Crosby, Stills, Nash & Young - Déjà Vu

Musikfilm | USA 2007 | 96 (78 DVD) Minuten

Regie: Bernard Shakey

Spannungsreiche Dokumentation der "Freedom of Speech"-Tournee, die die Rock-Band Crosby, Stills, Nash, and Young im Jahr 2006 durch die USA führte. Dabei aktualisierten die Musiker ihren musikalischen Protest gegen den Vietnam-Krieg und deuteten ihn auch als Widerstand gegen den Irak-Krieg sowie den Propaganda-Feldzug der Bush-Regierung um. Den Déjà-vu-Eindruck unterstreichen geschickt Montagen der kulturellen Gegenbewegung in den 1970er-Jahren mit der Medienberichterstattung der Gegenwart. So weitet sich der Konzertfilm zum engagierten Propagandafilm, der demokratischen Dissens zum gelebten Patriotismus stilisiert. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
CSNY DÉJÀ VU
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Shakey Pic.
Regie
Bernard Shakey
Buch
Mike Cerre · Neil Young
Kamera
Mike Elwell
Schnitt
Mark Faulkner
Länge
96 (78 DVD) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Musikfilm | Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Arsenal (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl.)
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Diskussion
Mit der Eskalation politisch sanktionierter Gewalt im Umfeld der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und des Vietnam-Kriegs setzte eine zunehmende Politisierung der Rock-Musik ein. Der Trend produzierte ein magisches Gemeinschaftsgefühl, das musikalische Ästhetik mit politischem Aktivismus und Attitüde verschmolz. Die Gruppe „Crosby, Stills, Nash & Young“ (CSNY) avancierte mit ihrer harschen Kritik an maßloser Polizeigewalt („Ohio“) oder der Klage über die Massaker im Vietnam-Krieg („Find the Cost of Freedom“) zu Wortführern einer Generation Heranwachsender, die den Versprechungen des militärischen Patriotismus misstrauten. Während der Protest der „Blumenkinder“ als Unterkapitel in die Geschichte der Popularmusik einging, erfreuen sich die vokalharmonisch ausgefeilten Songs der vier Musiker nach wie vor großer Beliebtheit; wenn CSNY heute auf Konzerten mit ihren moralischen Zeigefingern die Lieder der 1960er- und 1970er-Jahre zupfen, stellt sich durchaus ein Déjà-vu-Gefühl ein. Im Zeitalter des Irak-Kriegs und eines überbordenden amerikanischen Patriotismus’ erlangen die einstigen Protestsongs ungewöhnliche Aktualität. Der Eindruck, dass die amerikanische Demokratie zu fragwürdigen Zwecken missbraucht, Grundrechte eingeschränkt und patriotische Ideale von der Regierung mutmaßlich verraten werden, setzt bei den musikalischen Veteranen beachtliche Energie frei. Vor allem der umtriebige Neil Young beließ es nicht beim Gefühl der Erinnerungstäuschung; mit „Living with War“ produzierte er ein Album mit Protestsongs, reaktivierte die alte Band und ging auf Tour. Der Dokumentarfilm „CSNY – Déjà Vu“ erzählt von den widersprüchlichen Erfahrungen, die CSNY auf ihren „Freedom of Speech“-Konzerten 2006 zwischen den Küsten der USA erlebten. Der Regisseur, Akteur und Musiker Neil Young agiert als patriotischer Protestler in Tarnkleidung, als Einzelkämpfer, der weniger auf geschliffene Kunst als auf Substanz setzt. So schuf er keinen traditionellen Konzertfilm, sondern die Dokumentation einer politischen Kampagne über das Medium Rock-Musik, die in ihrer Dramaturgie eine Brücke zwischen der musikalischen Dissenskultur während des Vietnam-Kriegs und dem kritischen Patriotismus der neoliberalen Linken schlagen will. Bereits die Eröffnungszitate suggerieren, dass die Musik gegen die Nixon-Regierung und den Vietnam-Krieg in gleicher Weise fürs geteilte Amerika im Krieg gegen den Terror gültig sei – ein Diktum, das sich unter verschiedenen Aspekten als problematisch erweist. Die Musiker sind der rebellischen Jugendkultur entwachsen und präsentieren sich als Ikonen, deren Bezug zur amerikanischen Gegenkultur längst historisch verklärt ist. Das Publikum nimmt die Songs entsprechend als ästhetische Versatzstücke wahr, die als „Soundtrack“ des Vietnam-Kriegs jeglichen Stachel eingebüßt haben. Insofern trifft der Film in der Debatte, ob in Krisensituationen Kritik an der amerikanischen Regierung legitim sei, ins Schwarze. Visuell eröffnet er mit einer wehenden US-Flagge über den Kreuzen des Soldatenfriedhofs in Arlington. Vor elegisch perlende Piano-Harmonien legt Young bissige Kommentare aus dem US-Talk-Radio und Fernsehen, die den patriotischen Protest der „Freedom of Speech“-Tour diffamieren. Die sich anschließenden Bilder unendlich weiter amerikanischer Landschaften beschwören ein Freiheitsgefühl, für das die gealterten Rock-Musiker nach wie vor unermüdlich eintreten. In Klassikern wie „Military Madness is Killing our Country“ übersteuert Young wie ein Berserker die Gitarrenverstärker mit seiner Gibson, als wolle er mit kreischendem Kriegsgeheul die Gehörgänge des Publikums frei blasen. Doch erst das neue Material der „Living With War“-CD vermag das Publikum zu schockieren. Mit Zeilen wie „Let’s impeach the President for lying’ / And misleading our country into war / Abusing all the power that we gave him / And shipping all our money out the door“ droht die Stimmung, vor allem im Süden der USA, in Wut umzuschlagen. „Fans“ schimpfen über unpatriotische Propaganda und sehen sich politisch manipuliert. Auf Videoleinwänden erscheint George W. Bush mit Zitaten zum 11. September, Massenvernichtungswaffen und Kampfaufrufen gegen Al-Quaida, während ein riesiges Mikrofon als Bühnenrequisite das Recht auf freie Meinungsäußerung seitens der Musiker einklagt; ein Grundrecht, das nach Auffassung von CSNY von der amtierenden Regierung in Frage gestellt wird. Der Film ist ein spannungsreiches Panoptikum aus Konzertausschnitten, Interviews mit Konzertbesuchern, Clips aus Nachrichtenprogrammen, Entertainment Shows, dem satirischen Colbert-Report und Kommentaren aus Zeitungen. Um das Déjà-vu-Erlebnis bildgeschichtlich zu unterstreichen, ergänzen Aufnahmen von den polizeilichen Übergriffen auf die Kent State University in Ohio und Konzertausschnitte von CSNY aus den 1970er-Jahren den Film. „Ohio“ oder „Military Madness“ erlangen so eine tiefere Bedeutung jenseits purer Nostalgie. Sich der Diskrepanz zwischen ästhetischer Attitüde und politischer Haltung in der Phase übersteigerten Patriotismus’ zu stellen, mag unbequem erscheinen; der Konzertfilm buchstabiert das Konfliktfeld von verklärtem Protest und mutigem Widerspruch in der Gegenwart eindrücklich durch. Gleichzeitig macht Neil Young keinen Hehl daraus, dass er mit suggestiven Schnitten und der selbst erschaffenen Musikgeschichte ein patriotisches Produkt vorlegt, das Dissens und Protest propagandistisch vermittelt.
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