1. Mai - Helden bei der Arbeit

- | Deutschland 2008 | 98 Minuten

Regie: Sven Taddicken

Drei miteinander verwobene Episoden vor dem Hintergrund der Krawalle in Berlin-Kreuzberg am ersten Mai. Im Mittelpunkt stehen ein elfjähriger Türke, der einen Polizisten "aufmischen" will, zwei Jungs aus der Provinz, die zwischen Schwarzen Block und Polizei geraten, sowie ein an Liebeskummer leidender Polizist. Der Versuch eines "solidarischen Gemeinschaftsprojekts" leidet zwar an einigen Klischees, ist jedoch als filmisches Experiment, dessen "roter Faden" erst im Schneideraum geknüpft wurde, durchaus beachtlich. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
jetfilm/Frisbeefilms/teamWorx/HR/arte
Regie
Sven Taddicken · Jakob Ziemnicki · Carsten Ludwig · Jan Christoph Glaser
Buch
Michael Proehl · Oliver Ziegenbalg · Jakob Ziemnicki · Carsten Ludwig
Kamera
David Schultz · Daniela Knapp · Daniel Möller · Kolja Raschke
Musik
Christoph Blaser · Dirk Dresselhaus · Steffen Kahles · Rainer von Vielen
Schnitt
Andreas Radtke · Sebastian Marka · Sarah J. Levine · Jens Klüber · Carsten Eder
Darsteller
Cemal Subasi (Yavuz) · Oktay Özdemir (Nebi) · Peter Kurth (Harry) · Benjamin Höppner (Uwe) · Torsten Michaelis (Martin)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Das Bonusmaterial beinhaltet u.a. einen Audiokommentar der vier Regisseure, ein Feature mit im Film nicht gezeigten Szenen sowie die Möglichkeit, die im Film verwobenen drei Einzelepisoden separat zu zu sehen.

Verleih DVD
Euro Video (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Vermummte Jugendliche werfen Steine, Flaschen und Molotowcocktails, kippen Autos um – Randale, die nichts mehr mit dem ursprünglichen Sinn des Arbeiterfeiertags zu tun hat. Diese Bilder des 1. Mai in Berlin-Kreuzberg wiederholen sich seit Jahrzehnten ebenso wie die der Polizei, die in großer Stärke anrückt und Staatsmacht demonstriert. Man spielt routiniert Katz und Maus, und am nächsten Tag kehren Straßenfeger den Rest vom Fest zusammen. Dieses Ritual dient als Folie für einen Film, in dem drei Teams mit drei Geschichten die Idee vom „solidarischen“ Filmemachen verwirklichen wollten. Der Grundgedanke hieß: ein „sozialistisches“ Gemeinschaftsprojekt unter Freunden und Gleichgesinnten zu realisieren, zu dem sich thematisch der berüchtigte „Tag der Arbeit“ im Multi-Kulti-Kiez anbot. Die Vorgaben: Die Länge jeder Geschichte sollte zwischen 20 und 30 Minuten betragen und in den 24 Stunden vom Morgen des 1. bis zum Morgen des 2. Mai spielen. Außerdem sollten sich die Beiträge mitten ins Krawall-Gewühl begeben (bei einem fünf- bis sechsminütigen Außendreh ohne Drehgenehmigung), fünf mögliche Cliffhanger-Szenen aufweisen und dem realen Zeitablauf in Parallelmontage folgen. Zu diesen formalen Regeln kam die inhaltliche Bestimmung, dass die Protagonisten unter persönlichem Druck stehen müssen, dem der 1. Mai als Ventil dienen soll. In der weit gefassten Handlung, inszeniert von jeweils einem kleinen Team um die Regisseure Sven Taddicken, Carsten Ludwig/Jan-Christoph Glaser und Jakob Ziemnicki, überlappen sich drei Episoden um einen elfjährigen Türken, der als Männlichkeitsbeweis „einen Bullen platt machen“ will, zwei schlicht gestrickte Jungs aus Minden zwischen Touristen-Programm, verlockenden bunten Pillen und Schwarzem Block, die sehen wollen, „wo es knallt“, sowie um einen unter Liebeskummer leidenden Provinz-Polizisten, dessen Frau ihn als Vegetarierin ausgerechnet mit einem Metzger betrügt und der seinen Frust im Rotlichtmilieu ertränkt. Da es den Machern zu gefährlich war, den blutenden Mann in Uniform durch die Massen irren zu lassen, wurde diese Episode aus Sicherheitsgründen während des weniger riskanten Karnevals der Kulturen gedreht. Die Macht der Nacht endet für alle Figuren im Kreuzberger Urban-Krankenhaus, wo sich die Handlungsstränge und Biografien der vier Menschen verbinden. Die schnelle und nervöse Kamera unterstreicht die emotional aufgeheizte Atmosphäre und die Eskalation von Gewalt. Zwar überzeugt die Mischung aus Fiktion und Authentizität weitgehend, aber es wimmelt von Klischees, vor allem bei der Zeichnung eines nostalgischen Altachtundsechzigers, der seine Wohnung mit Revolutions-Devotionalien aus der Aufbruchszeit schmückt und glänzenden Auges von früher schwärmt, als man noch Supermärkte „abfackelte“. Dieser lässt sich von dem jungen Türken klaglos eins auf die Nase geben, schiebt im Krankenhaus-Protokoll aber der Polizei die Schuld in die Schuhe statt dem Migrantensohn. Worauf sich der „Schützling“ natürlich brav entschuldigt. Trotz gelungener Vernetzung ist dem Kompilationsfilm anzumerken, dass der rote Faden zwischen Döner und Demonstration wohl erst im Schneideraum entstand. Einen ironischen Schlusspunkt setzt der Nachrichtensprecher: Er verkündet getreu dem Motto „Bad News Are Good News“ fast bedauernd, dass dies der friedlichste 1. Mai seit 20 Jahren gewesen sei. Auch wenn es manchmal dramaturgisch knirscht, allein das Zustandekommen dieses filmischen Experiments ist schon so etwas wie ein Erfolg.
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