- | Spanien/Venezuela 2005 | 102 Minuten

Regie: Solveig Hoogesteijn

Ein Straßenmädchen aus Caracas landet in einem Jugendzentrum und begeistert sich dort für Musik, als der Leiter des dortigen Jugendorchesters sie zu fördern beginnt. Doch der Druck eines brutalen Polizisten und die erwachende Liebe der Pubertierenden zu ihrem Mentor bedrohen die vielversprechende Entwicklung. Bezug nehmend auf ein reales Projekt, die venezolanische Jugendorchester-Bewegung, entwickelt sich eine Coming-of-Age-Geschichte, die durch ihren wachen Blick auf die Lebensumstände in den Armutsvierteln und den Verzicht auf melodramatische Effekte ebenso überzeugt wie durch die humanistische Botschaft. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MAROA
Produktionsland
Spanien/Venezuela
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Alta Films
Regie
Solveig Hoogesteijn
Buch
Fernando Castets · Solveig Hoogesteijn · Claudia Nazoa
Kamera
Alfredo Mayo
Musik
Nascuy Linares
Schnitt
Carmen Frías
Darsteller
Tristán Ulloa (Joaquín) · Yorlis Domínguez (Maroa) · Elba Escobar (Brígida) · Luke Grande (Ezequiel) · Engel Alejo (Carlos)
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Filme, die von einer fast magischen Kraft der Musik erzählen, von ihrem heilsamen Einfluss auf einzelne Menschen oder ganze Gruppen, gehörten in den letzten Jahren immer wieder zu den Erfolgsfilmen des Arthaus-Bereichs: Der schwedische Film „Wie im Himmel“ (fd 37 281) entwickelte sich zum Dauerbrenner; der deutsche Film „Vier Minuten“ (fd 38 013) räumte Preise ab, und nicht zuletzt dank der mitreißenden Musik konnte „Rhythm Is It!“ (fd 36 683) das Publikum anlocken. Der venezuelanische Film „Maroa“ teilt den idealistischen Impetus dieser Filme, den Glauben an die sozialisierende und verbindende Funktion, die gemeinsames Musizieren haben kann – und baut damit keine Luftschlösser, thematisiert diese fiktionale Geschichte um eine Straßenmädchen aus Caracas doch ein reales, von der UNESCO ausgezeichnetes Jugendorchester-Projekt. Das Ziel der 1975 gegründeten FESNOJIV (Fundacion del Estado para el Sistema Nacional de Orquestras Juveniles e Infantiles de Venezuela) ist es, vor allem sozial unterprivilegierten Kindern kostenlosen Zugang zu einer musikalischen Ausbildung zu verschaffen: kulturelles Gegengewicht zu den desaströsen Lebensbedingungen und der Kriminalität, mit der die Kinder tagtäglich konfrontiert sind. Die Hauptrolle spielt allerdings nicht die Orchestermusik, sondern die starke, widerspenstige Titelheldin, die die Kamera in der Exposition bei ihren Versuchen begleitet, in den Straßen von Caracas ein bisschen Geld zu verdienen. Gelegentlich steht Maroa bei Carlos Schmiere, der mit anderen Jungen bewaffnete Raubzüge unternimmt. Die Bekanntschaft mit dem minderjährigen Bandenchef bringt sie prompt in Schwierigkeiten: Bei einem blutigen Überfall wird sie geschnappt und kann den brutalen Verhörmethoden des Polizisten Ezequiel nur durch das Eingreifen einer Beamtin entgehen, die dafür sorgt, dass Maroa in ein Jugendzentrum kommt. Dort dringt niemand richtig zu dem wilden Mädchen durch – bis es auf Joaquin trifft, den spanischen Musiker, der das Jugendorchester des Zentrums leitet. Joaquin erkennt, dass Maroa über ein erstaunliches musikalisches Talent verfügt, bringt ihr das Klarinette-Spielen bei und wird ihr Förderer und Vertrauter. Trotz der Probleme, sich in die Schul- und Orchester-Gemeinschaft einzuordnen, macht das Mädchen bald Fortschritte. Allerdings ist auch Ezequiel noch hinter ihm her, und Maroa sorgt sich, dass er ihrer Großmutter, der einzigen Verwandten, die ihr geblieben ist, etwas antun könnte. Zusätzlich kompliziert wird alles, als die Gefühle, die das pubertierende Mädchen für Joaquin hegt, anfangen, über ein Schülerin-Lehrer-Verhältnis hinauszugehen. Es ist konsequent, dass es gerade die Musik Mozarts ist, der eine Schlüsselfunktion zukommt, bildet diese doch, ganz im Sinne der Aufklärung, als Sprache der Vernunft und der Menschlichkeit den Gegenpol zur Sprache der Gewalt, die sämtliche anderen gesellschaftlichen Bereiche zu vergiften scheint: neben der Staatsgewalt auch die Religion, wie eine Sequenz zu Beginn des Films zeigt, in der sich Ezequiel unter dem Applaus der um einen Prediger versammelten Menge zum „Werkzeug“ Gottes erklärt, dem es aufgetragen sei, unter den Bösewichtern brachial aufzuräumen – darin einem ähnlichen „Sendungsbewusstsein“ folgend wie die Hauptfigur in „Tropa de elite“ dem brasilianischen „Berlinale“-Gewinner 2008. Solveig Hoogesteijn, die in Schweden geboren wurde, in Venezuela aufwuchs und dort seit mitte der 1970er-Jahre Filme dreht, setzt dieser Haltung einen wachen Blick für die Lebensum- in den Armutsvierteln entgegen, wobei sie auf simple Schwarz-Weiß-Zeichnung verzichtet. Stattdessen zeigt das Modell der „ästhetischen Erziehung des Menschen“, wie es die FESNOJIV mit Erfolg vertritt, zwar nicht als Lösung der brennenden sozialen Probleme des Landes, aber doch als möglichen Weg aus der Gewaltspirale. Die Glaubwürdigkeit ihres Films verdankt sich dabei nicht nur der hervorragenden jungen Hauptdarstellerin, sondern auch ihrem nüchternen Regiestil, der auf melodramatische Zuspitzungen souverän verzichtet.
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