Beautiful Bitch

- | Deutschland 2007 | 108 Minuten

Regie: Martin Theo Krieger

Eine 15-Jährige, die sich in den Straßen Bukarests als Diebin durchschlägt, wird durch falsche Versprechungen nach Düsseldorf gelockt, wo sie als Mitglied einer Kinderdiebesbande in Abhängigkeit gerät. Sie freundet sich mit einem etwa gleichaltrigen, seine Probleme hinter Provokationen und Renitenz versteckenden deutschen Mädchen an, doch der versuchte Spagat zwischen ihrem tristen Alltag und ihrer Sehnsucht nach Normalität scheitert. Hervorragend gespielter, spannend und einfühlsam erzählter dramatischer Spielfilm, der ohne Verklärung die von Kriminalität und Gewalt geprägte Situation von "Klaukindern" aufbereitet und sie glaubwürdig mit der Suche von Jugendlichen nach Orientierung und Werten, nach Halt und Freundschaft verbindet. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Riva Filmprod./WDR/NDR
Regie
Martin Theo Krieger
Buch
Martin Theo Krieger
Kamera
Andreas Höfer
Musik
Andreas Schilling
Schnitt
Brigitta Tauchner
Darsteller
Katharina Derr (Bica alias Bitch) · Sina Tkotsch (Milka) · Patrick von Blume (Cristu) · Lucien Le Rest (Nicu) · Igor Dolgatschew (Andrej)
Länge
108 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
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Die 15-jährige Bica ist nur eines von zahllosen Straßenkindern in den Vierteln von Bukarest, die eltern- und mittellos als Opfer und Ausgestoßene einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft ihr ärmliches Dasein fristen und ihre eigenen Überlebensstrategien und -techniken entwickelt haben. Keiner stiehlt dabei so raffiniert wie Bica, die ihren kleinen Bruder versorgt und beschützt, sich gegen rivalisierende Jugendliche zu wehren weiß und dabei eine ganz eigene, ebenso selbstbewusste wie irritierende Stärke und Lebensenergie ausstrahlt. Doch als der Bruder von der Polizei aufgegriffen und in ein Waisenhaus verbracht wird, droht alles wie ein Kartenhaus zusammenstürzen. Dass ihr in dieser Situation der Ex-Polizist Cristu wie ein Engel erscheint, der sie an die Hand nimmt, ist nachvollziehbar: Er verspricht Bica Geld und damit Unabhängigkeit und eine bessere Zukunft – wenn sie ihm nur für einige Zeit nach Deutschland folgen und dort für ihn arbeiten würde. Bald darauf findet sich Bica in Düsseldorf als Mitglied einer Bande von „Klaukindern“ wieder, die Cristu, ihrem „Patron“, tagtäglich ihre Diebesbeute abzuliefern haben, während sie des nachts in der Anonymität einer heruntergekommenen Zweizimmerwohnung eingesperrt sind. Wird die „Leistung“ nicht erbracht, drohen Strafe und Prügel. Während eines Raubzugs in einer Shopping Mall stößt Bica auf die Tochter eines Bestohlenen: Milka ist etwa im gleichen Alter wie sie, eine ebenso hübsche wie selbstgefällige, verletzend freche und provozierende Persönlichkeit, deren Eltern getrennt leben – fast also ein ganz „normaler“ Teenager, der sich für den gänzlich missverstandenen Mittelpunkt aller Dinge hält, fordert und einklagt, ohne die Maßlosigkeit seiner Ansprüche zu erkennen. Für Bica aber ist Milka eine Lichtgestalt: eine Freundin wie aus einer anderen, besseren Welt, nach der sie sich so sehr sehnt. Bald führt sie ein Doppelleben zwischen Diebin und „Bürgerlicher“, das sich jedoch nicht lange aufrecht erhalten lässt: Schmerzvoll und lebensbedrohlich öffnet sich der Abgrund zwischen den Welten. Lange hat man keinen Kinofilm mehr von Martin Theo Krieger sehen können; sein „Comeback“ mehr als 20 Jahre nach seinem beachtlichen Erstling „Zischke“ (fd 26 024) ist um so erstaunlicher, weil es sich von der Flut der vielen „jungen“ deutschen Filme thematisch gar nicht mal so sehr abhebt, gleichwohl daraus durch erzählerische wie gedankliche Reife und Intensität herausragt. Wie viele deutsche Filme, die sich ambitioniert der Realität zu nähern versuchen, erzählt auch „Beautiful Bitch“ von den Problemen, der Orientierungslosigkeit, der kompliziert-komplexen Identitätssuche Jugendlicher, dies freilich nicht als stürmische Coming-of-Age-Fabel, sondern als sehr präzise soziale Bestandsaufnahme, die dabei so spannend ist wie ein Krimi und so einfühlsam und sogar zärtlich wie eine improvisiert wirkende Befindlichkeitsbeschreibung von Eric Rohmer. Dabei geht es freilich richtig zur Sache, wenn kompromisslos und ohne Verklärung der triste, von Kriminalität, Gewalt und Tod geprägte Alltag der „Klaukinder“, deren Verstrickung in Abhängigkeiten und ihr hilfloses Ausgeliefertsein beschrieben wird; zugleich bemüht sich Krieger stets um ein größtmögliches „Verständnis“ für die Protagonisten, die griffige, psychologisch nachvollziehbare Konturen erhalten und in ihrer jeweiligen Ambivalenz gezeichnet werden. So intensiv das sozialpolitische Umfeld der Geschichte umrissen wird, so anschaulich gelingt die Verzahnung mit „normaleren“ Lebensstrukturen: Die eindrucksvoll gespielte Bica vermittelt nicht nur die ganze Tragik ihres beklemmenden Daseins, sondern macht auch die Situation von Milka transparent, deren Leben das Gespür für Werte wie Familie und Freundschaft, Solidarität und Mitgefühl abhanden zu kommen droht. Ein Stück weit erfasst Milka etwas von Bicas aus der Not geborener Würde und macht sich diese zu eigen, auch wenn sich Bica selbst ihr entzieht, um sich ihrer eigenen Verantwortlichkeit zu stellen. „Es wäre so schön, wenn ich schwimmen könnte“, schreibt Bica am Ende an Milka aus dem fernen Bukarest; „doch es ist so schwer, wenn man Angst davor hat“ – um sich im selben Moment doch mutig ins Wasser gleiten zu lassen.
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