Finnischer Tango

- | Deutschland 2008 | 91 Minuten

Regie: Buket Alakus

Auf der Flucht vor einer Metal-Band schlüpft ein gefühlskalter junger Tango-Musiker in einer Behindertengruppe unter, wo er lernt, Zuwendung zu akzeptieren und weiterzugeben. Der unterhaltsame Film vermittelt, dass es unterschiedliche Formen von Behinderungen gibt, Gefühle für die Ausbildung der Persönlichkeit wichtig sind und Freundschaft ein hohes Gut ist. Die lakonisch-humorvolle Tonart kann jedoch nicht überdecken, dass sich alles allzu widerstandslos zum lebensbejahenden Wohlfühlfilm addiert, der heilsame Tabubrüche allenfalls vortäuscht. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Geisberg Studios Filmprod./Pinguin Film/NDR
Regie
Buket Alakus
Buch
Jan Berger · Marcus Hertneck
Kamera
Daniela Knapp
Musik
Christoph Blaser · Steffen Kahles
Schnitt
Vera Jeske
Darsteller
Christoph Bach (Alexander) · Mira Bartuschek (Lotte) · Michael Schumacher (Clark) · Nele Winkler (Marilyn) · Fabian Busch (Rudolph)
Länge
91 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Auf dem „Festival des deutschen Films“ in Ludwigshafen wurde der Film von Buket Alakus 2008 mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Damit hat er seine Mission punktgenau erfüllt, denn in der Tat hat dieser „Zutatenfilm“ (Alexander Kluge) seine Bestandteile so geflissentlich ausgewählt und so ordentlich drapiert, dass man schon ein Herz aus Stein haben müsste, den Film und seine engagiert agierenden Darsteller nicht zu mögen. Andererseits beschleicht einen aber das klamme Gefühl, das alles schon mehr als einmal gesehen zu haben. Jede Figur, jede Szene erfüllt ohne Überschuss die dramaturgische Funktion eines Mosaiksteinchens innerhalb eines runden und harmonischen Gesamtbildes, das dem Zuschauer auf das Unterhaltsamste erzählen will, dass es ganz unterschiedliche Formen von Behinderungen gibt, dass Emotionen ganz wichtig für die Ausbildung einer Persönlichkeit sind, dass Freundschaft ein hohes Gut ist und dass auch Gehandicapte oft an Sex denken. All diese wackeren und durchaus sympathischen Botschaften transportiert der Film nicht etwa mit pädagogisch erhobenem Zeigefinger, sondern eher hintenherum als Komödie, die gern „schwarz“ sein will. Das Räderwerk des routinierten Erzählens läuft irgendwann wie geschmiert, auch Episoden, die nicht unbedingt die Handlung vorantreiben (wie die Darstellung einer Gruppe sinistrer Metal-Musiker) sind putzig gelungen, allein Anfang und Ende des Films sind ausgesprochen problematisch. Bevor nämlich der Musiker Alex seine längst überfällige Erziehung des Herzens beginnen kann, braucht es etwas Fallhöhe. Alex spielt mit zwei Freunden recht erfolglos in einer Tango-Band. Natürlich nicht in irgendeiner, sondern einer, die – nach Kaurismäki und Numminen – Moll-lastigen finnischen Tango spielt und damit die lakonisch-humorvolle Tonart des Films vorgibt. Alex ist ein herzenskalter Filou, der auch nach einem schweren Autounfall zunächst nur an sich und sein Akkordeon denkt, statt sich um den verletzten Freund zu kümmern oder den toten Band-Kollegen zu betrauern. Das ist, wie man so sagt, bezeichnend. Weil die Tango-Musiker zuvor eine düstere Metal-Band bestohlen haben, die jetzt auf Rache oder zumindest auf Schadensersatz aus ist, heißt es für Alex – kein Geld, keine Freunde, nichts als Ärger – zunächst einmal untertauchen. Natürlich nicht irgendwo, sondern am besten in einer Behinderten-Theatergruppe, in die man nur hineinkommt, wenn man behindert ist. Wüsste Alex um seine emotionalen Defizite, wäre das kein Problem. So aber muss er erst einmal einem Betroffenen seinen Behindertenausweis stehlen. Alex wird also Epileptiker – und zieht in eine betreute Wohngruppe. Hier trifft er nicht nur auf die patente Lotte und den MS-kranken Ästheten Rudolph, sondern auch auf einige ziemlich „toughe“, mit sehr irdischen Problemen handfest und ehrlich befasste Behinderte, die den Neuen durch ihre Lebenslust kurzerhand sozialisieren. Anfangs wehrt sich Alex zwar noch gegen seine Menschwerdung, indem er weiterhin versucht – Gehandicapte hin, Gehandicapte her –, sein Süppchen auf Kosten anderer zu kochen. Doch gegen die beharrliche Menschlichkeit von Lotte, Clark und Marilyn ist auf Dauer kein Kraut gewachsen, zumal Alex eigentlich doch ein Netter ist. Weil sich der Film beharrlich weigert, auch nur einen Moment ernsthaft über die tragische Dimension von Krankheit oder Behinderung nachzudenken – selbst Rudolph sinnt nur in einem ganz schwachen Moment über Selbstmord nach und wird von Alex eines Besseren belehrt –, verpufft „Finnischer Tango“ widerstandslos zu einem überraschungslos lebensbejahenden Wohlfühlfilm mit einigen unterhaltsamen politischen Unkorrektheiten und vorgetäuschten Tabubrüchen; diese werden vom guten Darsteller-Ensemble so mundgerecht angeboten, dass man ihm ausgesprochen gerne bei der Arbeit zusieht. Manchmal aber sehnt man sich dabei doch in jene Zeit zurück, als sich „Unser Walter“ im Fernsehen seine Eistüte wider Willen mitten auf die Stirn „pappte“, was am nächsten Tag auf dem Schulhof zum Running Gag wurde. „Finnischer Tango“ wird diese Wirkung sicher nicht haben.
Kommentar verfassen

Kommentieren