Der große Japaner - Dainipponjin

- | Japan 2007 | 114 Minuten

Regie: Hitosi Matumoto

Ein japanischer Superheld, dessen Familie in der sechsten Generation die Menschheit rettet, gerät in eine Midlife Crisis, die durch das auffällige Sozialverhalten seiner Vorgänger noch gesteigert wird und der er erst mit Hilfe von vier amerikanischen Kollegen entrinnen kann. Die japanische Parodie des Superman-Pop-Mythos kommt als kaum verschlüsseltes Psychogramm der japanischen Gesellschaft daher. Erzählt mit den Mitteln des Trash-Kinos, entstand eine fesselnde Absteigergeschichte, die filmisch in der Tradition des japanischen Fantasy-Films wurzelt. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DAI-NIPPONJIN
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Real Product/Yoshimoto Kogyo Co.
Regie
Hitosi Matumoto
Buch
Hitosi Matumoto · Mitsuyoshi Takasu
Kamera
Hideo Yamamoto
Musik
Towa Tei
Schnitt
Hisaya Shiraiwa
Darsteller
Hitosi Matumoto (Dai Nipponjin/Masaru Daisatou) · Riki Takeuchi (Hanerunojyuu (einbeiniges Hüpfmonster)) · Ua (Managerin Kobori) · Ryunosuke Kamiki (Dounojyuu (Baby)) · Itsuji Itao (Niounojyuu (weiblicher Stinkkraken))
Länge
114 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Die umfangreichen Extras enthalten u.a. einen Audiokommentar mit Regisseur und Filmexperte Jörg Buttgereit und Alexander Zahlten, ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen (2 Min.) sowie ein aufschlussreiches "Making Of" (65 Min.).

