Science Of Horror

Dokumentarfilm | Deutschland 2008 | 81 Minuten

Regie: Katharina Klewinghaus

Filmische Studie über die Wirkungsweise und Rezeption von Horrorfilmen, die nach anfänglicher Klärung allgemeiner Begriffe die feministische Perspektive auf das Genre in den Mittelpunkt rückt. (Film-)Wissenschaftlerinnen kommen zu Wort, aber auch exponierte Vertreter des Genres. Obwohl der Film ein feines Gespür für das richtige Timing an den Tag legt, nutzt sich der stereotype Wechsel von Talking Heads und Schockszenen (aus diversen Horrorfilmen) auf Dauer doch ab. Der Dokumentarfilm verfolgt keinen streng akademischen Ansatz, ist in seiner Argumentation aber durchaus feministischen und psychoanalytischen Diskursen verpflichtet.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Totho cmp
Regie
Katharina Klewinghaus
Buch
Katharina Klewinghaus
Kamera
Ralph Goertz · Thomas Janze · Logan Leabo · David Sünderhauf
Musik
Fantômas · Hannah von Hübbenet · Jan Lehmann
Schnitt
Normann Petkau
Darsteller
Bruce Campbell · John Carpenter · Wes Craven · Joe Hill · Carol Clover
Länge
81 Minuten
Kinostart
-
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Horror is a bastard child: Mit dieser etwas kernigen Ansage beginnt Katharina Klewinghaus’ Dokumentation „Science of Horror“. Noch immer haftet den so genannten „low body genres“ etwas Anrüchiges, Verbotenes an – ein „forbidden pleasure“, so der Regisseur Wes Craven. Horrorfilme gelten als pornografisch und frauenfeindlich; der Plot von Slasher-Filmen wird nicht selten darauf reduziert, dass schöne, leicht bekleidete, kreischende Frauen von einem monströsen Killer gejagt und bestialisch zur Strecke gebracht werden – und das allein zur Befriedigung einer sadistisch geprägten Schaulust männlicher Zuschauer. Diese Ansicht war auch lange Zeit in feministischen Analysen weit verbreitet, änderte sich jedoch vor allem mit dem Erscheinen von Carol Clovers Studie „Men, Women and Chain Saws“ (1992) sowie Linda Williams’ „Hard Core“ (1989). Beide Autorinnen kommen auch in „Science of Horror“ zu Wort – einer Studie, die ganz klar die feministische Perspektive auf das Genre in den Mittelpunkt rückt. Die Filmwissenschaftlerin Katharina Klewinghaus – die übrigens demnächst auch als Darstellerin in Bruce LaBruces Polit-Zombie-Film „Otto – Or Up With Dead People“ zu sehen sein wird – verfolgt dennoch keinen streng akademischen Ansatz. So haben auch legendäre Figuren des Horrorfilms ihren Auftritt wie Bruce Campbell, Wes Craven und John Carpenter sowie das redselige Personal von Troma, der ältesten und von der Zensur arg geplagten Independent-Filmproduktion, die unter Freunden des trashigen Horrorfilms Kultstatus genießt. Interviewszenen und Filmzitate wechseln sich ab, wobei die Regisseurin durch ein feines Gespür für das richtige Timing überzeugt. Dennoch erinnert das etwas stereotype Schema aus Talking Heads und Schockszenen manchmal allzu stark an das für DVDs übliche Bonusmaterial, daran können auch die dazwischengeschnittenen, frechen Animationsszenen wenig ändern. „Science of Horror“ kreist anfangs um eher allgemeine Begriffe wie Katharsis oder Zensur, um sich dann umso intensiver dem feministischen Diskurs zuzuwenden, beispielsweise lesbischer Subtexte oder aber der lange Zeit als ausschließlich männlich kodierten Schaulust in Verbindung mit weiblicher Angst. Diese gab es nicht nur auf der Leinwand zu sehen – in Form der vor Angst schreienden Frau – sondern auch auf der Ebene der Rezeption mitzuerleben. Linda Williams erläutert ihre Theorien anhand einer Fotografie, die das Publikum während einer Vorführung von „Psycho“ zeigt. Die männlichen Zuschauer haben überwiegend angespannte, sogar verkrampfte Gesichter, zwingen sich dennoch zum Blick auf die Leinwand (und verhalten sich im klassischen Sinne „männlich“), während einige Frauen sich durch Wegschauen schützen. Doch hinter manch vorgehaltener Hand verbirgt sich auch ein genießendes Lächeln. Theorien zur Mordwaffe im Horrorfilm sind vor allem stark von psychoanalytischen Diskursen bestimmt (die Waffe ist der Phallus), erhellend sind in diesem Zusammenhang vor allem die Ausführungen der Theoretikerin Judith Halberstam zu „Chainsaw Massacre II“: Sie zeigt auf, wie geschlechtsspezifische Zuschreibungen unterwandert werden, indem die Kettensäge ihren Besitzer wechselt – ein sehr anschauliches Bild für die soziale Konstruktion von Gender. Sobald das „final girl“ die tödliche Waffe triumphierend in den Händen hält, haben sich die Machtverhältnisse auf drastische Art und Weise umgekehrt. Horror is a bastard child.
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