Der Sohn von Rambow

- | Großbritannien/Frankreich/Deutschland 2007 | 95 Minuten

Regie: Garth Jennings

Ein introvertierter Elfjähriger, erzogen nach den Richtlinien einer strenggläubigen Sekte, schlüpft, nachdem er eine Raubkopie des Actionfilms "Rambo" gesehen hat, als "Sohn von Rambow" in die Heldenrolle und übernimmt die Aufgabe, seinen Vater zu befreien. Dies geschieht als Hauptdarsteller eines Films, den ein Mitschüler drehen will. Ein Film voller überbordender Ideen, der die kindliche Einbildungskraft ebenso feiert wie die "Fantasie-Maschine" Kino. Liebevoll und detailgenau inszeniert und ausgestattet, bietet er vergnügliche, hintersinnig-respektlose (Familien-)Unterhaltung. - Ab 12.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
SON OF RAMBOW
Produktionsland
Großbritannien/Frankreich/Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Hammer & Tongs/Celluloid Dreams/Reason Pic./Soficinéma 2/Soficinéma 3/ZDF/arte France Cinéma
Regie
Garth Jennings
Buch
Garth Jennings
Kamera
Jess Hall
Musik
Joby Talbot
Schnitt
Dominic Leung
Darsteller
Bill Milner (Will Proudfoot) · Will Poulter (Lee Carter) · Jules Sitruk (Didier) · Jessica Stevenson (Mary Proudfoot) · Neil Dudgeon (Joshua)
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Der erste Film ist ein prägendes Erlebnis – insbesondere dann, wenn es sich bei den bewegten Bildern nicht um kindgerechte handelt, sondern um solche, die eindeutig für eine andere Altersgruppe bestimmt sind. Weil man nicht schlafen konnte, lässt sich vielleicht hinter den Rücken der Eltern im Fernsehsessel ein Blick auf verbotene Action erhaschen, auf Blut, Sex oder Gewalt. Ob das Gesehene dann in Albträume oder Heldenfantasien umgewandelt wird, ist wohl individuell unterschiedlich. Bei Will sind es Heldenfantasien, und er hat Glück: Er darf sie gleich selbst filmisch in die Tat umsetzen. Initiation für Will ist eine Raubkopie von „Rambo“. Erzogen nach den Richtlinien einer strenggläubigen Sekte, die weltliche Zerstreuungen wie Film und Musik verbieten, glich der Elfjährige seinen Bildermangel zuvor mit fantasievollen Zeichnungen aus; seine detailreichen, bunten Tableaus füllten Bücher, Schultoilettenkabinen und Daumenkinos. Zufällig trifft Will auf den denkbar unterschiedlichen Lee Carter, dessen Mutter abwesend und dessen Bruder gleichgültig ist: Der erklärte Schulrebell kann tun und lassen, was er will. Darunter fallen auch die Raubkopien von „Rambo“, die er für seinen großen Bruder anfertigt. Mit dem introvertierten Will, der in der selbst geschaffenen Figur des Sohns von Rambo sein extrovertiertes Alter Ego entdeckt, hat Lee den Hauptdarsteller für seinen eigenen Film gefunden. Er möchte damit an einem nationalen Wettbewerb teilnehmen. Im Lauf der Dreharbeiten werden die beiden Freunde. Wills Zeichnungen rund um den Sohn von Rambo, der seinen Vater befreien will, werden zum Storyboard, zum Drehbuch für den Film im Film. Die Zeichnungen erwachen zum Leben, ebenso wie eine gruselige Vogelscheuche. Auf einer langweiligen Autofahrt entlang englischer Felder blickt Will aus dem Fenster und sieht bunte Explosionen über den gelben Ähren; als Sohn von Rambo irrt er durch animierte Sequenzen seiner Bildergeschichten. Garth Jennings’ zauberhafter Film ist eine Feier und Beschwörung der kindlichen Fantasie, die so ungleich reicher ist als die erwachsene. Und er feiert das Kino: als „Fantasiemaschine“, die verlorene Welten jederzeit wieder auferstehen lassen kann. Der Film der Kinder ist auch ein Kommentar zum Filmemachen; die Widrigkeiten, mit denen beide zu kämpfen haben, und ihre Improvisationslust bei den Stunts und Spezialeffekten spiegeln die Probleme und Freuden eines „erwachsenen“ Drehs. Ein liebevoll und detailgenau ausgestatteter Kostümfilm ist „Der Sohn von Rambow“ außerdem; er spielt Anfang der 1980er-Jahre, eben als „Rambo“ (fd 23 808) im Kino lief. Der Regisseur und Drehbuchautor Jennings hat – laut Presseheft – seine eigenen Kindheitserinnerungen verarbeitet. Er wollte dabei aber nicht autobiografisch vorgehen, sondern „das Leben, wie wir es als Kinder empfunden haben“, einfangen. Jennings hat 2005 mit „Per Anhalter durch die Galaxis“ (fd 37 093) seinen ersten Spielfilm vorgelegt. Seine Produktionsfirma „Hammer & Tongs“ betreibt der Regisseur gemeinsam mit Produzent Nick Goldsmith; sie ist für einige mittlerweile stilprägende Videoclips verantwortlich – etwa „Imitation of Life“ von REM. Die federleichte Mischung von Stilen und Formen in „Der Sohn von Rambow“ erinnert vielleicht auch deshalb an die Filme des Videoclip-Großmeisters Michel Gondry – ganz abgesehen von den inhaltlichen Übereinstimmungen mit dessen letztem Film „Abgedreht“ (fd 38 638). „Der Sohn von Rambow“ wirkt allerdings um einiges natürlicher und weniger bemüht, wohl deshalb, weil es sich um Kinder handelt, die hier kindisch sind. Blutsbrüderschaften, französische Austauschschüler, Depeche Mode und The Cure, Konflikte zwischen Freunden, der Kinoheld als besseres Ich: „Der Sohn von Rambow“ ist der perfekte Film für Menschen, die in den 1980er-Jahren aufgewachsen sind, insbesondere, wenn sie jetzt selbst Kinder haben. Er ist eine Art „Fight Club“ (fd 33 963) als Family Entertainment, kathartisch und anregend zugleich, dabei erfrischend politisch unkorrekt und respektlos – immerhin zeigt schon eines der ersten Bilder den rauchenden Lee, der im Kino ungeniert von der Leinwand abfilmt. Nach dem Kinobesuch, der unbedingt bis zum Ende der Schlusstitel dauern sollte, werden die Eltern ihre Kinder jedenfalls noch lang mit eigenen Erinnerungen unterhalten – oder nerven.
Kommentar verfassen

Kommentieren