Verleih DVD
REM (16:9, 1.85:1, DD5.1 jap./dt.)
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Diskussion
Der Vergleich zwischen einem Superhelden und einem kompakten Regenschirm wirkt ungewöhnlich, doch leuchtet er ein: Von ihrer nützlichen Seite zeigen sich beide nur im Zustand voller Entfaltung, während sie sich sonst durch alltägliche Unauffälligkeit auszeichnen. Während aber Clark Kent alias Superman wohl nur deshalb den Schussel hinter dicken Brillengläsern gibt, um aus dem Verborgenen heraus operieren zu können, lernen wir den realen Japaner hinter einem Monsterkiller und Koloss namens Dainipponjin als veritablen Tölpel Daisato kennen, als langhaarigen, nachlässig gekleideten, trübselig durch Tokio schlurfenden Interviewpartner, dem jede noch so banale Auskunft mühsam aus der Nase gezogen werden muss. Halb Mockumentary im Stil von Woody Allens „Zelig“ (fd 24 217), halb Monstermovie à la „Godzilla“, wurde „Der große Japaner“ entwickelt und inszeniert vom japanischen Starkomiker Hitoshi Matsumoto – der sich für die Credits um zwei Konsonanten erleichtert hat – zudem spielt „Hitosi Matumoto“ den Midlife-Crisis-geplagten Supermann selbst. Actionfans dürfte der Film eher enttäuschen, überwiegen doch die Szenen aus dem Alltag eines Menschheitsretters, der weit unten auf der nationalen Beliebtheitsskala angekommen ist. Wie letztlich jeder Popmythos in den Bedingungen seiner Entstehungszeit wurzelt, erweist sich „Der große Japaner“ als kaum verschlüsseltes Psychogramm des männlichen Japaners schlechthin. Nur sporadisch ist die anspruchsvoll-komplexe, aber durchweg fesselnde Absteigergeschichte mit Computertrickduellen zwischen einem riesigen Dainipponjin und diversen Mutantenmonstern garniert. Doch auch die Effektszenen spiegeln gesellschaftliche Probleme wie Generationskonflikte, Bindungsunfähigkeit, sexuelle Frustration, Umweltverschmutzung und Konsumterror wider. So versucht die an Daisato/Dainipponjin mehr und mehr herumkrittelnde Managerin, ihren Klienten als Werbeträger einzusetzen. „Meine Hüften gehören mir“, wehrt sich Daisato – vergeblich. Die Illusion, es könnte Spaß machen, ein Superheld zu sein, nimmt Matumoto den Zuschauern gleich zu Beginn. Damit sein Protagonist in die lila Riesenunterhose eines ins Gigantische aufgeplusterten Sumo-Ringers passt – eine japanische Version von Hulk vielleicht –, muss er sich regelmäßig einer schmerzhaften Transformation mittels Starkstrom unterziehen, umrahmt von einem albernen buddhistischen Ritual, das als überflüssige nostalgische Zutat entlarvt wird. Früher war alles besser: Seit sechs Generationen kämpfen die Männer in Daisatos Familie gegen alle möglichen Monstren. Der geliebte Großvater war Idealist, der Vater ging am eigenen Größenwahn zugrunde, und dem Sohn ist kaum mehr als die Selbstachtung eines städtischen Abfallentsorgers geblieben. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht, zumal Daisatos einziger Spross ein Mädchen ist, das durch die Mutter von ihm ferngehalten wird. „Wir leben getrennt“, gibt die Noch-Ehefrau zu Protokoll, „auch wenn Daisato das noch nicht richtig gemerkt hat.“ Fad geworden ist die Liebe, dreckig der Krieg: Gegen armselige Manga-Gestalten wie das Mietshäuser zerdrückende „Quetschmonster“, das amüsiersüchtige „einbeinige Hüpfmonster“ oder das „böse starrende Monster“, dessen schlangenartiger Penis in einem in jeden Winkel vordringendes Auge mündet, könnte man Godzilla fast für eine Stil-Ikone halten. Mit der schrumpfenden Popularität des Helden nimmt auch seine Kampfkraft ab. Zusätzlich machen ihm noch peinlich an die Öffentlichkeit dringende Familienangelegenheiten zu schaffen: Während der demenzkranke Großvater aus dem Altenheim flieht, sich selbsttätig vergrößert, auf Fabrikschornsteinen wie auf Bierflaschen bläst und mit Passagierflugzeugen herumspielt, scheint Daisatos Vater als gigantische Teufelsfigur wieder auferstanden zu sein, gegen deren Tritte der Sohn machtlos ist. Der einst große Japaner liegt am Boden und kann nur durch einen vierfachen Deus ex machina auf die Beine kommen: Ohne amerikanischen Beistand geht es offenbar nicht, und so führt Matumoto für sein Brecht’sches Finale eine in den US-Flaggenfarben gehaltene Superheldensippe ein, die der Inkarnation des Bösen ordentlich eins auf die Hörner gibt. Die trashige Schlussperformance erinnert von fern an die Aktionskunst von Paul McCarthy und ereignet sich in einer Modell-Stadtlandschaft, die an den billigen Godzilla-Filmsets der 1950er- bis 1970er-Jahre orientiert ist. Warum verzichtet Matumoto hier auf Digitaleffekte? Einerseits könnte er das Budget zu diesem Zeitpunkt der Dreharbeiten schon überzogen haben. Andererseits scheint in der Trash-Gestaltung des Finales ein perfider Hintersinn verborgen zu sein: Schließlich sind die USA am Godzilla-Mythos nicht ganz unschuldig – folgt man der Interpretation des Monsters als Allegorie der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Und dem gemäß scheint sich Dainipponjin, der seine Daisato-Existenz am Ende ganz abgestreift zu haben scheint, auch nicht übermäßig zu freuen, dass er, in Form einer an Fäden hängenden Plastikpuppe, von den Super-Amis in einen gemalten Himmel entführt wird. Die Flugträume ausgedienter Regenschirme sehen bestimmt anders aus.
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