Der Stern des Soldaten

- | Frankreich/Deutschland/Afghanistan 2006 | 103 Minuten

Regie: Christophe de Ponfilly

Ein junger Russe wird 1984 im Afghanistan-Krieg von einheimischen Rebellen verschleppt, lernt in Gefangenschaft die Traditionen des Landes schätzen und wechselt die Fronten. Der auf Tatsachen beruhende, einfühlsam und mitunter poetisch erzählte Spielfilm zeigt sich vor allem am Leben und den Bedingungen für ein Weiterleben interessiert. Auch wenn die Motivation des Protagonisten dabei nicht immer nachvollziehbar wird, entstand ein glaubwürdiger Film, geprägt von Sympathie für die gemäßigten Freiheitskämpfer. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
L' ÉTOILE DU SOLDAT
Produktionsland
Frankreich/Deutschland/Afghanistan
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Albert Films/Voltaire Prod./NEF Filmprod./Afghan Film/France 2 Cinéma/Euroarts Medien
Regie
Christophe de Ponfilly
Buch
Christophe de Ponfilly
Kamera
Laurent Fleutot
Musik
Jean-Baptiste Loussier
Schnitt
Anja Lüdcke
Darsteller
Sacha Bourdo (Nikolai) · Patrick Chauvel (Vergos) · Mohammad Amin (Najmoudine) · Ahmad Shah Alefsourat (Assad) · Gol Goutey (Leïla)
Länge
103 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Diskussion
Felswände ziehen vorbei, immer gleich, Kehre für Kehre. Wer zu lange auf diese Felsen starrt, droht zu versteinern, wie die russischen Soldaten, die im Jeep durch den Hindukusch gekarrt werden. Nikolai ist einer von ihnen. Er wollte nicht nach Afghanistan. Zuhause in Russland spielte er Rock-Musik, pflasterte seine Zimmerwände mit Stars-Fotos. Hier, in der Fremde, werden die toten Krieger zu Sternen, das behaupten jedenfalls die Afghanen. Noch viele werden sterben, glauben sie, und irgendwann wird der Nachthimmel nicht mehr dunkel sein. Verständlich, dass auch Nikolai wissen will, wie viele Kameraden täglich sterben, als er 1984 im Panschirtal ankommt, als der Afghanistan-Krieg ins fünfte Jahr geht. „Fragen sind wie Essigumschläge“, grummelt ein Kamerad, „sie brennen, aber bringen nichts.“ Doch Nikolai, immer auf dem Sprung, immer Beinahe-Deserteur, stumpft nicht ab, hält die Augen offen, registriert, wie brutal das Militär gegen die Zivilbevölkerung vorgeht. Christophe de Ponfilly hat sich in mehreren Dokumentarfilmen seit seiner ersten Hindukusch-Reise 1981 mit der endlosen Reihe von Konflikten in Afghanistan beschäftigt, mit dem Stellvertreterkrieg bis 1989, dem in Folge aufflackernden Bürgerkrieg oder der letztlich auch für den Westen fatalen Strategie der CIA, mittels Unterstützung islamistischer Kräfte ein „Vietnam Russlands“ zu provozieren. Der einzige Spielfilm des Regisseurs und Buchautors – er nahm sich 2006 das Leben – erzählt die auf Tatsachen basierende Geschichte eines russischen Soldaten, der von afghanischen Guerilleros verschleppt wird. Mit der Zeit freundet sich Nikolai mit den Männern an, lernt ihre Traditionen zu schätzen, wird schließlich, halb gezwungen, halb aus Überzeugung, „einer von ihnen“. Nikolai macht die Bekanntschaft des französischen Journalisten Vergos, dem sporadischen, mit 16mm-Kamera bewaffneten Begleiter verschiedener Widerstandsgruppen – eine Figur, in der de Ponfilly sich selbst porträtierte. Der Regisseur macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für den Führer dieser offenbar gemäßigten Guerilla-Gruppe. Jener Ahmed Shah Massud kam zwei Tage vor dem 11. September bei einem Attentat ums Leben. Im Dokumentarfilm „Massud, der Afghane“ (1987) beschrieb de Ponfilly ihn als „Mischung aus Che Guevara und Bob Dylan“. Auch „Der Stern des Soldaten“ weist in der Zeichnung des Stammesfürsten hagiografische Züge auf. Doch Massud und auch Vergos sind Randfiguren, während das Schicksal Nikolais in eindrucksvoller Breite geschildert wird. Der russische Tänzer und Schauspieler Sacha Bourdo verleiht ihm schwejksche Untertöne. Im Verein mit de Ponfillys einfühlsamer Regie ersteht eine Figur, bei der trotz allmählicher Metamorphose nie klar wird, ob im Afghanen noch der Russe steckt. Vielmehr bewirkt der Film Orientierungslosigkeit, wodurch politische und persönliche Subtexte dieses Kriegs an die Oberfläche geholt werden. Die Schilderung direkter Gewalt wird von de Ponfilly eher vermieden. Die Kamera registriert weniger das Sterben als das Leben – und die Bedingungen, unter denen ein Weiterleben möglich ist. Trotz des authentischen Stoffs wirkt „Der Stern des Soldaten“ mitunter ein wenig konstruiert, mit Sinn überladen, und ist doch so reich an lakonischen, oft poetischen Episoden, dass die Glaubwürdigkeit überwiegt. Der Sänger Assad wird zum besten Freund Nikolais, dem er seine Rubab, ein traditionelles Saiteninstrument, schenkt. Damit tritt Nikolai, in einer komischen Szene, als Rock-Star vor einer Schar von Kindern auf. Sein Traum von der Musik sowie der Flucht nach Frankreich, bei der ihm Vergos helfen will, erfüllt sich nicht. Am Ende leuchtet ein Stern mehr über Afghanistan.
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