom örtlichen Bauamt die Auflage bekommt, sein baufälliges Haus entweder zu sanieren oder einer Umsiedlung zuzustimmen, damit an Stelle des alten Gemäuers ein moderner Wohnblock entstehen kann, sieht es deshalb übel aus: Das Geld für die notwendigen Reparaturen fehlt; die Abrissbirne droht. Das ist nicht nur deshalb jammerschade, weil damit der Laden vernichtet, sondern auch das Geburtshaus einer Jazz-Legende zerstört werden würde. Denn, wie Fletcher seinem Mitarbeiter und Ziehsohn Mike versichert: niemand Geringerer als Fats Waller erblickte 1904 tatsächlich nicht in Harlem, sondern in eben jenem Haus in Passaic das Licht der Welt. Während Fletcher zu einer Reise aufbricht (angeblich zu einer Art „Wallfahrt“ zu Ehren Wallers, tatsächlich aber, um die Konkurrenz auszuspähen), übernimmt Mike das Geschäft. Leider aber versteht er Fletchers letzten Ratschlag nicht und lässt seinen besten Freund, den chaotischen Bastler und Verschwörungstheoretiker Jerry, in die Videothek hinein. Dieser ist nach einem fehlgeschlagenen Sabotageakt im örtlichen E-Werk magnetisiert und löscht prompt durch seine Berührung sämtliche Videos. Als Mrs. Falewicz vorbeikommt und unbedingt „Ghostbusters“ ausleihen will, fällt den beiden Freunden nur eine Lösung ein: Sie drehen den Film mit einfachen Mitteln, aber umso mehr Eifer und Einfallsreichtum nach. Der Dame und auch anderen Kunden gefällt es, und nach mehreren weiteren „geschwedeten“ Versionen, von „Robocop“ über „Mrs. Daisy und ihr Chauffeur“ bis zu „2001 – Odyssee im Weltraum“, verbreitet sich der Ruhm der Amateurfilmer – leider nicht nur in Passaic, sondern bis nach Hollywood. Prompt erscheint eine Anwältin, um dem just zurückgekehrten Fletcher eine saftige Urheberrechtsklage anzuhängen. Ihr Heil sucht die Video-Crew einmal mehr beim Filmemachen. Nun allerdings handelt es sich nicht um eine Coverversion, sondern um ein eigenes Projekt, für das ihnen das ganze Viertel helfend zur Seite steht. Und um wen könnte es darin gehen, wenn nicht um die „Lokalprominenz“ Fats Waller? Michel Gondrys neuer Spielfilm ist keine weitere surreale Erkundung innerseelischer Vorgänge; allerdings geht es auch hier – unter anderem – um Erinnerung und Identität. Durch die Aneignung bzw. „Einbürgerung“ der New Yorker Jazzlegende verschaffen die Anwohner in Fletchers Viertel, dieser amerikanischen Allerweltsgemeinde, ihrem Städtchen im wahrsten Wortsinn „Persönlichkeit“, was aus ihnen erst eine wahre Sozialgemeinschaft macht: In Anlehnung an jene legendären „Rent Partys“, bei denen Waller in den 1930er-Jahren aufspielte und bei denen jeder Besucher mit einer Spende dem Gastgeber half, seine Miete zu begleichen, soll die Präsentation des gemeinschaftlich gedrehten Gedenkfilms der Renovierung von Fletchers Haus dienen. Wie zuvor die „geschwedeten“ Hollywood-Filme oder auch Fletchers verschrobener Altbau ist die Dokumentation über die fiktiven Passaicer Wurzeln Wallers ein Protest gegen die Anonymität, gegen die Gleichschaltung einer Industriegesellschaft, in der alles immer einförmiger und genormter zu werden droht – Gondrys Landsmann Jacques Tati scheint von fern zu grüßen. Gleichzeitig ist Gondrys Film eine wunderbare, höchst unterhaltsame Hommage ans Kino und an den Jazz – wobei zwischen dem klamaukhaften „Schweden“ der Blockbuster und den eher nostalgischen, schwarz-weißen Episoden um den Jazzmusiker das dramaturgische Getriebe etwas knirscht und der Film zu zerfasern droht. Darüber sieht man allerdings gerne hinweg angesichts der schieren Leidenschaft, mit der diese Bricolage von Film und „Film im Film“ ihrem Sujet huldigt, und angesichts eines bestens gelaunten Schauspiel-Ensembles, wobei die Comedians Mos Def (in einer angenehm zurückgenommenen Rolle) und Jack Black als ungleiches Buddy-Gespann die Liebespaare der älteren Gondry-Filme würdig ersetzen. Dank dessen Ideenreichtums, seines Witzes im Umgang mit handgemachten Effekten und seines Gespürs für Musik ist der Film ein Glanzstück im Komödienfach.
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